Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Von Ibiza bis München: die Denunziationspolitik

Es ist eine der übelsten Entwicklungen der modernen Politik, an welcher der sogenannte "investigative Journalismus" kräftig Mitschuld trägt. Politik scheint heute nur noch im Wettbewerb zu bestehen, wer besser irgendwelche, oft Jahrzehnte alte Taten oder Aussagen ausgräbt und sie sympathisierenden Medien zuspielt. Es gibt hingegen kaum mehr einen Wettbewerb, wer die besseren Antworten auf die großen Herausforderungen hat, nicht zuletzt auch deshalb, weil Journalisten immer mehr das Format und das ökonomische Wissen fehlt, um die Qualität dieser Antworten zu durchschauen und analysieren. Und Politiker versuchen (deshalb?) oft gar keine Antworten mehr zu finden, sondern nur noch alte Äußerungen auszugraben, mit denen politische Gegner denunziert werden können. Statt des Sacharguments gilt nur noch das Argument "ad personam".

Besonders aktuell und geradezu idealtypisch für diese Entwicklung von der Sach- zur Denunziationspolitik ist der Fall Hubert Aiwanger. Der Chef der "Freien Wähler" und stellvertretende Ministerpräsident in Bayern hatte vor 35 Jahren als Schüler ein antisemitisches Flugblatt miesesten Inhalts entweder selbst geschrieben, besessen oder verteilt. Es gibt aber nicht den geringsten Hinweis, dass Aiwanger als Erwachsener oder gar heute noch antisemitisch reden, denken oder handeln würde. Und einzig das sollte relevant sein.

Dennoch hat die zu einem Schmierblatt verkommene "Süddeutsche Zeitung" – nachdem selbst der "Spiegel" einen diesbezüglichen Artikel zu schreiben abgelehnt hat! – daraus für den bevorstehenden Wahlkampf einen großen Skandal zu machen versucht. Und Rot wie Grün überbieten sich seither an Empörung, weil Aiwanger nach dieser "Enthüllung" nicht schamerfüllt zurückgetreten ist.

Das macht wirklich fassungslos. Man stelle sich zum Vergleich vor, was passiert wäre, wenn Aiwanger als Schüler mehrere Menschen ermordet hätte. Er wäre dann zwar auf Grund eines – nicht zuletzt auf Drängen der Linken – sehr liberalen Jugendstrafrechts einige Jahre in Haft gesessen. Heute jedoch dürfte man die einstigen Mordtaten in Zusammenhang mit Aiwanger nicht einmal mehr erwähnen. Denn der moderne Rechtsstaat kümmert sich darum, dass auch Schwerverbrecher eine zweite oder auch dritte Chance bekommen und sich immer wieder mit sauberer Weste am gesamten gesellschaftlichen Leben beteiligen dürfen, besonders, wenn sie zur Tatzeit jugendlich waren.

Das ist auch gut so. Nur im mittelalterlichen und im islamischen Strafrecht werden Menschen wegen eines einzigen Fehltritts lebenslang verstümmelt oder sonstwie bestraft.

Diese Toleranz ist bei Jugendlichen oft besonders notwendig. Zugleich ist aber auch festzuhalten, dass die völlige Straflosigkeit von 12- oder 13-jährigen Verbrechern immer inakzeptabler wird. Noch dazu, da diese "Kinder" sehr oft sehr bewusst die rechtliche Schutzstellung ihres Alters ausnutzen, um Delikte zu begehen. Gerade Jugendliche und Kinder bräuchten ein klares und deutliches Zeichen, dass ein Verhalten unerwünscht ist, dass die Gesellschaft keineswegs ein wehrloser Watschenmann ist, sondern zurückzuschlagen vermag.

Wichtig ist jedoch, dass diese Reaktion rasch erfolgt. Deshalb ist die mindestens mehrere Monate ausmachende Zeitspanne zwischen Delikt, polizeilicher Vernehmung und Strafprozess völlig falsch – zumindest dann, wenn die Reaktion des Rechtsstaats positive, spezialpräventive Auswirkungen auf den Jugendlichen haben soll. Noch schlimmer ist, dass es bei Unter-14-Jährigen gar keine Reaktion des Staates gibt. Aber ebenso wichtig ist, dass gerade Jugendliche auch die Chance auf einen echten Neuanfang bekommen. Gerade bei Jugendlichen ist ein konsequenter Mittelweg wichtig. 

Und völlig irrsinnig ist, wenn jugendliche Verfehlungen nach mehr als 35 Jahren ausgegraben werden.

Jeder, der Kinder hat, jeder der mit Jugendlichen zu tun hat, weiß: Es gibt bei vielen von ihnen Phasen, wo es ihnen vor allem darauf ankommt zu provozieren. Sei es wie einst durch lange Haare, später durch möglichst auffallende Piercings und Tätowierungen. Oder aber durch politische Provokationen. Da linksradikale Aktionen, das Aufhängen der Porträts von Massenmördern wie Che Guevara und brüllende Demonstrationen fast schon Mainstream sind, können Halbwüchsige schon lange nur noch mit rechtsradikalen Aktivitäten Aufsehen, Ärger und zornige Reaktionen auslösen.

Ganz offensichtlich geben erst solche politische Provokationen, die eine Reaktion auslösen, vielen Halbwüchsigen das Gefühl, wichtig oder gar schon erwachsen zu sein. Dennoch braucht sich eine selbstbewusste Gesellschaft einerseits solche Provokationen nicht gefallen zu lassen, egal ob sie links- oder rechtsradikal ablaufen. Andererseits sollte sie ihnen aber auch mit etlicher Gelassenheit und dem Wissen gegenüberstehen, dass diese Phasen meist vorübergehen (auch wenn Menschen der Intellektualität eines Andreas Babler in ihnen steckengeblieben sein dürften). In aller Regel kann man dann verfolgen, wie aus diesen Aufbegehrern später durchaus erfreuliche Erwachsene geworden sind.

Umso fassungsloser macht, wenn ein Lehrer nach 35 Jahren einstige Verfehlungen eines Schülers an die Öffentlichkeit zerrt. Das ist nicht nur eine glatte Rechtswidrigkeit. Das ist auch ein schwerer Schaden, den jetzt tausende Lehrer in Deutschland wie Österreich auszubaden haben. Wie kann ein Jugendlicher jemals Vertrauen zu seinen Lehrern haben, wenn er damit rechnen muss, dass einer von ihnen Material sammelt und ihm dann Jahrzehnte später damit zu schaden versucht.

Wäre die SPD eine Partei mit einem Rest von Anstand, dann müsste sie jetzt den betreffenden Lehrer ausschließen, der das getan hat. Die Partei ist aber statt dessen voll auf Empörung über die 35 Jahre zurückliegende Tat eines Schülers programmiert.

Hingegen ist die Deutschland so beschäftigende Frage völlig egal, ob Aiwanger selbst oder sein Bruder damals das Pamphlet verfasst hat. Auch der bloße Transport des Flugblatts in die Schule hat Strafe verdient. Die Aiwanger von seiner Schule damals auch bekommen hat. Damals! Heute jedoch sollten die einstigen Jugendsünden nicht einmal andeutungsweise ein öffentliches Thema sein, gleichgültig, wer das einst geschrieben und transportiert hat. Heute ist das nach 35 Jahren erfolgende Ausgraben einer Schüler-Tat, die keinerlei Nachwirkungen hatte, der wahre Skandal. Im eigentlichen Skandal sind dieser Lehrer, die "Süddeutsche Zeitung" und die sich anschließenden Linksparteien die wahren Übeltäter, die an dieser Inszenierung mitgewirkt haben, um einen Wahlkampf zu beeinflussen.

Der Fall Aiwanger ist aber keineswegs ein Einzelfall.

Man erinnere sich etwa an den Fall eines amerikanischen Höchstrichters, dem vor seiner Nominierung durch den Senat ein Strick daraus gedreht werden sollte, dass er einst bei einer Studentenparty angeblich ein Mädchen sexuell bedrängt haben soll (was vermutlich bei einem großen Teil der Studentenpartys passieren dürfte …). Zum Glück gab Amerikas Senat dieser Denunziation angeblicher Jugendsünden nicht nach. Aber wieder waren es linke Politiker und sogenannte Aufdeckermedien, die versucht haben, eine längst verjährtes Delikt – wenn es denn überhaupt ein solches gegeben haben sollte – zum großen Drama zu machen.

Es sind die gleichen linken Medien und Politiker, die sich monatelang öffentlich über die Verbrechen einer – mir unbekannten – Gruppe namens Rammstein erregt haben. Bis sich gerichtlich herausgestellt hat, dass es keines dieser Verbrechen gibt. Darauf hat man die eigene Aufregungsheuchelei schubladisiert und wendet sich sofort anderen Denunziationen zu..

Es sind die gleichen linken Medien und Politiker, die jahrelang irgendwelche Menschen zu denunzieren versucht haben, weil sie in ihrer Bibliothek ein altes Liederbuch mit verbotenen Texten gefunden haben.

Es sind die gleichen linken Medien, Politiker und Staatsanwälte, die Sebastian Kurz jetzt wegen der Lächerlichkeit einer unpräzisen und drei Jahre alten Aussage im Parlamentsausschuss den Prozess machen, nachdem sie demokratisch gegen ihn nicht aufgekommen sind.

Es sind die gleichen linken Medien und Politiker, die rund um die Uhr behaupten, die "Identitären" wären extremistisch. Dabei gibt es keine einzige Verurteilung der Identitären, sondern nur Aktionismus mit den Methoden von "Greenpeace" (die einem zu Recht unsympathisch sein können, die man aber objektivitätshalber gleich bewerten und nicht bei den einen kriminalisieren und bei den anderen subventionieren sollte!). Dabei kenne ich keine Zeile der – ja betont österreichischen! – Identitären, die irgendetwas mit NS-Sympathien zu tun hätte oder die zum Bruch der Verfassung auffordern würde. Dabei erinnern ihre von einer großen Mehrheit der Österreicher geteilten Ziele (Stopp der illegalen Immigration und der Islamisierung) frappant an die Themen der Wahlkämpfe der ÖVP unter Sebastian Kurz (auch wenn er sich von den Identitären weit distanziert hat ...).

Das einzige, was als Beweis für den behaupteten "Rechtsextremismus" der Identitären vorliegt, ist die beweisfreie und nie von einem Gericht bewertete Behauptung einer linksradikalen Polizeiaktivistin in einem einstigen Verfassungsbericht. Die "Identitären" sind also ein weiteres eklatantes Beispiel, wie die Linke ständig mit beweisfreier Denunziation arbeitet.

Es sind die gleichen linken Medien und Politiker, die ganz im Gegensatz dazu total die Decke des Vergessens darüber ausbreiten, wenn einem bekannten linken Aktivisten in Österreich (mit ähnlich mangelhaften Beweisen) strafrechtliche Vergewaltigungen vorgeworfen werden. Also konkrete schwere Verbrechen, die noch dazu viel kürzer zurückliegen dürften. Da reagiert der Mainstream plötzlich ganz anders – und wohl ausnahmsweise richtig. Die Medien können aber nicht erklären, warum sie nicht auch in anderen Fällen so schweigsam gewesen sind, da sich die Attacken aus dem Dunkel gegen rechte Politiker und Juristen gerichtet haben. Oder gegen die Direktorin des Reinhardt-Seminars.

Es wird immer unappetitlicher, wie heuchlerisch, einseitig und parteipolitisch die moralistische Aufregung der Politiker und die "investigative" Arbeit der als Denunzianten-Lautsprecher dienenden Medien sind.

Der Fall Aiwanger schließt in Hinblick auf die Denunziationsmethode auch nahtlos an den Fall Ibiza an. Anders ist einzig, dass es dort nicht um Jugendliche gegangen ist. Und wieder war es die "Süddeutsche Zeitung", die dabei die miese Rolle als Denunziationsdreckschleuder gespielt hat. Obwohl durch den illegalen Lauschangriff auf H.C. Strache und seine Veröffentlichung nichts strafrechtlich Relevantes aufgedeckt worden ist, sondern nur (moralisch und politisch) Widerliches.

Da muss man sich aber ehrlich fragen: Wer von uns hat noch nicht in einer für vertraulich gehaltenen Umgebung etwas gesagt – etwa abfällige Urteile über Dritte –, was ihm sehr unangenehm wäre, sollte es an die Öffentlichkeit geraten? Das besonders Bedrückende an Ibiza ist daher, dass dieser Lauschangriff nicht nur keine rechtlichen Konsequenzen hatte. Es ist nicht einmal eine seriöse Debatte darüber entbrannt, wie solche Aktionen wenigstens für die Zukunft unter prohibitive Strafen gestellt werden können. Die linke Staatsanwaltschaft hat, statt das Zentralproblem anzugehen, an Ibiza eine Unmenge – vorerst allerdings durchwegs ergebnislos gebliebener – anderer Strafverfahren wegen ganz anderer (vermeintlicher) Delikte angeknüpft. Sie hat also einen dubiosen Lauschangriff hemmungslos für ihre Ziele instrumentalisiert.

Sollten wirklich Lauschangriffe dieser Art völlig konsequenzenlos bleiben, dann sind wir endgültig beim totalitären Großen Bruder gelandet, vor dem es keine Privatheit gibt, der uns bis ins Schlafzimmer überwachen darf. Der nach Jahrzehnten vermeintliche Delikte eines Schülers in die Öffentlichkeit zerren darf. Der den derzeit überwiegend linkslastigen Medien tonnenweise Jauche für ihre Kampagnen verschaffen darf.

Früher oder später werden freilich auch rechte Medien dieselben Methoden anwenden. Und nach der Reihe die sexuellen Missbrauchsaffären im linken Politmilieu aufdecken. Und auf die einstigen Schulakten linker Politiker zurückgreifen. Und jeden an den Pranger stellen, der von Karl Marx bis Leon Trotzki linke Massenmörder bejubelt hat. Und auch Lauschangriffe auf linke Politiker starten. Und jeden Ostdeutschen in der Politik durchleuchten, wie er es denn vor 35 Jahren mit dem Mörderregime der DDR gehalten hat. Und alle Verbindungen von Sozialdemokraten zu den faschistischen grauen Wölfen aus der Türkei offenlegen.

Dann aber gehen wir endgültig in der Jauche unter, von der die Linke und Teile der Staatsanwaltschaft geglaubt haben, dass sie nur gegen Rechte geschleudert werden darf.

Dennoch sei mit einem positiven Hinweis geendet: Die ersten Umfragen nach den miesen Enthüllungen aus Aiwangers Schulzeit zeigen: Die Wähler durchschauen das Spiel, das da betrieben wird. Sie haben den Freien Wählern ein deutliches Plus verschafft. Und das geht vor allem auf Kosten der Sozialdemokraten, zu denen ja der einstige Lehrer gehört, und denen die "Süddeutsche" sehr nahe steht.

Lauter kann man nicht sagen: Hört doch endlich mit dieser Denunziationspolitik auf! Es bringt euch nichts!

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung