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Schikanierende Querulanten oder mutige Korruptionsjäger?

Informationsfreiheit, Medienfreiheit: Seit Jahren prägen Gesetzesprojekte mit hehren Namen die politischen Diskussionen in Europa und in Österreich. Warum dauert das trotz des großen politmedialen Drucks so lange? Freiheit ist doch ein so hohes Gut, dass nur jene etwas dagegen haben können, die sich offen dazu bekennen, sie einschränken zu wollen. So meint man zumindest. Doch gibt es nicht nur aus sinistren Motivationen Widerstand gegen diese beiden Projekte des politmedialen Zeitgeistes, sondern auch aus sehr vernünftigen und gerechten. Dabei gäbe es durchaus logische Lösungen der damit verbundenen Probleme, die aber in der Politik ignoriert werden.

Die Informationsfreiheit soll das Amtsgeheimnis ablösen. Dieses signalisiert ja schon in der Bezeichnung den Geist eines üblen Obrigkeitsstaates. Es dient in der Tat oft nur dazu, Faulheit oder Unfähigkeit, Verschwendung und Fehlentscheidungen, aber auch Schiebungen und Gaunereien von Beamten und Politikern zuzudecken. Das Amtsgeheimnis soll daher, so der breite prinzipielle Konsens, durch das Gegenteil, durch ein Informationsfreiheitsgesetz abgelöst werden.

Der dahinterstehende Gedanke ist völlig richtig. Alles Handeln der Obrigkeit auf allen Ebenen soll total transparent, zur Gänze durchleuchtbar ablaufen. Hat sie doch unglaublich viel Macht über uns. Sie kann uns – fast schon beliebig – verfolgen oder einsperren. Sie nimmt uns ständig den Großteil des von uns erarbeiteten Geldes wieder ab. Und dieser Anteil wird immer größer. Siehe etwa das neue Mietrecht, das auf eine Teilenteignung hinausläuft (die gleichzeitig den jungen Wohnungssuchenden massiv schadet). Siehe etwa gar die brutalen Enteignungsphantasien des neuen Sozialdemokraten-Chefs Babler.

Dennoch gibt es Gründe, warum das geplante neue Gesetz mit Vorsicht zu genießen ist. Das ist immer dann der Fall, wenn dadurch berechtigte Interessen der Allgemeinheit, der Steuerzahler oder auch einzelner verletzt werden, denen es eigentlich nutzen soll:

  • Dabei geht es insbesondere um jene Fälle, bei denen das Verlangen nach irgendeiner Information den Steuerzahlern signifikante Kosten verursacht, oder bei denen eine Häufung solcher Informationsverlangen zu einem noch übleren Aufblähen der Bürokratie führen oder das Funktionieren des Beamtenapparates noch mehr verlangsamen würden.
  • Dabei geht es vor allem um Anfragen, die nicht mit Knopfdruck zu beantworten sind, sondern stunden- oder tagelanges Blättern in tausenden Aktenseiten notwendig machen.
  • Dabei geht es auch um Serienanfragen von krankhaften oder parteipolitisch motivierten Querulanten, die Behörden geradezu lahmlegen könnten.
  • Schon jetzt sind oft in Bundesbehörden ganze – von uns bezahlte – Abteilungen tagelang mit dem Beantworten parlamentarischer Anfragen beschäftigt. Es ist eher schwierig, sich vorzustellen, solche Anfragen könnten künftig von jedem einzelnen Österreicher kommen. Noch dazu, wenn viele von ihnen nicht einmal ihre Frage klar und präzise formuliert haben.
  • Dabei geht es um Anfragen, die wichtige persönliche Interessen einzelner Bürger oder Unternehmen zu verletzen drohen, etwa wenn persönliche Angaben über einen Postenkandidaten erfragt werden.
  • Dabei geht es um Fragen, deren offene Beantwortung Österreich außen- oder sicherheitspolitisch schaden könnte. Man denke an bestimmte sensible Aspekte militärischer Beschaffungen oder an Gespräche mit einem ausländischen Politiker oder an geheime Berichte eines Botschafters über ein anderes Land.
  • Dabei geht es um Fragen, die die Strafverfolgung behindern würden. Strafrechtliche Erhebungen werden ja ohnedies vor Gericht geklärt (freilich nur dann, wenn die Staatsanwälte endlich verpflichtet werden, Verfahren in einem zügigen Zeitrahmen abzuwickeln!). Sehr wohl kann ein Strafverfahren hingegen Thema eines Informationsbegehrens sein, wenn es von der Staatsanwaltschaft einfach eingestellt wird (man erinnere sich etwa daran, wie einst bei den Lucona-Morden im Dunstkreis der SPÖ aus parteipolitischer Rücksichtnahme die Verfolgung zeitweise abgedreht worden ist).

Die Politik diskutiert in diesem Dilemma Lösungswege. So prüft man, ob wenigstens Gemeinden unter 5000 oder 10.000 Einwohnern von der Pflicht zur Beantwortung befreit werden sollen. Denn dort fehlt es oft schlicht an Personal, welches das tun könnte.

Das wäre aber keine gute Dauerlösung. Denn erstens gibt es auch in kleinen Gemeinden üble Korruption. Und zweitens ist es für den Steuerzahler wie auch Staatsbürger genauso ärgerlich, wenn von ihm bezahlte Bundes- oder Landesbehörden lahmgelegt oder teuer aufgebläht werden.

Es kann schon gar keine Lösung sein, nur Medien eine privilegierte Stellung zu geben, nur um ihr Informationsbedürfnis zu stillen. Das hätten diese zwar gerne. Aber das wäre eine üble Diskriminierung. Außerdem gibt es ja keine brauchbare rechtliche Definition, was jemanden eigentlich zum "Medium" macht. Denn eigentlich ist jeder, der auf Instagram drei "Follower" hat, ein Medium.

Die oben angerissenen Punkte zeigen jedenfalls, dass es Einschränkungen braucht. Zweifellos darf es nur um behördliche Vorgänge gehen, nach denen man sich erkundigen kann, also vor allem um Bescheide und um Verwendung von Steuergeld und um den gesamten Vorlauf solcher Entscheidungen. Selbstverständlich muss es auch um den Inhalt wirklich aller Studien, Gutachten oder Umfragen gehen, die auf Steuerkosten erstellt worden sind. Das darf kein Privat- oder Parteiwissen sein. Hingegen wäre es schädlich, rein politische Gespräche (etwa wie man die nächste Parlamentsrede eines Politikers anlegen will, oder wie man den Wahlkampf aufziehen möchte, oder welche Kompromisse man eventuell anderen Parteien zu machen bereit ist) in irgendeiner Weise veröffentlichen zu müssen. Denn als Folge würden solche Gespräche komplett in die Parteiapparate hineinverlegt, die für die Öffentlichkeit ja eine komplett undurchsichtige Black Box sind.

Andererseits ist aber völlig klar: Wenn Beamte oder Politiker wissen, dass jede ihrer amtlichen Aktionen eines Tages ans Licht der Öffentlichkeit kommen kann, werden sie mit den ihnen durch ihr Amt verliehenen Befugnissen weit vorsichtiger umgehen. Dabei geht es vor allem, aber nicht nur um Vorgänge, die die Verwendung von Steuergeldern involvieren. Es kann aber auch um Flächenwidmungen, Postenvergaben, Visaerteilungen und ähnliche Behördenakte gehen. Die wichtigste Wirkung eines Informationsfreiheitsgesetzes ist also eine prophylaktische.

Was sind die Auswege aus diesem Dilemma? Will die Politik (die dafür ja eine Zweidrittelmehrheit braucht) das Thema wirklich konstruktiv angehen, dann gibt es zweifellos mehrere Möglichkeiten:

  1. Man könnte das Informationsfreiheitsgesetz zuerst in einem Probelauf nur bei einem Teil der Behörden in Kraft setzen (notfalls etwa eben doch vorerst die kleineren Gemeinden ausnehmen) und man könnte dann nach einem zweijährigen Probelauf die Ergebnisse objektiv evaluieren lassen.
  2. Man kann jedenfalls schon jetzt ein Verfassungsgesetz erlassen, dass sämtliche öffentliche Beschaffungen, also alles, wo um Steuergeld etwas gekauft wird, über die Bundesbeschaffungsgesellschaft laufen müssen. Diese bringt schon seit Jahrzehnten den Ministerien deutliche Einsparungen, wird aber von Bundesländern, Gemeinden und ausgelagerten Institutionen (Universitäten, Spitäler usw.) kaum in Anspruch genommen.
  3. Auch bei den oben genannten Fällen, wie schikanösen, querulatorischen, in Persönlichkeitsrechte eingreifenden, außen- oder sicherheitspolitisch Österreich schadenden oder unpräzisen Informationsverlangen muss die betroffene Behörde Schutzmöglichkeiten bekommen. Freilich müssten alle Informationsverweigerungen unbedingt von einem Richter vertraulich kontrolliert werden können, wobei sie etwa auch auf das richtige Ausmaß gebracht werden können.
  4. Der Haupthebel, um ein Informationsfreiheitsgesetz sinnvoll zu gestalten, also die Steuerzahler nicht zusätzlich zu belasten, wäre es aber, jedes Informationsbegehren kostenpflichtig zu machen. Wenn dabei eine Rechtswidrigkeit aufgedeckt wird, müssten diese Kosten natürlich rückerstattet werden. Am saubersten wäre es, wenn schon nach Einbringen des Begehrens ein fixer Kostenrahmen zu nennen ist, gegen den man auch Rekurs einbringen kann. Damit wäre gesichert, dass das Funktionieren des Staates nicht durch willkürliche, schikanöse oder querulatorische Anfragen lahmgelegt werden kann, dass aber auch nur die echten Beantwortungskosten verrechnet werden, die ja meist nur im zwei- oder dreistelligen Bereich liegen.

Gewiss: Die angeblich investigativen Medien werden aufheulen, wenn sie künftig für Kosten, die sie grundlos, nur in der Hoffnung auf eine "guate G'schicht'" verursachen, von der Allgemeinheit zur Kasse gebeten werden. Es wäre aber nur gerecht, wenn sie dieses Geld lediglich in jenen Fällen zurückbekommen, wo sie etwas wirklich Rechtswidriges aufdecken. In vielen anderen Fällen hat der investigative Journalismus in den letzten Jahren durch die Art seiner beweisfreien Andeutungs-, Tendenz-, Vorurteils- und Verdachts-Berichterstattung sehr viel Vertrauen der Öffentlichkeit verloren, sodass keinerlei Privilegierung akzeptabel ist.

Vor allem könnten alle Behörden schon jetzt, also noch vor einem Beschluss über ein Informationsfreiheitsgesetz, komplett offenlegen, wo sie seltsamerweise Dinge geheim halten. Da fallen mir derzeit vor allem Vorgänge in der Gemeinde Wien ein – obwohl gerade die SPÖ sich ständig über das Ausbleiben eines Informationsfreiheitsgesetzes empört gibt:

  • Worin besteht das "Commitment" der Gemeinde Wien, in dem sie sich angeblich zur Genehmigung eines Hochhauses neben dem Konzerthaus verpflichtet hat?
  • Wie schaut die neue geheime Planungsvariante aus, auf die Wien bei der Unesco verwiesen hat, um doch noch den Status als Weltkulturerbe zu behalten?
  • Was steht in jenem Gutachten, das über die Frischluftversorgung des Stadtzentrums und dessen Verschlechterung durch einen Hallenbau auf dem Naschmarkt erstellt worden ist?

Die "Medienfreiheit"

Genauso ambivalent ist das von der EU geplante "Medienfreiheitsgesetz". Ohne dass man noch alle Details des Beabsichtigten kennt, scheint klar, dass da viel Gutes und Wichtiges drinnen ist: etwa die Objektivierung und Kontrolle von Inseratenvergaben (Österreichs größte, von der Staatsanwaltschaft aber kontinuierlich ignorierte Korruptionsschiene!) oder die Transparenz von Eigentumsverhältnissen an einem Medium.

Bei beiden geplanten Rechtsmaterien – "Informations- wie "Medienfreiheit" – geht es vor allem darum zu verhindern, dass die Journalisten nicht noch mehr zu einem privilegierten und sich über die restlichen Bürger erhaben fühlenden Berufsstand werden dürfen.

Eine absolute Katastrophe würden insbesondere zwei Elemente darstellen, die in Brüssel angeblich ebenfalls als Teil dieses Medienfreiheitsgesetzes geplant sind:

  • wenn dadurch die Monopolstellung der Zwangsgebührenmedien nun sogar EU-rechtlich einbetoniert würde;
  • und wenn die Möglichkeit von zivilrechtlichen Klagen von Staatsbürgern gegen Diffamierung oder Falschberichterstattung durch Medien behindert oder eingeschränkt würde.

Der Chef der großen deutschen Mediengruppe "Burda", Welt, der auch Vorstandsvorsitzender des Medienverbands der freien Presse (MVFP) ist, bezeichnete das geplante EU-Gesetz jetzt ungeschminkt als "die Beaufsichtigung der Presse durch die EU-Kommission".

Auch Österreich – oder zumindest die ÖVP – scheint sich erfreulicherweise gegen ein solches Medienfreiheitsgesetz zu wehren. Wobei freilich der angeblich im Vordergrund stehende Dissens, ob es nun rechtstechnisch eine EU-Verordnung oder eine EU-Richtlinie sein sollte, nur ein Randaspekt ist, der die zentrale Problematik verwischt: Denn beide Varianten sind schlecht, sobald eine der zuvor genannten Bestimmungen darin enthalten ist.

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