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Gleich in allen drei größeren Parteien des Landes gibt es Streit. So verkündet es mahnend zumindest der Medienmainstream – insgeheim jubelt er freilich darüber. Denn die immer oberflächlicheren Medien sind immer weniger an Inhalten interessiert und immer mehr an billigen Schlagzeilen, wie eben etwa jenen über irgendeinen innerparteilichen Streit. Dabei sind die heurigen Sommer-Dispute in Wahrheit positive Zeichen. Denn sie könnten ein erster kleiner Schritt zu mehr Demokratie sein.
Aus mehreren Gründen:
Das gilt etwa für den ÖVP-Chef Karl Nehammer mit seinem Vorstoß, das Recht auf Bargeld-Benutzung in der Verfassung zu verankern. Dabei ist inhaltlich das Recht auf Bargeld als ein letzter Rest bürgerlicher Autonomie und persönlicher Freiheit voll zu unterstützen. Nur hat Nehammer dabei die falsche Windmühle attackiert.
Denn längst ist das Thema Bargeld keine österreichische Materie mehr. Denn längst hat Österreich ja den europäischen Euro. Längst gibt es in rund der Hälfte der EU-Staaten auch schon Bargeld-Grenzen (oder bei größeren Beträgen die Ausweispflicht wie in Deutschland). Und längst kämpft die EU-Kommission für die Einführung einer strikten Barzahlungsgrenze von 10.000 Euro. Die dann auch in Österreich gelten würde.
Was heißt also der Nehammer-Vorstoß in Hinblick auf die EU?
Hieße das verbriefte Recht auf volle Bargeldzahlung in der Verfassung dann etwa, dass Österreich aus der EU austreten müsste, wenn diese Grenze käme? Oder dass es dann kleinlaut seine Verfassungsbestimmung wieder revidieren müsste? Oder dass Österreich jeden Schritt der EU Richtung Bargeldverbot mit einer totalen Erpressungspolitik verhindern müsste? Oder dass man dann halt Bargeld nur noch für Bezahlung am Würstelstand verwenden kann?
Auch wenn man es derzeit in der ÖVP nicht mehr so recht wahrhaben will: Österreich ist in EU und Euro eingetreten und hat dort einen großen Teil seiner Souveränität aufgegeben, im Gegenzug für wichtige wirtschaftliche Vorteile. In anderen, eindeutig noch wichtigeren Bereichen, wie der Immigration, merken wir den Hang der EU zur Überregulierung schon seit längerem sehr, sehr schmerzhaft. Es gibt nur in Österreich keine ernsthafte Basis der EU-Kritik.
Daher kann man dem steirischen Landeshauptmann Drexler nur zustimmen, der die "Überfrachtung" der Bundesverfassung mit solchen Dingen wie dem Bargeld "nicht für ganz dringend notwendig" hält. Diese Formulierung ist zweifellos eine öffentliche Ohrfeige für Nehammer, wenn man die Politikercodes dechiffriert.
Auch das zweite Sommerthema, mit dem die ÖVP durch einen – an sich völlig unbedeutenden und rein rhetorischen – Griff in die Populismus-Lade wieder die politische Offensive zurückgewinnen wollte, veranlasste gleich einen ÖVP-Landeshauptmann zum Stänkern. Der Tiroler Landeschef Mattle reibt sich an der von der ÖVP angezündeten Normalitätsdebatte: "In der eigentlichen politischen Arbeit wird sie uns nicht weiterbringen." Womit er zwar recht hat. Womit er aber Nehammer die nächste Ohrfeige versetzt hat. Wobei freilich sein eigener Satz auch auf ihn anwendbar ist: Denn auch seine Attacke auf Nehammer in einer unbedeutenden Frage wird weder Partei noch Land bei der eigentlichen Arbeit weiterbringen.
Nehammer hat zumindest bisher diese beiden Ohrfeigen reaktionslos weggesteckt. Was nicht ganz seiner Tradition entspricht, hat er doch schon als Generalsekretär ÖVP-Abgeordnete wegen einer einzigen als unpassend empfundenen Äußerung hinausgeworfen. Und hat er dann sogar seine eigene Nachfolgerin als Generalsekretär hinausgeworfen, nur weil sie eine härtere Aussage gegen den grünen Koalitionspartner gemacht hat. Wir lernen wieder einmal: Gegen Landesfürsten ist man an der republikweiten Spitze völlig machtlos (wobei freilich die Beobachtung hinzuzufügen ist, dass diese Fürsten selbst ihre eigenen Landesparteien durchaus wie Zinnsoldaten voll im Griff haben).
Dabei hat die erzürnte Reaktion von FPÖ-Chef Kickl den mutmaßlichen Hintergrund klargemacht: Er meint, sowohl die Bargeld- wie auch die Normalitäts-Debatte habe die ÖVP der FPÖ gestohlen. Irgendwie seltsam: Früher haben sich Parteien noch gefreut, wenn auch andere Parteien ihre Themen übernommen haben …
In der Freiheitlichen Partei tobt der Konflikt rund um ein eigentlich uraltes FPÖ-Thema, nämlich die Inflationsabgeltung für Politikerbezüge. Auch dort hat die ÖVP, genauer: die Regierung, einer seit Jörg Haiders Zeiten geradezu automatische FPÖ-Angriffslinie die Luft ausgelassen. Die regelmäßige Attacke auf die Politikerbezüge schien durch das Manöver der Regierung ins Leere zu gehen: Diese hat nämlich trotz fast zehnprozentiger Inflation allen Bundespolitikern eine Nullrunde verordnet – was eine zehnprozentige Gehaltskürzung ist –, und der Landesebene wird auch nur eine Erhöhung um den halben Inflationssatz zugebilligt. Notgedrungen hat dann Kickl halt diese halbe Erhöhung für Länder und Gemeinden attackiert. Dabei ist er jedoch erstmals auf den offenen Widerstand von zwei der erfolgreichsten FPÖ-Landesorganisationen gestoßen, nämlich jener in Oberösterreich und Salzburg, die beide eine Schlüsselstellung in Landeskoalitionen mit der ÖVP haben.
Die beiden Landchefs wissen, warum sie den Konflikt gewagt haben und die Inflationsabgeltung verteidigen: Ist es doch jetzt schon schwer genug, Kandidaten für viele wichtigen Funktionen wie die eines Bürgermeisters zu finden. Wenn man ständig den Beruf der Politiker nur noch als Fußabstreifer behandelt, wenn man ihre Gehälter um ein Zehntel kürzt (nach etlichen früheren Nulllohnrunden), wird man bald gar niemanden Qualifizierten und Sauberen mehr finden, der in die Politik geht.
Sogar auf Bundesebene ist das immer wieder als Problem zu beobachten, auf Gemeindeebene noch viel häufiger. Selbst Einladungen, Minister zu werden, werden (vertraulich) immer öfter abgelehnt. In Kickls Lager bezeichnet man es hingegen als "ungustiös", die Bezüge in Zeiten der Inflation zu erhöhen. Was freilich ziemlich unlogisch ist, weil es ohne Inflation keinen Anlass für eine Bezugserhöhung gäbe …
In gleich mehreren Fragen tobt in der SPÖ die innerparteiliche Kontroverse. Da hat zuerst der Salzburger SPÖ-Chef Egger bald nach der (von allen Fragezeichen dieser Welt umgebenen) Wahl des neuen Parteichefs Babler kritisiert: "Es können nicht nur Funktionäre aus Wien und der Gewerkschaft in der Parteizentrale oder in den Büros des Parlamentsklubs sitzen." Egger ging auch auf Distanz zur Babler-Forderung einer Arbeitszeitverkürzung von 32 Wochenstunden.
Noch deutlicher dann der Tiroler SPÖ-Chef Dornauer: Er lehnte Bablers De-facto-Nein zu einer schwarz-roten Koalition ebenso ab wie eine Politik der "vermeintlichen politischen Korrektheit". Und insbesondere kritisierte er Bablers Pro-Migrationskurs: "Wir müssen alles daran setzen, Pull-Faktoren zu minimieren. Es kann nicht sein, dass Toleranz und Solidarität der heimischen Bevölkerung überstrapaziert werden. Vorkommnisse an den Grenzen wie 2015 und 2016 dürfen sich nicht wiederholen, daraus müssen Lehren gezogen werden." Mit solchen Sätzen befindet sich Dornauer in einem diametral anderen Eck als Babler.
Im Grund kann und muss man in allen drei Fällen den Landespolitikern Recht geben. Es ist zwar zuzugeben, dass es relativ schwer ist, eine Partei zu führen, in der jeder Zweite sich in Sommerinterviews auf Kosten des Bundesparteichef profilieren kann. Andererseits muss man all diesen Bundes-Chefs aber sagen: den wirklichen Problemen Österreichs haben sie sich mit ihren eigenen Vorstößen und Positionierungen um keinen Millimeter genähert. Das wären etwa:
Die Spitzenmänner von ÖVP und FPÖ geben sich allzu populistisch, und jener der SPÖ positioniert sich links von Dschingis Khan. Zwar sind auch Landes-Stänkerer noch nicht bei den wirklichen Problemen angelangt. Aber zumindest haben sie die Tür für eine etwas bessere Debattenkultur einen Spalt geöffnet.
Zu einer wirklich gesunden Demokratie haben wir aber noch einen weiten Weg.