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Waum nur will die ÖVP ihre Wähler vertreiben?

Man kann Karl Nehammer wohl nur noch einen einzigen guten Ratschlag geben: Genießen Sie – auch wenn er mich neuerdings duzt, bleibe ich höflich – genießen Sie noch die Urlaubstage eines hoffentlich schönen Sommers. Denn all Ihre derzeitigen Bemühungen sind zwecklos, die flauen Umfragedaten durch Aktionen zu retten, die auf zehn Kilometer gegen den Wind nach Rezepten eines PR-Agenten ohne jede Ahnung von Politik und Wählerpsychologie riechen. Vielmehr kann man sogar genau das Datum vorhersagen, wann die Umfragedaten der ÖVP noch weiter absinken werden – um deren Ansteigen sich Nehammer in diesem Sommer so verzweifelt, aber mit völlig untauglichen Mitteln bemüht.

Das wird nämlich genau in jenen Wochen passieren, in denen Hunderttausenden Österreichern ORF-Zahlungsbefehle ins Haus flattern, die vorher noch nie für den ORF gezahlt haben. Wenn also auch jene zahlen müssen, die bisher nie einen Fernsehapparat hatten. Wenn jene doppelt zahlen müssen, die nach Einziehen bei einem Partner eine kaum benutzte Zweitwohnung ohne Fernseher haben. Wenn auch alle kleinen Gewerbetreibenden und GmbH-Geschäftsführer im Geschäft und Unternehmen doppelt zahlen müssen, obwohl sie daheim schon gezahlt haben (und bisher immer geglaubt haben, die ÖVP vertrete die Interessen der Wirtschaft).

Aber nicht nur diese alle werden sich von der ÖVP abwenden, sondern auch alle jene, die dann zum Schluss kommen müssen, die ÖVP hat generelle Intelligenzprobleme, wenn sie ihrem ärgsten Feind und dem weitaus wichtigsten Propagandainstrument der Linken eine fette und ewige, vom Publikumsinteresse völlig unabhängige Finanzierungsplattform mauert. Viele werden zum Schluss kommen: Wer nicht intelligent genug ist zu begreifen, was die neue Haushaltsabgabe für den ORF einerseits und für die Wähler andererseits bedeutet, der kann auch zum Regieren nicht intelligent genug sein (auch wenn, zugegeben, die Intelligenzauswahl im derzeitigen politischen Angebot, höflich ausgedrückt, generell eine überschaubare ist).

Da hilft es auch nicht, auf die Ministerin Susanne Raab zu verweisen, die den ORF-Pallawatsch ressortmäßig im Detail zu verantworten hat. Denn es würde einen Bundeskanzler und Parteichef, der wenigstens eine blasse Ahnung von Medienpolitik oder von den Wählern hat, ja nur eine Viertelstunde kosten, Frau Raab vor die Tür zu setzen. Ausnahmsweise sei eine nicht ganz korrekte Namensspielerlei erlaubt: Die erste große ÖVP-Fehlentscheidung in Sachen Medienpolitik vor ihr hatte nämlich der einstige Namensvetter als Bundeskanzler zu verantworten und in der Folge auch auszubaden (der ansonsten wirtschafts- wie außenpolitisch zu den großen Lichtgestalten des Nachkriegs-Österreich gehört). Julius Raab hatte damals allen Ernstes gemeint, nur das Radio sei wichtig, während ins Fernseh-Kastl ohnedies niemand hineinschaue. So zieht sich die medienpolitische Unglücksspur der ÖVP quasi von Raab zu Raab.

Als besonderer Gipfelpunkt der Intelligenz lässt man die Haushaltsabgabe noch dazu genau in jenem Jahr in Kraft treten, da die nächste Nationalratswahl fällig ist. Nein, solchene Sachen kann man nicht erfinden. Das würde einem kein Mensch glauben.

Es hilft der ÖVP im Übrigen auch nichts, auf den Verfassungsgerichtshof als Auslöser des ORF-Unheils zu verweisen. Denn erstens hat die ÖVP selber die Mehrzahl der Richter des VfGH vorgeschlagen, der dann wirklich bei jeder Entscheidung der letzten Jahre eine schwere linke Schlagseite gezeigt hat. Denn zweitens hätte man ja auch ganz anders auf dessen ORF-Erkenntnis reagieren können. Wenn die Richter nicht ganz ohne Logik meinen, es sei ungerecht, dass nur jene Österreicher zahlen müssten, die einen Fernsehapparat besitzen – egal ob sie jemals in ein ORF-Programm schauen –, nicht aber die anderen, obwohl sie etwa via Internet (also Handy oder Computer) ORF schauen könnten, dann hätte es rechtlich etliche andere, viel bessere Reaktionen gegeben:

  • dann hätte man etwa alle gratis schauen lassen können, was sofort Gleichberechtigung hergestellt hätte – Gleichberechtigung unter den Konsumenten, aber auch zwischen den diversen Fernsehanstalten,
  • dann hätte man den Zugang zum ORF im Internet für alle sperren können, die nicht einen nach Zahlung der Gebühr erhaltenen Freischaltcode eingegeben haben (dass zahllose andere Internet-Anbieter wie etwa auch dieses Tagebuch solche Technologien haben, war der Frau Raab halt vielleicht unbekannt),
  • dann hätte man den ORF gänzlich zu einer Bezahlfernsehanstalt machen können,
  • dann hätte man den Fernsehzugang via Internet ganz stoppen können (den es ja bei Einführung der ORF-Gebühren noch gar nicht gegeben hatte),
  • dann hätte man – wenn mit diesem Koalitionspartner keine Einigung möglich gewesen wäre – halt im Parlament eine Abstimmung im koalitionsfreien Raum ermöglichen können (den man ja einst bei Abschluss des Koalitionsabkommens ausdrücklich angesprochen, aber seither vergessen hat),
  • oder man hätte gar nichts tun müssen, dann hätte der ORF selber eine der drei erstgenannten Möglichkeiten umsetzen müssen.

Sollten Raab und Nehammer aber vielleicht gar aus Angst vor einer negativen Berichterstattung der ORF-Redakteure so reagiert haben, wie sie reagiert haben, dann haben sie neuerlich geirrt: Mehr Hass auf alles rechts der Mitte, mehr rotes und grünes Themensetzen von der Klimapanikmache bis zum Kampffeminismus, als derzeit im ORF geschieht, ist gar nicht mehr möglich. Außerdem wären dann die linke Propaganda und Desinformation des ORF mangels Zuschauern und Zuhörern weitgehend ins Leere gegangen.

Statt dessen glaubt die ÖVP jetzt, mit personalisierten Attacken auf den Chef der FPÖ die verlorengegangenen Wähler zurückholen zu können. Und ist ganz erstaunt, dass ihr das in keiner Weise gelingt. Auch da hat wieder der Denkvorgang ausgesetzt. Denn die Wähler sind ja nicht verloren gegangen, weil den Menschen Herbert Kickl so sympathisch wäre (das Gewinnen von emotionaler Sympathie ist dem kleinen Mann aus Kärnten mit den zu großen Brillen noch nie gelungen), sondern weil ihnen eine Stimme für Kickl als die einzige Möglichkeit erscheint, um ihrer Empörung Ausdruck zu verleihen. Insbesondere über:

  • das staatlich praktizierte Krampfgendern,
  • die auch von staatlichen Gebäuden flatternden Schwulenfahnen,
  • die mangelnden Erfolge beim Abschieben illegal gekommener Ausländer,
  • die rasch voranschreitende Islamisierung,
  • die vom grünen Koalitionspartner und der EU durchgesetzten "Klimarettungs"-Schikanen, Überregulierungen und Verteuerungen,
  • das Straflosbleiben der Klebeextremisten,
  • die zuvor skizzierte ORF-Lösung
  • und tausend andere Dinge, die einen traditionellen liberalkonservativen ÖVP-Wähler zutiefst empören.

Statt zu begreifen, warum so viele Wähler verlorengegangen sind, versucht man sich darüber lustig zu machen, dass Kickl als Innenminister versucht hatte, für die Polizei Pferde anzuschaffen. Ein bürgerlicher Wähler hat aber in Wahrheit keine Aversion gegen eine Law-and-Order-Maßnahme, die es schon in vielen anderen Ländern gibt. Und vor allem: Kickl hat die Pferde als Koalitionspartner der ÖVP angeschafft, die damals überhaupt keine Kritik daran geübt hat.

Ähnlich lächerlich sind ÖVP-Inserate, die Kickl als Innenminister in einer uniformähnlichen Kleidung zeigen. Prompt können die Freiheitlichen ein Foto des ÖVP-Innenministers Sobotka in einer ganz ähnlichen Kleidung zeigen. 

Wenn man Amateure die politische Darstellung machen lässt, dann steht man halt selbst als Amateur da.

Das heißt nicht, dass Kickl problemlos wäre. Das ist er vor allem in zwei Punkten nicht: erstens bei seiner russlandfreundlichen Außenpolitik, bei der er nicht erkannt hat, dass die größte, ja fast einzige Bedrohung für die Sicherheit eines mitteleuropäischen Landes eindeutig im imperialistischen russischen Diktator besteht; und zweitens bei seiner Verantwortungslosigkeit in Zeiten der Pandemie (die allerdings heute weitgehend irrelevant geworden ist und wo halt auch festzuhalten ist, dass die von Schwarz-Grün betriebene Verweigerung jedes Diskurses mit den ja auch aus der Wissenschaft kommenden Kritikern der Pandemie-Politik nicht nur mit einer üblen Verletzung der Meinungsfreiheit verbunden gewesen ist, sondern auch unmöglich gemacht hat, dass man aus den konstruktiven Punkten der Kritiker lernt, die es ja hie und da, wenn auch selten, durchaus gegeben hat).

Bürgerliche Wähler hätten es voll verstanden, wenn die ÖVP sagt: Wir gehen nur eine Koalition ein, wenn es keinen Millimeter Abweichung von einer prowestlichen Positionierung Österreichs und von der scharfen Ablehnung jeder Diktatur gibt. Aber daraus gleich ein totales Njet einer Koalition mit der FPÖ abzuleiten, deren Chef Kickl ja unbestritten ist, ist unglaubwürdig, ist politischer Selbstmord.

Vor allem steht es auch in totalem Gegensatz zur österreichischen Geschichte: Hat doch die ÖVP ab 1986 vierzehn Jahre eine Koalition mit einer damals sehr antiwestlichen SPÖ geführt. Deren damaligen Kurs aufzubrechen, ist ja erst durch jahrelange selbstverzehrende Bemühungen des Alois Mock gelungen.

Und schon gar nicht können ÖVP-Wähler verstehen, dass ihre Partei nicht einmal annähernd ähnlich intensive Kritik an der Gestalt des Andreas Babler übt. Dabei ist dessen Liebe zu Marxismus, Umverteilung und linken Diktatoren noch übler und gefährlicher als die Russland-Liebe der Freiheitlichen. Dabei sind wirklich sämtliche wirtschafts-, sozial- und migrationspolitischen Aussagen des Herrn Babler tausend Mal schlimmer als alles, was man diesbezüglich von den Freiheitlichen hört. Eine auch nur teilweise Umsetzung der Babler-Aussagen wäre für Österreichs Zukunft ein gewaltiger Schaden.

Babler ist nicht nur für fast alle ÖVP-Wähler auch in seinem persönlichen Gehabe viel inakzeptabler als Kickl. Babler ist aber gleichzeitig auch die einzige Alternative für die ÖVP, eine Zweiparteienkoalition ohne Kickl eingehen zu können.

Will Nehammer wirklich seinen Wählern einreden, ob er sie nun dutzt oder wieder höflich wird, dass ihnen Babler lieber sein soll als Kickl? Das wird ihm mit absoluter Sicherheit nicht gelingen. Eine dritte Möglichkeit wird es aber nicht geben.

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