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Wo Mikl-Leitner recht hat und wo sie falsch liegt

Die niederösterreichische Landeschefin Johanna Mikl-Leitner wandelt sich zur Persönlichkeit. Dazu hat ihr nicht zuletzt – wenn auch eher ungewollt – der Grünen-Chef Werner Kogler verholfen, der sie wild attackiert und dabei auch gleich gezeigt hat, wie undemokratisch und linksradikal er ist. Gewiss dürfte Letzteres Absicht gewesen sein. Denn seit dem Antreten des niederösterreichischen  Heurigenwirtes Babler bei der SPÖ, seit der Wiederauferstehung der – die Millionen Opfer ihrer Ideologie ignorierenden – Kommunisten, seit dem Linksrutsch der sich liberal tarnenden Neos und seit dem Aufflackern der Irrlichter einer Bierpartei herrscht ein dichtes Gedränge in der linken Bobo-Szene, auch wenn diese trotz der wachsenden Parteienvielfalt seit Bruno Kreisky immer eine Minderheit geblieben ist. Da ist schon klar, dass auch die Grünen, die einst ein Monopol auf das linkeste Biotop hatten, zeigen wollen, dass sie die alten Dummsprüche wie präfaschistoid noch drauf haben. Interessanter und relevanter hingegen ist der zum Teil – aber eben nur zum Teil – geglückte Versuch Mikl-Leitners, ihrer etwas schwammig gewordenen Partei geistige Leitplanken einzuziehen.

Eindeutig richtig und klug war es von Mikl-Leitner, (auch) ihrer Partei klarzumachen, dass man für die "vernünftigen" und "normal denkenden" Menschen da sei. Dass eben nicht erpresserische Straßenkleber den Ton angeben dürfen und auch nicht jene kleine Minderheit von Menschen, die aus sexueller Lust oder geistiger Verwirrung ihr Geschlecht oder Gewand wechseln wollen. Dafür, dass Kogler die sonst vielleicht untergehenden Aussagen Mikl-Leitners durch seinen irren Rülpser "präfaschistoid" ins allgemeine Interesse gerückt hat, müsste sie dem Vizekanzler fast ein fettes PR-Honorar zahlen.

Normal zu sein ist nämlich (noch?) kein Verbrechen. Und es ist in einer Demokratie auch absolut legitim und richtig, sich nach jener Mehrheit zu richten, die normal denkt und fühlt. Das ist noch kein Widerspruch zum Menschenrecht auch auf extrem abweichende Meinungen, solange diese nicht als dominant gesetzt werden, und solange sie nicht zu Gewalt oder Rechtsbruch auffordern. Aber diese Meinungen werden ohnedies durch den Verfassungsgerichtshof geschützt – freilich nur, wenn sie links genug sind.

Gewiss ändert sich in der Geschichte immer wieder der genaue Inhalt dessen, was als normal angesehen wird. So hatten in meiner Kindheit Frauen im Kino meistens den Hut aufbehalten (was für den Halbwüchsigen recht unangenehm war, wenn er hinter einem solchen Hut saß). So wurden bis ins 19. Jahrhundert gefüllte Nachttöpfe auf die Straße hinaus entleert. Um nur zwei Beispiele von vielen zu nennen, wo sich das, was normales Verhalten der Mehrheit ist, durchaus zum Besseren verändert hat. In vielerlei anderer Hinsicht aber auch zum Schlechteren. So war es lange "normal", dass alte Menschen meistens im Familienkreis gepflegt wurden und nicht wie heute gerne in Heime abgeschoben wurden. So war es auch "normal", dass man Abtreibungen, also die Tötung von Kindern im Mutterleib, als etwas Übles angesehen hat (auch wenn sie gewiss wie auch viele andere Delikte immer vorgekommen sind).

Aber jedenfalls waren die Änderungen dessen, was als normal angesehen wird, immer von einem breiten Konsens (mit oder ohne Tätigwerden des Gesetzgebers) getragen. Faschistisch, totalitär wird es im Grund erst dann, wenn Machthaber ohne zwingenden Grund – wie es etwa der Versuch ist, eine Seuche einzudämmen – den Menschen etwas aufzwingen wollen, was diese ablehnen. Das versuchen insbesondere die Grünen ständig, und dagegen will Mikl-Leitner offenbar die ÖVP zu kräftigerem Widerstand ermuntern. Etwa dagegen, die eindeutigen Nötigungen durch die Klimakleber hinzunehmen. Etwa dagegen, dass öffentliche Gebäude mit einer ideologischen Fahne zur Bewerbung sexueller Seltsamkeiten geschmückt werden. Etwa dagegen, dass man nur noch viel teurere Autos mit geringerer Reichweite kaufen darf, was ja eine eindeutige soziale Diskriminierung ist.

In all dem liegt Mikl-Leitner also völlig richtig.

Problematisch wurde es hingegen, als die Niederösterreicherin dann in ihrer Replik auf Kogler noch ein weiteres Wort zur Selbstdefinition einführte: das von der "politischen Mitte". Dieses Wort macht unbehaglich. Zwar bezeichnen sich relativ viele Menschen bei Umfragen als in der "Mitte" stehend. Das bedeutet aber bei vielen in Wahrheit nur, dass sie eigentlich nicht näher Auskunft über ihre politische oder weltanschauliche Haltung geben wollen, weil sie politisch wenig versiert sind, oder weil sie wissen, dass die Bezeichnung "rechts" von medialpolitischen Tugendwächtern in die gleiche Kategorie wie "Massenmörder" gereiht wird.

In der wirklichen Welt ist die Mitte hingegen ein Niemandsland, in dem sich höchstens Menschen aufhalten, die nicht wissen, wohin sie eigentlich wollen. In der Mitte einer Brücke ist es zugig, dort wohnt in aller Regel niemand – auch wenn es bezaubernde Ausnahmen wie Erfurt oder Florenz gibt, wo aber meist auch nur noch Geschäftslokale auf den Brücken zu finden sind.

Die Ablehnung der Mitte ist keineswegs nur semantische i-Tüpferl-Reiterei. Sie ist vielmehr Kritik an geistiger Orientierungslosigkeit, die sich hinter dem bequemen Wort von der Mitte tarnt. Schon der einstige Außenminister Rudolf Kirchschläger hat großen Wert darauf gelegt, dass Österreich abgesehen von der rein militärischen (und damals noch alternativlosen) Neutralität nicht in der Mitte zwischen den beiden Blöcken liegt, sondern dass es klar am westlichen Ufer verankert ist.

Bei Mikl-Leitner kommt hinzu, dass eine Selbstverortung der ÖVP in der "politischen Mitte" ein klares Abgehen von der geistigen Orientierung durch Sebastian Kurz bedeuten würde. Seine Festlegungen schienen bisher mangels einer geänderten Orientierungshilfe auch weiter zu gelten – und spiegelten sich eigentlich auch in den sonstigen Anmerkungen der Landeshauptfrau. Dennoch fehlt mit der Beschwörung der "Mitte" Entscheidendes: Nämlich die mehrfache klare Festlegung durch Kurz auf eine "ordentliche Mitte-Rechts-Politik". Diese Festlegung war (zusammen mit den dazugehörigen Inhalten) der wahre Grund seiner Erfolge und weniger das von oberflächlichen Journalisten gerne angesprochene Image als "Wunschschwiegersohn".

Mit dieser Formel hatte Kurz zwar auch das Wort "Mitte", mit dem sich manche oberflächlichen Zeitgenossen gerne tarnen, mit an Bord. Aber mit "ordentlich" (was sich schon damals gegen Herbert Kickl gerichtet hat, aber ohne ihn frontal anzugreifen, wie es die ÖVP derzeit tut) und "rechts" hat sie dazu zusätzlich klare inhaltliche Festlegungen. Ganz ähnlich und mit genau den gleichen inhaltlichen Akzenten ist auch die Selbstdefinition seines engsten politischen Freundes, des damaligen Ministers Gernot Blümel: "Wir machen Mitte-rechts-Politik mit Anstand".

Kurz hatte sich inhaltlich zur Konkretisierung der Mitte-rechts-Politik besonders auf Steuerentlastungen, auf die (Anti-)Migrationspolitik und "Freiheit statt Regulierung" festgelegt. Zweifellos hätte er sich auch als Gegenpol zu den Klimaklebern verstanden, wären die schon damals aktiv gewesen. Das kann man schon daraus schließen, dass er vor einigen Wochen in einem Gastkommentar in der "Welt"  ausdrücklich für eine "Law-and-Order"-Politik plädiert hat. Er verlangte von den konservativen Parteien in Europa vor allem den "Mut", "für die eigenen Werte und Positionen einzustehen und nicht zu versuchen, einem medialen Mainstream zu gefallen oder andere Parteien links zu überholen". Sie sollten auf Basis ihres Wertefundaments die eigenen Überzeugungen nicht "auf dem Altar der ,Wokeness´" opfern und nicht der Tendenz verfallen, "sich von der Kritik ihrer Konkurrenten und dem Druck der Medien verbiegen zu lassen".

Dieser Druck der medialpolitischen linken Blase ist freilich gewaltig. Das hat man etwa vor kurzem daran gesehen, dass der Wunsch nach einer "starken Volksgemeinschaft" – also etwa nach einem Heer, das das Land zu verteidigen imstande ist, nach einem Konsens über Landessprache und Kleidungssitten und nach einem Rechtssystem, das vor illegalen Einwanderern schützt, – von einem deutschen Umfrageinstitut als "rechtsextrem" eingeordnet worden ist. So wie halt ein österreichischer Linker die Orientierung nach der normal denkenden Mehrheit als "präfaschistoid" zu denunzieren versucht hat.

Dem hat Kurz mutig – auch wenn heute von linksradikalen Staatsanwälten verfolgt – klare konservative Werte entgegenzustellen versucht. Auch Mikl-Leitner tut das zwar, verfällt aber dann eben in die dumme "Mitte"-Rhetorik.

Warum diese Definitionen so wichtig sind, kann man auch daran erkennen, welcher ÖVP-Chef in der Vergangenheit als einziger die ÖVP als "Partei der Mitte" definiert hat. Es war Erhard Busek, also jener Mann, mit dem die weitaus schlechteste Periode in der bisherigen Geschichte der ÖVP verbunden ist. Schon in Hinblick auf die schmerzvolle Busek-Phase wäre es daher die endgültige Selbstzerstörung für die ÖVP, sollte sie sich wieder im Nirwana einer undefinierten "Mitte" verlieren oder sich gar von den Austrittsdrohungen der letzten Busekianer Karas, Fischler und Kdolsky beirren lassen, die ja in Wahrheit mehr Wähler von der ÖVP vertreiben, als für sie zu gewinnen.

PS: Kleine Anekdote zur Busek-ÖVP: Als ich einmal in einem Artikel das Wort "konservativ" für die ÖVP verwendete, bin ich aus seinem Büro mit dem Protest angerufen worden, dass die ÖVP keine konservative Partei sei. Der Anrufer wusste aber dann freilich keine Antwort auf meine Gegenfrage mehr: "Okay, aber sagen Sie mir bitte eines: Welche Partei sollen jene unserer Leser künftig wählen, die sich als konservativ einstufen?"

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