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Republik mit (und in) fehlerhafter Verfassung

Alle fünf Jahre tobt die große Schlacht durchs Land. Dabei weiß von Anfang an jeder, wer am Schluss der Sieger sein wird. Sie tobt nur deshalb, weil dieses Land zumindest in einem Punkt eine fehlerhafte, eine zumindest lückenhafte Verfassung hat. Das wissen alle. Das war aber keine Regierung wirklich zu ändern bereit oder imstande (sie hätte dafür freilich eine Verfassungsmehrheit gebraucht). Diese Schlachten beweisen aber regelmäßig, dass Österreich alles andere als eine perfekte Demokratie ist, dass es zumindest in einem zentralen Aspekt ein illiberaler Staat ist – was die Linksparteien und -medien gerne als schweres Verbrechen geißeln, aber offenbar nur, wenn sie über Ungarn reden. Aber bei uns halten es alle für richtig, dass in Politikergemauschel behandelt wird, was richtigerweise demokratisch entschieden werden sollte. Wofür es auch exzellente Beispiele gäbe, wie gut es funktionieren kann.

Es geht um den sogenannten "Finanzausgleich", also die Aufteilung der durch den Finanzminister eingehobenen Steuermittel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, wie auch zwischen den neun Bundesländern und zwischen den 2093 Gemeinden. Dieser Aufteilungsschlüssel steht fatalerweise nicht in der Verfassung. Diese sieht in ihrer Lückenhaftigkeit auch keinen klaren Weg vor, wie die Aufteilung sauber zu regeln wäre. Daher herrscht regelmäßig seit Jahrzehnten ein wildes Hauen und Stechen. Ist doch mit den Geldmitteln auch politische Macht verbunden, eröffnen sie in den Augen der Politiker doch die Möglichkeit, Wählergruppen glücklich zu machen. Auf Deutsch: zu bestechen.

Zwar ist es formal der Bund, der die Aufteilung zu regeln hat, aber letztlich gewinnen regelmäßig die Bundesländer die Schlacht. Zum Schaden Österreichs. Ohne Objektivitätsmaßstab. Das hat mehrere klar erkennbare Ursachen:

  1. Es ist schon logische Folge der verhandlungsstrategischen Tatsache, dass bei den Verhandlungen neun Bundesländer einem meist einsamen Finanzminister gegenübersitzen.
  2. Überdies haben die Bundesländer seit Monaten nur eines im Sinn: Sie wollen mehr Geld vom Bund. Während die politische Energie des Finanzministers gleichzeitig auch mit der Abwehr zahlloser anderer Forderungen beschäftigt war und ist. So wird er auf Bundesebene von seinen Ministerkollegen mit ständigen Forderungen sehr in Anspruch genommen. So haben gerade erst die Forschungsgesellschaften des Bundes eine halbe Milliarde Euro mehr verlangt. So muss der österreichische Finanzminister auch noch an einer weiteren Front im Namen der Steuerzahler kämpfen: nämlich gegen die immer üppiger werdenden Geldforderungen der EU, die erst jetzt wieder voll angerollt sind (nicht nur für den Ukraine-Krieg, nicht nur für Zwecke, die sich die Kommission ausgedacht hat, sondern auch für Ausgaben, die auf Beschlüssen der anderen Minister in ihren jeweiligen Fach-Ministerräten beruhen).
  3. Die Landeshauptleute sind auch in ihren jeweiligen Parteien sehr mächtig, können also auch auf diesem Weg Druck machen. Das trifft zwar derzeit "nur" auf die ÖVP zu, während die drei SPÖ-Landeshauptleute auf Bundesebene im Gegensatz zur Vergangenheit nur eine – noch dazu derzeit durch einen skurrilen Parteiobmann doppelt unbedeutende – Oppositionspartei ins Rennen schicken können.
  4. Dafür hat der Wiener Bürgermeister (und Landeshauptmann) gleich eine andere Waffe gefechtsbereit gemacht: Wenn der Bund nicht pariert, will er den Verfassungsgerichtshof als Schiedsrichter anrufen. Das ist durchaus nicht chancenlos:
    - Judizierte doch der Verfassungsgerichtshof zuletzt immer sehr linkslastig (wofür nicht zuletzt das Stimmverhalten eines einst bei seiner Nominierung von der niederösterreichischen ÖVP unterstützten Richters verantwortlich ist);
    - sind doch im VfGH immer die Bundesländer stark berücksichtigt worden, was die Chancen einer Bundesländer-Klage weiter erhöht;
    - und sind doch die VfGH-Richter schon seit längerem eindeutig bestrebt, politische Entscheidungsmacht an sich zu ziehen und die Bedeutung des demokratisch gewählten Gesetzgebers zu marginalisieren.
  5. In der ÖVP wiederum hätte kein Finanzminister ein langes Überleben, wenn er nicht nach einigem Verhandlungslärm den Bundesländern und nach kleineren Abstrichen den Landeshauptleuten bei ihren taktisch hoch angesetzten Anfangsforderungen nachgeben würde.

Auch die Beobachtung der Vergangenheit zeigt, dass da regelmäßig die Bundesländer die Sieger waren. Auf Bundesebene musste immer wieder ziemlich schmerzhaft und überproportional gespart werden (zumindest bis zur Corona-Krise, in der erstmals wieder seit den Kreisky/Androsch-Jahren auch vom Bund das Geld zur beliebig verfügbaren Masse erklärt worden ist): Wer das bezweifelt, betrachte etwa den Katastrophenzustand der Landesverteidigung, die regelmäßig Opfer der Sparpakete gewesen ist. Auf Landesebene musste hingegen nie sonderlich gespart, sondern ständig nur erklärt werden: Der Bund muss mehr Geld hergeben. Selbst an Problemen in den Kindergärten (die eine reine Landesangelegenheit sind) ist für Bundesländer und Mainstreammedien regelmäßig die Sparsamkeit des Bundes schuld.

Auf Landesebene sehen die Bürger hingegen ständig Gegenteiliges: vor allem überflüssige Geldverschwendung für ideologische oder propagandistische Projekte.

So gibt das beim Finanzausgleich bisher immer bestbediente Bundesland, also Wien, viel Geld für Schwulenpropaganda aus, etwa für die bunten Zebrastreifen, die viel teurer sind als normale schwarz-weiße, oder für die einschlägige Beflaggung aller Straßenbahnen und Schulen. So wird über etlichen Wiener Gehsteigen künstlich Wasser versprüht. So hat Wien für ein paar Wochen ein aufwendiges Schwimmbad am Gürtel errichtet. So gibt Wien für meist parteipolitisch gefärbte Propaganda, vor allem Bestechungsinserate in Medien, mehr Steuergeld aus als alle anderen Bundesländer zusammen. Jeder Wiener könnte stundenlang solche Verschwendungen aufzählen.

Aber auch die anderen Bundesländer tun da heftig mit. Man denke etwa an die niederösterreichischen Entschädigungen für Strafen wegen Verletzung von Corona-Verordnungen, die dann später vom VfGH (oft aus einem ganz anderen Grund) aufgehoben worden sind. Diese Entschädigungen sind zwar nicht rechtswidrig, aber auch gewiss nicht sparsam, und primär ein Geschenk der FPÖ an eine bestimmte Wählergruppe.

Und überhaupt alle Bundesländer weigern sich, ihre Einkäufe über die Bundesbeschaffungsgesellschaft BBG abzuwickeln, obwohl dies ihre Einkäufe vom Kanzleipapier bis zum Strom deutlich billiger machen würde. Der Bund hat solcherart durch Ausschaltung von Korruption in einzelnen Ministerien und durch seine geballte Auftragsvergabe große Summen einsparen können. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Dienstautos der Minister kosten die Steuerzahler fast nichts, weil die Lieferanten einander bei der Ausschreibung kräftig überboten haben (und weil die Einheitlichkeit aller Ministerautos für die siegreiche Lieferantenmarke einen großen Werbewert bedeutet).

Die Bundesländer wollten dabei nicht mitmachen. Dabei wären insbesondere im Spitalsbereich deutliche Einsparungen erzielbar. Es ist ja ziemlich verständlich, dass ein gemeinsamer Einkauf von – beispielsweise – Spitalsbetten diese deutlich billiger machen würde, als wenn jedes Spital, jedes Land sich da auf die Suche machen müsste. Jede Hausfrau weiß, dass man durch Großeinkäufe viel einsparen kann. Nur die Landeshauptleute wissen das (angeblich) nicht.

Ganz generell ist das föderalisierte Gesundheitswesen eine ganz besonders teure Sache. Auch hier steht ein einsamer Bundesminister der geschlossenen Länderfront auf Bundesebene und den von den Sozialpartnern beherrschten Sozialversicherungen gegenüber. Allein die Verschwendungen und die Behandlungsprobleme für die Patienten, die durch diese Konstruktion des österreichischen Gesundheitswesens entstanden sind, wären eine ganze Folge von Beiträgen wert.

Auch diese Fehlkonstruktion ist Folge der österreichischen Verfassung, die in Wahrheit nur dem Bundespräsidenten so gut gefällt, weil er sich überall wichtig machen kann, weil er Regierungen kippen kann, ohne für irgendetwas wirklich verantwortlich zu sein.

In einer echten Verfassungsreform läge auch der einzige Hebel zu einer Beendigung der unsäglichen Dauer-Farce namens Finanzausgleichs-Verhandlungen. Es müsste dort nur ein einziges Prinzip eingeführt werden: Jede Institution, die Steuergeld ausgibt, muss auch selber für deren Einnahmen verantwortlich sein. Das ist eigentlich absolut logisch. Dann könnten Länder und Gemeinden, die sparsam wirtschaften, vor ihren Bürgern mit niedrigeren Steuersätzen im Vergleich zu jenen Ländern glänzen, die sich (oder ihren Bürgern) halt sehr großzügig alle Wünsche erfüllen.

Alles andere ist eine Fehlkonstruktion. Alles andere macht Österreich viel teurer, als es sein müsste.

Um den üblichen Einwand gleich zu entkräften: Dazu bräuchte es keine zusätzliche Bürokratie. Die Steuern könnten weiter einheitlich von den Bundes-Finanzämtern eingehoben werden; diese müssten bei der Berechnung der Einkommensteuer nur wissen: Im Bundesland A werden x Prozent Zuschlag eingehoben, und im Bundesland B sind es y Prozent. Das gleiche gilt für die Gemeinden. Der Rest ist eine einmalige Umprogrammierung der Finanzcomputer, die in wenigen Stunden erledigt ist.

Niemand soll übrigens sagen, das könne man sich nicht vorstellen. Man bräuchte nur auf zwei der effizientesten und reichsten Staaten der Welt blicken: auf die USA oder die Schweiz. Dort funktioniert ein solches System perfekt und mit klaren Sparsamkeits-Wirkungen. So sind erst zuletzt wieder einige namhafte Unternehmen vom Hochsteuer-Bundesstaat Kalifornien (mit allen möglichen politisch-linkskorrekten und woken Geldverschwendungsprogrammen) in die republikanisch und daher sparsam regierten Bundesländer Florida und Texas übersiedelt. Ähnliches spielt sich in der Schweiz ab: Dort lockt etwa der Kanton Zug mit niedrigen Steuersätzen, während Zürich teuer ist.

Hingegen hat in Österreich im Grund kein Landeshauptmann, kein Bürgermeister irgendein politisches Motiv, sparsam zu sein. Seine Aufgabe besteht einzig darin, zu jammern und vom Bund immer mehr Geld zu fordern. Wenn sich der aber dann deswegen an die Steuerzahler halten muss, verhalten sich die Bundesländer mucksmäuschenstill.

Ein Musterbeispiel dafür, wie absurd das alles ist, hat sich rund um die letzte Steuerreform abgespielt. Dabei ist zumindest in Teilbereichen endlich die Stille Progression gestoppt worden, die uns als Folge der Geldentwertung einen seit Jahrzehnten immer größer werdenden Teil unserer Einkünfte geraubt hat. Damals haben zwar alle die Steuersenkung beklatscht. Jetzt aber beklagt der Wiener Bürgermeister, dass dadurch auch der auf die Länder entfallende Einnahmenanteil geringer geworden ist (was logisch ist, was er aber damals noch nicht so begriffen haben dürfte) und verlangt auch dafür vom Bund Kompensationen.

Wir haben wirklich noch einen weiten Weg, bis mehr Vernunft und Logik in dieser Republik regiert.

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