Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Alle wollen in die Nato – nur in Österreich schimpft man über sie. Auf der äußersten politischen Rechten neuerdings noch mehr als linksaußen, wo man immer schon in der Nato einen Todfeind gesehen hat. Da bleibt nur eine Frage offen: Sind die Österreicher klüger oder dümmer als alle anderen Nationen Europas?
Ehrlich gesagt, deutet nichts auf besondere Klugheit der Österreicher. Viele von ihnen glauben noch immer allen Ernstes, dass das papierene Neutralitätsgesetz aus dem Jahr 1955 die Sicherheit des Landes garantiere oder zumindest erhöhe. Was es in Wahrheit nicht einmal zu einem Promille tut. Es war vielmehr einzig und allein die Nato samt der durch sie erfolgten militärischen Einbindung der Atommacht USA in die Sicherheit Westeuropas, die Österreichs Freiheit und Unabhängigkeit gesichert hat. Denn im Kalten Krieg sind die russischen Panzer jahrzehntelang wenige Kilometer vor Wien gestanden. Denn es hat – siehe das Stichwort "Polarka" – schon konkrete Durchmarsch-Pläne für die von Russland geführten Warschaupakt-Truppen quer durch Österreich gegeben. Denn Moskau hat die Neutralität immer wieder instrumentalisiert, um sich in die inneren Angelegenheiten Österreichs einzumischen.
Aber all das ist kaum jemandem in Österreich bewusst. Aus vielen Gründen:
Da bleiben nicht mehr viele übrig, die sich für eine realistische Sicht auf Österreichs Sicherheitslage einsetzen oder zumindest darüber offen informieren würden.
Statt dessen kann man jetzt allen Ernstes empörte Schreckensschreie einschlägiger Journalisten und Politiker darüber hören, dass Österreich für seine Luftabwehr jetzt "Nato-Raketen" anschafft. Fragt sich nur, ob die Entsetzensschreier wissen, dass Österreichs Sicherheit immer schon vom engen Informationsaustausch mit den Nato-Ländern zu allen möglichen Bedrohungen abhängig gewesen ist (ob es um Terrorismus geht oder um die Sicherheit in der Luft). Sie haben offenbar auch keine Ahnung, woher Österreich bisher Waffen fürs Bundesheer importiert hat. Offenbar halten sie die deutsch-französischen Eurofighter, also die letzte größere Anschaffung des Bundesheers, beziehungsweise die italienischen Leonardo-Hubschrauber, die letzte kleinere Anschaffung, für Produkte der Schweiz oder Burkina Fasos …
Apropos Schweiz: Auch diese macht selbstverständlich beim neuen "Sky Shield" der Nato mit. Jedoch FPÖ und SPÖ wissen das alles nicht und stänkern dagegen. Offenbar, weil prinzipiell gestänkert werden muss. Offenbar, weil sie nicht wissen, dass die meisten anderen sozialdemokratischen, beziehungsweise rechtspopulistischen Schwesterparteien voll hinter Nato und Sky Shields stehen.
Dabei zeigt gerade der Ukraine-Krieg, wie wichtig eine funktionierende Luftabwehr ist:
Tatsache ist, dass die Schweiz von der ersten Sekunde an bei Sky Shield mitmacht. Tatsache ist, dass der dritte einst Neutrale, also Schweden, trotz gut ausgerüsteter eigener Armeekräfte mit großer Intensität an den Toren der Nato Einlass begehrt. Damit sind FPÖ und SPÖ mit ihren Äußerungen zum Themenkreis Nato-"Sky Shield"-Neutralität-Sicherheit endgültig reif fürs historische Kuriositätenkabinett, wo sie sich auf deutsch wohl nur noch mit der deutschen Linkspartei unterhalten können.
Apropos Schweden: Der Beitrittswunsch des großen skandinavischen Landes wird zwar von fast allen Nato-Mitgliedern unterstützt, ist aber von einem anderen Typ aus dem internationalen Kuriositätenkabinett zur Selbstdarstellung – vor allem jener vor den eigenen Wählern – genutzt worden:
All das sollte Erdogan primär vor den türkischen Wählern profilieren und zeigen, dass er die in einem türkischen Teppich-Basar üblichen Methoden perfekt beherrscht.
Die Raketen dürfte Erdogan aber nur bekommen, wenn die über die Türkei verärgerten Republikaner im US-Kongress ihren Widerstand endgültig aufgeben, was offen scheint. Die EU-Mitgliedschaft dürfte er keinesfalls bekommen, selbst wenn die Schweden jetzt offenbar zugesagt haben, diese zu unterstützen, zumindest solange es in Österreich keine Linksregierung gibt. Der wirklich heikle Lackmus-Test wird aber das Thema PKK.
Da wissen wir noch nicht wirklich, ob und was Schweden zugesagt hat. Wenn es nur darum gehen sollte, dass von schwedischem Boden keinerlei Aktionen in Richtung terroristischer, also gewalttätiger Akte gehen dürfen, dann geht die geheimnisvolle Absprache Türkei-Schweden voll in Ordnung. Sollte Schweden aber darüber hinaus politische oder propagandistische Aktivitäten der kurdischen Unabhängigkeitsbewegung verbieten, so wäre das schlimm. Das wäre vor allem ein Bruch mit der großen rechts- und freiheitsliebenden Tradition Schwedens. War doch das Land lange immer einer der lautstärksten Unterstützer der diversen Befreiungsbewegungen aus der Dritten Welt.
Jedoch dürfte es im Grund ziemlich egal sein, was möglicherweise hinter verschlossenen Türen zugesagt worden ist: Denn Schweden ist ein Rechtsstaat, wo sich die über Auslieferungen und Unterdrückung der Meinungsfreiheit entscheidenden Gerichte erst dann beeinflussen lassen, wenn sie durch Gesetze gebunden sind. Und von solchen Gesetzen ist weit und breit bisher keine Rede.
Zumindest bisher. Schwedens Regierung würde sowohl international wie auch bei den eigenen Wählern einen katastrophalen Imageverlust erleiden, falls das anders werden sollte, falls sie Erdogan echte Konzessionen zu Lasten der Menschenrechte gemacht haben sollte. Aber vorerst gilt: Warten wir ab. Denn vieles spricht dafür, dass sich Erdogan nur als levantinischer Schmähführer im Dienste des türkischen Chauvinismus betätigt hat. Denn letztlich könnte sich die Türkei eine wirkliche und dauerhafte Abkoppelung vom Westen gar nicht leisten. Das gilt wirtschaftlich angesichts der irren Folgen von Erdogans wirr-islamistischer Zins-Politik, aber auch angesichts der Kosten durch das große Erdbeben. Das gilt aber auch sicherheitspolitisch in Hinblick auf Russland, das ja jahrhundertelang Erbfeind der türkischen Osmanen gewesen ist. Und das in Syrien ganz auf der anderen Seite gegen die Türkei steht.
Gespannt darf man aber auch sein, wie der zweite Nato-Staat, der gegen die Schweden ein Veto angekündigt hat, von diesem wieder herunterkommen will, also Ungarn. Zwar ist durchaus verständlich, dass sich Ungarns Viktor Orbán bisweilen über die gutmenschlich-heuchlerische Kritik aus Schweden ärgert. Dennoch ist unvorstellbar, dass er deswegen dauerhaft an seinem Veto festhält. Schließlich mischen sich ja auch die Nato-Großmächte USA und Deutschland unter ihren jetzigen linken Regierungen ziemlich intensiv und kritisch in die ungarische Innenpolitik ein, weshalb Schweden als Kritiker eigentlich ziemlich marginal ist. Schließlich ist Orbán zu clever, als dass er wirklich im internationalen Kuriositätenkabinett landen wollte.
PS: Noch eine beklemmender Vergleich zwischen Schweden und Österreich: Die Nordländer haben im Vorjahr 1,31 Prozent ihrer Wirtschaftsstärke (BIP) für Verteidigung ausgegeben und sehen dennoch einen Nato-Beitritt parteiübergreifend als essenziell für die eigene Verteidigung an; in Österreich waren es hingegen nur 0,77 Prozent (und die Nato-Länder haben einander überhaupt versprochen, diesen Wert jeweils auf 2 Prozent zu erhöhen, was die Mitgliedsländer im Schnitt auch schon weit übertroffen haben. Etliche Länder strengen sich allerdings noch nicht so an – tun aber bis auf Luxemburg zumindest alle deutlich mehr als Österreich).