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Die Verwandlung der SPÖ in eine nur noch kabarettistisch ernstzunehmende Extremistenplattform hat die anderen Parteien in überraschte Schockstarre versetzt. Denn sie bedeutet für alle, am meisten aber für Schwarz, Pink und Grün, eine komplette Neuordnung der politischen Rahmenbedingungen, deren Folgen sie noch gar nicht ganz begriffen, geschweige denn verdaut haben. Dabei sind die Konsequenzen eigentlich völlig klar.
Grün und Pink müssen beide damit fertig werden, dass ihnen die SPÖ in den letzten Tagen und Wochen eine klare Aufgabe zugewiesen hat: ungefragt und automatisch Mehrheitsbeschaffer für einen roten Bundeskanzler zu werden. Etwas anderes scheinen auch viele Medienkommentare für die beiden nicht mehr im Auge zu haben. Die große Frage ist nur: Wollen das auch ihre Wähler?
Das ist bei den Grünen mit einem klaren Ja zu beantworten – vor allem seit der SPÖ-Chef Andreas Babler heißen dürfte. Denn die meisten der von Babler zumindest in seinem bisherigen Leben bezogenen Positionen sind fast deckungsgleich mit zentralen Inhalten innerhalb der Grünpartei, nicht nur bei ihrem fundamentalistischen Flügel. Und selbst bei den wenigen "Realos" der Grünen ist das Glück mit der derzeitigen Koalition ungefähr so klein, wie es umgekehrt auch bei der Volkspartei ist. Lediglich die Regierungsmitglieder tun noch so, als ob die Koalition funktionieren würde und einen inhaltlichen Sinn hätte. Gleichzeitig macht Werner Kogler sogar einen weit seriöseren Eindruck als Babler (wobei freilich offenbleibt, ob man in der linksradikalen Blase Seriosität überhaupt will).
Umgekehrt kann in der ÖVP-Spitze heute niemand mehr annehmen, dass auch nur einer ihrer Wähler Sympathien für die Schwulen- und Trans-Anbetungsspiele hat, mit denen die Grünen (offenbar im Wettbewerb mit Rot und Pink um dieses für relevant angesehene Lager) das Land derzeit überziehen. Oder Sympathien für die parteiische Instrumentalisierung der Strafjustiz. Oder Sympathien für die würgende Regelüberflutung zur angeblich notwendigen Planetenrettung. Oder Sympathien für den grünen Hass auf alle Autofahrer und auf alle Gewerbebetriebe und Fabriken, die größer als eine Fahrradwerkstatt sind.
Für die Grünen gibt es tatsächlich nur eine Zukunft als Mehrheitsbeschaffer für die SPÖ.
Bei den Neos ist das schon fraglicher. Ihr Hauptproblem: In Wahrheit wissen sie selber nicht, was sie eigentlich sind: Liberal im klassisch-europäischen Sinn oder liberal – mit der Betonung auf der ersten Silbe – im amerikanischen Sinn. Das hat etwa die deutsche FDP-nahe Thomas-Dehler-Stiftung klar erkannt: "Tatsächlich meinen Amerikaner damit (mit "liberal") etwas anderes als das, was in Deutschland und Europa mit dem Begriff verbunden wird … Der amerikanische Begriff ,liberal‘ bezeichnet eindeutig die linke, die aktive, den Markt korrigierende Rolle des Staates … Interessenpolitisch gehören dazu die Gewerkschaften, die städtische Arbeiterschaft, die traditionellen europäischen Einwanderergruppen und die schwarze Bevölkerung." Das ist eindeutig das, was man bei uns als "sozialdemokratisch" versteht. Das ist eindeutig das absolute Gegenteil des Begriffes von Liberalismus, wie ihn der österreichische Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek so brillant entwickelt hat.
Solange die Inhalte der Neos primär der US-Definition entsprechen, müssen sie es aber widerspruchslos hinnehmen, dass sie nur als Anhängsel der SPÖ, wenn auch unter anderem, weniger verstaubtem und belastetem Namen, gesehen werden. Das wird auch durch ihre Gründungsgeschichte, beziehungsweise die des Vorläufers LIF klar gemacht, bei der Heinz Fischer im Hintergrund entscheidend mitgeholfen hat.
Es gibt nicht einmal für den Fall, dass eine Linkskoalition jedenfalls auch noch eine vierte, eindeutig linksextremistisch-kommunistische Partei brauchen würde, falls diese den Einzug ins Parlament schaffen sollte, eine klare Absage der Neos, da mitzumachen. Nicht einmal die schweren Rückschläge für die deutschen Liberalen in einer Linkskoalition, die in einer ähnlichen Identitätskrise ("Was ist eigentlich liberal?") stecken, haben die Neos zu einer zumindest vorsichtigen Distanzierung von einer Linkskoalition gebracht. Wenngleich wohl auch den Neos in Österreich in einer Linkskoalition ein dramatischer Wählerverlust drohen würde, scheinen ihnen die eigenen Wähler egal, wenn drei Ministerposten winken.
Noch dramatischer ist die Situation für die ÖVP. Denn dort ahnt man, dass sich eine Koalition mit den Grünen schon rein rechnerisch nicht mehr ausgehen wird, selbst wenn sich in der Regierung in den letzten Jahren inhaltlich Überschneidungszonen gezeigt hätten. Solche sind aber ohnedies nirgendwo gefunden worden, außer ansatzweise in der Gesundheitspolitik. In Wahrheit haben beide Parteien in dieser unnatürlichen Partnerschaft schwer an Wählerunterstützung verloren.
Ein ÖVP-Flügel glaubt daher, dass nach Blau und Grün jetzt nur noch eine Rückkehr zur SPÖ in Frage kommt. Das wäre freilich schon vor der Babler-Wahl absurd gewesen. Gab es doch mit Rot auch schon damals kaum mehr inhaltliche Überschneidungen als mit Grün (höchstens mit dem jetzt geschlagen dastehenden Doskozil-Flügel in Sachen Migration). Hat doch sogar eine Spitzenfunktionärin der (als relativ gemäßigt geltenden) Wiener Grünen offen und stolz gesagt, dass die SPÖ die Grünen links überholt habe.
Nach der (angeblichen) Babler-Wahl sind die rot-schwarzen Überschneidungen noch viel geringer geworden, wenn es sie überhaupt noch gibt. Leicht zynisch könnte man sagen, dass sie einzig noch darin bestehen, dass man da wie dort gerne zum Heurigen geht.
Denn schon vor Babler und dem Auftauchen seiner linksradikalen Ansichten – seine Anbetung des Massenmörders Che Guevara fällt wohl sogar unter linksextreme Anstiftung zur Gewalt – waren die schwarz-roten Gemeinsamkeiten Mangelware. Fällt der SPÖ doch schon seit langem nur immer das Gleiche ein: mehr Staatsausgaben, mehr Steuern, mehr Schulden. Und nach der (angeblichen) Wahl eines Linksradikalen an die Parteispitze wird sich das mit Gewissheit nicht bessern, sondern noch verschärfen, samt Ergänzung durch eine emotionsgeladene Flüchtlinge-Herein-Politik und eine weltfremde Anti-Wirtschafts-Politik, wie es etwa die Forderung nach einer 32-Stunden-Woche ist.
Aber auch jenseits des Inhaltlichen hat Babler der ÖVP das Eingehen einer Koalition mit ihm fast unmöglich gemacht. Denn er kündigte an, dass die SPÖ vor einer Koalition alle Mitglieder über ein Koalitionsabkommen abstimmen lassen will. Eine solche Abstimmung würde aber mit Sicherheit auf Grund des tiefen, hundert Jahre alten roten Hasses auf alles rechts der Mitte, speziell aber auf die Volkspartei, mit Sicherheit negativ ausgehen. Eine solche Abstimmungsdrohung würde als Dauererpressung daher auch schon jeden Kompromiss bei den Koalitionsverhandlungen unmöglich machen.
Aus all diesen Gründen wächst jetzt in der ÖVP dramatisch die Zahl jener, die erkennen, dass letztlich doch nur die Freiheitlichen überbleiben, dass Sebastian Kurz 2019 mit der Aufkündigung von Schwarz-Blau einen schweren, für die ÖVP fast letalen Fehler begangen hat.
Freilich müssten sich und FPÖ und ÖVP unbedingt schon jetzt auf die kommenden Wahlen und vor allem auf das vorbereiten, was nachher angepeilt wird, nämlich eine bürgerliche Regierung. Dafür gäbe es ein klares Rezept.
Das Rezept kommt aus Italien und hat dort bisher sehr gut funktioniert. Es hat darin bestanden, dass drei Parteien rechts der Mitte fix und öffentlich kommuniziert haben, dass sie gemeinsam die nächste Regierung bilden werden, wenn sie genug Mandate erhalten. Sie haben die inhaltlichen Eckpunkte des gemeinsamen Programms schon vor der Wahl klar gemacht. Und sie sind damit weit demokratischer als die SPÖ, die nur ihren Wählern, also nicht einmal jedem vierten Österreicher, jetzt ein demokratisches Mitentscheidungsrecht über Inhalte geben will.
Auch die Frage des Vorrangs, also auf Österreichisch übersetzt etwa, ob Herbert Kickl oder Karl Nehammer innerhalb des Bündnisses vorne stehen soll, haben sie salomonisch gelöst: Ob Signora Meloni oder einer der Signori Berlusconi oder Salvini Ministerpräsident werden sollte, entschied allein der Wähler. Je nachdem, wessen Partei die stimmenstärkste am Wahltag sein wird. Das alles hat dann auch genau so funktioniert – ganz im Gegensatz zum italienischen Talent in der Erzeugung großer Konfusionen. Salvini wie der nun verstorbene Berlusconi sind im Gegensatz zu allen Vorurteilen über Italiens Männer auch nach der Wahl korrekt hinter Meloni zurückgetreten. Und diese verfolgt entgegen allen medial über ihre Partei verbreiteten Vorurteilen eine überaus konstruktive proeuropäische und prowestliche Politik. Das als wahrscheinlich wichtigster Mediator mitgeschmiedet zu haben, bleibt eines der historischen Verdienste des Silvio Berlusconi.
Eine Übernahme genau dieses Rezeptes wäre auch das ehrlichste und erfolgversprechende für ÖVP und FPÖ – egal wann gewählt wird (derzeit tun Medien und Politiker so, als ob das Datum der nächsten Wahlen das Wichtigste wäre). Am Datum ist in Wahrheit nur eines wichtig: Dass die Wahlen erfolgen, bevor die von Sebastian Kurz leichtfertig gegebene Zusage Realität wird, beide österreichischen Richterposten in den so prägenden europäischen Höchstgerichten einem Grünen zu überlassen.
Für beide Parteien und vor allem für Österreich gilt heute das philosophische und zumindest seit Aristoteles bekannte Wort: Tertium non datur. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht. Die andere würde ja in einem Weiterwursteln bestehen, also darin, dass die FPÖ ohne wirklichen Grund ewig auf die frustrierende Eselsbank gebannt bleibt, und die ÖVP ihre liberalkonservative Identität in einer Koalition mit irgendeiner Linkspartei aufreibt und dadurch immer weiter verliert.