Acht kluge Bücher für den sommerlichen Liegestuhl
29. Juni 2023 00:40
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 6:30
Der Sommer ist die perfekte Zeit, dem eigenen Geist frisches Blut zuzuführen. Dazu gibt es wieder etliche spannende – und zweifellos sehr persönlich ausgesuchte – Bücher zu empfehlen, wobei Belletristik ganz ausgespart bleibt.
Alle Bücher-Hinweise sind mit Links zum elektronischen Kauf verbunden. Wie immer sei aber die Einladung hinzugefügt, doch besser beim stationären Buchhandel zu kaufen, um dessen Überleben zu sichern (sofern Sie einen Buchhändler haben, der die Kundschaft nicht ideologisch anagitiert, wie es leider manche tun).
- Werner J. Patzelt "Ungarn verstehen – Geschichte, Staat, Politik" ist ein umfassendes Werk, das sich sine ira et studio bemüht, jenen Menschen die ungarische Realität näherzubringen, die diese schwierige Sprache nicht verstehen, die aber auch durch die antiungarischen Exzesse der links beherrschten EU-Gremien verunsichert sind. Das Werk des CDU-Mitglieds Patzelt ist damit auch ein perfektes Gegenstück zu den Hassorgien des ORF-Mannes Paul Lendvai über (genauer gesagt: gegen) Ungarn. Der Autor bemüht sich, als sauberer Politikwissenschaftler sowohl die positiven wie auch die negativen Argumente zu jenem Weg darzustellen, den Ungarn unter Viktor Orbán genommen hat. Er macht ganz bewusst klar, dass es sehr unterschiedliche und letztlich individuell anzulegende Deutungsschlüssel gibt, diesen Weg zu interpretieren. Er vermittelt aber davor das Entscheidende: die Fakten über die Vorgänge in dem flachen Land, welche zu so hohen Wellen bei der Linken in Europa geführt haben. Patzelt zeigt, wie Ungarn unbeirrt den wert- und nationalbewussten Weg einer christlichen Demokratie zu gehen entschlossen ist. Und etlichen Erfolg dabei hat.
- Weil wir bei christlich sind: Einer der bekanntesten österreichischen Mönche, der vor seiner Priesterzeit auch einen weltlichen Weg gegangen war, hat sein Leben und sein Glaubenszeugnis auf 192 Seiten zusammengefasst. Gregor Ulrich Henckel-Donnersmarck zeigt in "Der Spediteur Gottes: Ein Leben zwischen Welt und Kloster" diesen Lebensweg vom klassischen Manager zum langjährigen Abt des Stiftes Heiligenkreuz. Dieses Kloster ist heute mehr noch als für seine eindrucksvolle Geschichte dafür bekannt, dass es eines der wenigen Klöster in Europa ist, das boomt, das eindrucksvollen priesterlichen Nachwuchs hat. Das hängt zweifellos mit der von Henckel ermöglichten bewusst katholisch-konservativen Orientierung zusammen. Das aus einer Adelsfamilie stammende Flüchtlingskind mit Stationen in Schlesien, Kärnten und Katalonien erkennt mit 34 Jahren, dass das Speditionsgewerbe nicht den letzten Sinn im Leben geben kann. Henckel wurde zum Vater eines große spirituelle Kraft ausstrahlenden Klosters, aber auch zum gesuchten Redner und Prediger, der die Brücke zwischen Wirtschaft und Kirche zu schlagen verstand.
- Zu einem anderen ganz großen Österreicher, zum Nobelpreisträger Friedrich August Hayek: In "Hayek: A Life, 1899–1950" haben die Autoren Bruce Caldwell und Hansjoerg Klausinger (in englischer Sprache) das derzeit wohl beste Werk über jenen Mann verfasst, den viele mit gutem Grund als den weisesten Ökonomen, Politik- und Sozialphilosophen des 20. Jahrhunderts bezeichnen. Viel bisher unbekanntes Material zeigt Hayeks Weg von Wien über London und Cambridge bis zur Gründung der "Mont Pèlerin Society", der großen liberalen Plattform. Caldwell und Klausinger zeigen, wie der bekannteste Exponent der "Österreichischen Schule der Nationalökonomie" Marktwirtschaft und Freiheit als wichtigste Fundamente einer erfolgreichen Gesellschaft nachgewiesen hat. Sehr dumme Menschen versuchen zwar, diese Fundamente als "Neoliberalismus" zu denunzieren, dabei ist Hayek sicher der wichtigste Vater des klassischen, des einzigen Liberalismus gewesen (während manche Parteien, die sich in Anlehnung an den amerikanischen Sprachgebrauch als "liberal" ausgeben, in Wahrheit nichts als getarnte Sozialdemokraten sind).
- Zu einem anderen großen Sozialwissenschaftler einer anderen Generation. Der heute 42-jährige deutsche Gesellschaftswissenschaftler Martin Schröder, der in Saarbrücken, Paris und Harvard geforscht hat, hat mit "Wann sind Frauen wirklich zufrieden? – Überraschende Erkenntnisse zu Partnerschaft, Karriere, Kindern, Haushalt – auf der Basis von über 700.000 Befragungen" sensationell viel Material zu einem der umstrittensten Themen der Gegenwart zusammengetragen. Er beweist, dass im Gegensatz zu vielen lauten Politikern und Agitatoren heute die Frauen genau gleich zufrieden mit ihrem Leben sind wie die Männer; er zeigt, dass es keine Benachteiligungen der Frauen mehr gibt – in manchen Bereichen (etwa bei Berufungen im Bereich der Gesellschaftswissenschaften) sogar deutlich Bevorzugungen; er zeigt im Gegensatz zum Gerede vor allem der politischen Linken von der "Teilzeitfalle", dass viele Mütter gar nicht so viel arbeiten wollen wie die Väter, dass die Zufriedenheit der Frauen gerade dann am höchsten ist, wenn die Partner viel arbeiten; und er kritisiert jene, die den Frauen ein anderes Leben und Verhalten einreden wollen, als sich diese selbst wünschen.
- Bleiben wir bei den Frauen, aber bei einem total anderen Aspekt, nämlich dort, wo sie wirklich bedroht sind: durch die derzeit in einigen westlichen Ländern – die deshalb vom Rest der Welt zunehmend als dekadent, degeneriert und absterbend empfunden werden – so hochschwappende Trans-Welle. Eva Engelken: "Trans*innen? Nein, danke! – Warum wir Frauen einzigartig sind und bleiben" ist eine exzellent wie mutig geschriebene Verteidigung der Frauen gegen die diversen Zumutungen der Geschlechtswechsel-Mode. Die Juristin und Journalistin macht klar, dass Frau-Sein kein Kostüm ist und auch nicht werden darf, welches man nach Belieben ablegt. Sie sieht durch die linke Ideologie des freien Geschlechterwechsels die hart erkämpfte Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von Frauen fundamental gefährdet. Engelken ist eine leidenschaftliche Feministin und Mutter, die freilich auch für ein Recht auf Abtreibung einsteht, genauso wie für die Überwindung traditioneller Geschlechterrollen. Sie argumentiert gegen Sprechverbote und gegen eine Unterwanderung durch Männerrechte und Pharmainteressen. Sie hat erkannt, dass mit der politischen Abschaffung des Geschlechts sämtliche geschlechtsbasierten Rechte und Schutzräume für Frauen und damit das Fundament der Frauenbewegung vor einem infamen Aus stehen – vom Frauenhaus bis zum Unternehmerinnen-Netzwerk, von der Mädchen-Garderobe bis zur Frauenmedizin.
- Gegen ein anderes, im gegenwärtigen linksliberalen Mainstream noch viel tiefer einbetoniertes Vorurteil schreibt Nigel Biggar (auf englisch) in "Colonialism: A Moral Reckoning" mutig an. Der britische Professor für Moral- und Pastoraltheologie hat in breiter wie verblüffender Art mit enorm vielen Fakten die Geschichte des britischen Kolonialismus aufgearbeitet. Er verschweigt nicht die schweren Fehler und Ungerechtigkeiten der Geschichte, aber er zeigt auch, wie sich – nicht zuletzt mit der ab rund 1800 vor allem von christlichen Ideen vorangetriebenen Abschaffung und Untersagung der Sklaverei – humanitäre und liberale Ideale durchgesetzt haben; er macht klar, dass Kolonialismus und Sklaverei zwei völlig verschiedene Dinge gewesen sind; und er beweist, wie sehr der Kolonialismus Stammeskämpfe beendet hat und vielen Drittweltländern die "Rule of Law”, Pressefreiheit und viele Errungenschaften der modernen Welt gebracht hat, die man dort heute alle nicht missen will. (Skandal am Rande dieses aufsehenerregenden Werkes: Der Verlag Bloomsbury, dessen Lektor zuerst noch begeistert auf das Manuskript reagiert hatte, bekam dann kalte Füße und offensichtliche Angst vor der gewalttätigen, wenn auch von der Linken heiliggesprochenen, "Blacklivesmatter"-Bewegung und strich das Buch wieder aus dem Verlagsprogramm.)
- Gleich noch zu einer anderen fixen Idee des linken Zeitgeistes, also zum Klima-Alarmismus: Ausgerechnet ein (amerikanischer) Umweltaktivist erteilt diesem Alarmismus eine klare Absage: Michael Shellenberger: "Apocalypse – niemals! – Warum uns der Klima-Alarmismus krank macht". Er hält zwar den Klimawandel für gegeben, dieser führe aber nicht zu einer Apokalypse und sei auch nicht unser größtes Problem. Gleichzeitig nennt Shellenberger viele Gründe für die Atomkraft . Denn der Gedanke sei eine totale Illusion, den gesamten Strombedarf mit sogenannten "Erneuerbaren" bestreiten zu können. Er arbeitet die vermeintlich alarmierenden Daten sachlich auf und zeigt auf, was wirklich hinter der Klimahysterie steckt: nämlich finanzielle Interessen, Machtstreben und die Sehnsucht nach einer Ersatz-Religion. Hierin sieht Shellenberger die eigentliche Gefahr für Mensch und Natur.
- Am Ende zu einem österreichischen Autor: Konrad Paul Liessmann: "Lauter Lügen" versammelt 80 der besten Texte des österreichischen Philosophen, die dieser in verschiedenen Medien meist als Kolumnen veröffentlicht hat. Liessmann durchstreift mit der Freiheit und Weisheit des Philosophen zahllose Felder unserer Welt und Gesellschaft. Wer ihn bei seinen Streifzügen längere Zeit beobachtet hat, ist am meisten beeindruckt, wie ihn diese Weisheit, fast hätte ich gesagt der gesunde Menschenverstand, weit weg von den linken Phrasen seiner Jugend zu einem beeindruckenden Kulturkonservativismus geführt hat. Von dieser gesicherten Warte aus zerlegt er viele der Meinungsblasen und Verschwörungstheorien, die unsere Medien und Diskurse in all ihrer Oberflächlichkeit beherrschen.
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