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Das Bundesland Wien hat als einziges keine eigene Landeshymne. Die Versuche, die der tapfere Kollege Hans Werner Scheidl einst in der "Presse" unternommen hatte, einer solchen zum Leben zu verhelfen, waren nicht von Erfolg gekrönt. Dieses Defizit habe ich als Wiener dennoch nie als sonderliche Katastrophe empfunden. Ist man in Schulzeiten wenigstens von derlei Sangesübungen verschont geblieben. Dennoch ist es mehr als skurril und dumm, wie sehr sich ein paar linke Schriftsteller-Funktionäre jetzt über die Landeshymnen mehrerer Bundesländer erregen und deren Abschaffung verlangen. Ganz offensichtlich steckt da die insgeheime Hoffnung dahinter, dass es bald ertragreiche Ausschreibungen und Wettbewerbe für zeitgenössische Dichterfürsten geben könnte.
Zuerst zurück nach Wien: Viel wichtiger als eine neue Landeshymne wäre, dass in dieser Stadt zumindest (aber nicht nur) alle Schüler besser über alle wichtigen Eckpfeiler in der Geschichte dieser Stadt unterrichtet würden. Die war nämlich um etliches dramatischer und signifikanter als der unerträgliche Maria-Theresien-Kitsch, den uns der ORF da dieser Tage vorgesetzt hat. Aber wichtige Teile dieser Geschichte werden aus Opportunismus und Politischer Korrektheit seit Jahren heftig unter den Teppich gekehrt.
Zu diesen Wiener Eckpfeilern, die wieder viel stärker ins Bewusstsein zu rücken wären, sollten in erster Linie und ganz unabdingbar gehören:
Jedoch werden fast alle dramatischen Vorfälle der Wiener Geschichte in Folge einer linken Geschichtsumschreibung nicht oder nur verzerrt dargestellt.
Wien hätte also genug an der Darstellung der eigenen Geschichte zu arbeiten. Aber statt dessen haben von Wien aus sogenannte Autoren eine wilde Kampagne gegen die Landeshymnen einiger Bundesländer gestartet, die von den Mainstreammedien sofort kräftig aufgegriffen worden ist. Die gleichen Autoren sind übrigens völlig stumm geblieben, als an der Bundeshymne im dümmsten Kapitel der heimischen Hymnen-Geschichte eine feministische Transplantation vorgenommen worden ist, die sowohl vom nunmehr verkorksten Versmaß her, wie auch als Verstoß gegen die Intentionen der einstigen Hymnenautorin zur Katastrophe verkommen ist. Und deren behaupteter Zweck immer schon absurd war. Denn es war immer klar, dass von Maria Theresia über Marie von Ebner-Eschenbach und Bertha von Suttner bis zu den 1945er Trümmerfrauen immer viele tolle Frauen ganz selbstverständlich zu den großen Hymnen-Söhnen des Landes gehört und gezählt haben. Da muss man keineswegs wie der ORF Maria Theresia zur Erfinderin der Demokratie fälschen …
Aber jetzt hat die "intellektuelle" Linke als großes und erhofft gewinnbringendes Skandalon die Lebensläufe der Autoren der Bundesländer-Hymen entdeckt. Offenbar war sie zuletzt bei der Suche in fremden Bibliotheken nach alten Liederbüchern und bei kriminellen Lauschangriffen auf alkoholisiert schwadronierende Freiheitliche zu wenig erfolgreich gewesen.
Also jetzt die Landeshymnen. Wobei die "Aufdecker" selbst zugeben müssen, dass außer dem in allen Hymnen üblichen Heimatkitsch nichts Böses zu finden ist. Schließlich sind ja auch die "Berge", der "Strom", die Äcker", die "Dome" oder gar die "Hämmer" der Bundeshymne alles andere als rein österreichische Spezifika.
Besonders dumm und gefährlich sind die Hymnen-Stürmer aus einem anderen Zusammenhang, den sie vermutlich selbst gar nicht begreifen. Hunderttausenden Österreichern sind die jahrzehntelang gesungenen Hymnen viel zu lieb und vertraut, als dass sie sich diese jetzt aus ihrem Identitätsgefühl herausreißen ließen. Wenn sie jetzt erfahren, dass die Hymnen von Nazis getextet worden sind, dann ist bei 99 Prozent die Reaktion eindeutig vorhersehbar: Sie werden nicht empört auf ihre Hymne verzichten, sondern zum Schluss kommen: Na, dann waren die Nazis offenbar doch nicht ganz böse, wenn sie so etwas untrennbar zu uns Gehörendes verfasst haben.
Damit entpuppt sich die Hymnenaktion als ein Schuss ins eigene Knie, als – um es noch deutlicher zu formulieren – unsagbar dumm.
Das ist noch dümmer, als es wäre, wenn man den Komponisten der Bundeshymne allzu sehr thematisieren würde. Denn das ist vermutlich nicht das Nationalheiligtum Mozart, sondern ein (anderer) wenig bekannter Freimaurer gewesen. Ein Ergebnis einer solchen Diskussion würde ja auch nicht die Bundeshymne in Frage stellen, sondern die Freimaurer in ein positives Licht rücken.
Das einzige, was den vier Landeshymnen vorgeworfen werden kann, sind ihre Autoren, die in den Jahren vor 1945 in der einen oder anderen Form mit der NSDAP gekuschelt haben oder Antisemiten gewesen sind. An diesen Lebensläufen dürfte es keinen Zweifel geben. Nur müssen wir uns halt darüber klar werden, dass sie alles andere als Einzelfälle gewesen sind, und dass insbesondere in den späten 40er Jahren und dann noch einmal unter Kreisky (der vier Ex-Nazis in die Regierung geholt hatte) die "Ehemaligen" gerade von der SPÖ besonders umworben worden sind. Vor allem aus Parteitaktik, um einen tiefen Spalt zwischen die Ehemaligen und die ÖVP zu treiben. Diese hatte unter ihren Parteiführern und Bundeskanzlern hingegen gleich zwei ehemalige KZ-Insassen, während die Sozialisten mit ihrem sich an Hitler wie Stalin anbiedernden Karl Renner nichts dergleichen aufzubieten hatten. Wahrscheinlich deshalb hatte die SPÖ dann erst unter Vranitzky umso moralischer die Vergangenheitsbewältigung entdeckt, als die noch überlebenden Ehemaligen nicht mehr sonderlich relevant waren, weder als Wähler, noch als BSA-Funktionäre in der "Verstaatlichten".
Ab diesem Zeitpunkt wurde es regelmäßig zur roten Einheitswaffe, irgendwelche angebliche oder wirkliche Verbindungen politischer Gegner zum Nationalsozialismus "aufzudecken". Auch im Ibiza-Video gibt es einige vergebliche Versuche, den alkoholisierten Strache zu diesbezüglichen Äußerungen zu verleiten. Was aber misslang. Über die Verbindungen einstiger prominenter SPÖ-Genossen und -Minister zum Kommunismus, dem anderen großverbrecherischen Diktatursystem des 20. Jahrhunderts, ging und geht man hingegen immer großzügig hinweg. Man errichtete sogar kommunistischen Massenmördern wie Che Guevara Denkmäler auf Steuerkosten.
Eine neue Qualität hat die einäugige Instrumentalisierung der Geschichte aber dadurch erreicht, dass man heute die Eliminierung der an sich problemlosen Hymnen-Texte verlangt, weil deren Schöpfer Nazis oder angebliche oder wirkliche Geistesverwandte gewesen wären.
Würde man die nunmehrige Aufregung ernst meinen, dann kann man aber zweifellos nicht bei den Landeshymnen stehen bleiben, die sicher die harmloseste Erbschaft der NS-Zeit sind:
Wir sehen: Die Geschichte ist halt viel komplizierter und vielschichtiger, als sie primitiven, achtzig Jahre zu spät zu Möchtegern-Widerstandskämpfern mutierenden Linken erscheinen mag. Unsere Geschichte besteht aus unglaublich vielschichtigen Fundamenten, wo eines auf dem anderen liegt, deren parteipolitische Instrumentalisierung praktisch immer zutiefst verlogen ist.
PS: Wollte man wirklich den Texten von Hymnen kritisch nachgehen, so würde sich an erster Stelle in Europa eindeutig die italienische aufdrängen, zehn Mal mehr als alle österreichischen Landeshymnen zusammen. Denn die italienische ist nicht nur Heimatschmalz, sondern ausgesprochene Hetze gegen ein anderes Land. Das zufällig Österreich heißt. Dennoch wissen dort alle Parteien und Intellektuellen mit und ohne Anführungszeichen: Die Italiener werden sich ihre Hymne niemals aus dem sangesfreudigen Herzen reißen lassen. Schon deshalb nicht, weil sie melodischer und schwungvoller ist als alle österreichischen.