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Kann man die FPÖ unter Herbert Kickl als Koalitionspartner akzeptieren? Diese Frage beschäftigt derzeit viele in der ÖVP. Auf der Suche nach einer Antwort ist es wichtig, die gegenwärtige FPÖ mit der Partei unter Jörg Haider und dann der unter H.C. Strache zu vergleichen, aber auch die heutige SPÖ als einzige Alternative zu analysieren. Das führt in der Sache zu einem ziemlich klaren Schluss.
Beginnen wir mit dem katastrophalen Fehler der SPÖ, der Koalition ein erpresserisches Ultimatum zu stellen. Dieses ist aus zwei Gründen irrsinnig. Einerseits wegen der darin erhobenen Forderungen, andererseits wegen der darin ausgesprochenen Drohungen.
Die angeblich dem Kampf gegen Inflation dienenden SPÖ-Forderungen laufen inhaltlich (neben Andeutungen wüster Enteignungsphantasien gegen Wohnungsvermieter) auf eine weitere gigantische Erhöhung des Staatsdefizits hinaus. Das ist unverantwortlich. Damit profiliert sich die SPÖ neuerlich als jene Partei, die weitaus am meisten Schuld an dem seit Bruno Kreiskys Jahren steigenden Staatsdefizit trägt. Auch wenn sie derzeit in Opposition ist, vergeht ja auch sonst keine Woche, in der sie nicht teure Forderungen an die Allgemeinheit erhebt, ohne jemals einen Einsparungsvorschlag zur Finanzierung vorzulegen. Die SPÖ redet vielmehr ständig nur von neuen Steuern – und das im Land mit der jetzt schon dritthöchsten Abgabenquote aller Industrieländer.
Noch entlarvender ist aber die jetzt von der SPÖ-Spitze ausgesprochene Drohung, keinem einzigen Gesetz mehr zuzustimmen, das eine Zweidrittelmehrheit braucht. Egal, worum es dabei geht. Das ist eine eindeutige politische Erpressung.
Damit wird in aller Öffentlichkeit das praktiziert, was gerade in den letzten beiden Jahren insbesondere von der SPÖ, aber auch von der Korruptionsstaatsanwaltschaft der ÖVP vorgeworfen worden ist: politische Gegengeschäfte, die in den diversen (bekanntgegebenen wie geheimgehaltenen) Koalitionsvereinbarungen vereinbart worden sind. Um zu zeigen, wie verachtenswert man sie ansieht, werden sie gerne auch als "Schacher" bezeichnet: Die eine Partei bekommt in einem Feld dieses, im anderen Feld jenes. Ohne jeden Zusammenhang. Bei Personalwünschen, bei Kompetenzen, bei Inhalten. Natürlich hatten auch die Koalitionsvereinbarungen unter Teilnahme der SPÖ genauso solche Tauschgeschäfte vorgesehen. Aber das hat die über den "Schacher" so empörte Justiz- und Medienszene gerne vergessen.
Aber nach der speziell rund um den letzten Untersuchungsausschuss geschürten Empörungswelle ist es doch mehr als frech, wenn die SPÖ nun genau solche Methoden zum Hauptinhalt ihrer Politik macht. Wenn sie brutale politische Erpressungen in aller Öffentlichkeit versucht.
Damit hat sie sich mehrfach geschadet:
Seriöse, wenn auch nicht gerade öffentlich angestellte Analysen in der ÖVP stoßen sich auch weniger an der Person Kickl als an einigen Punkten der von ihm verfolgten Politik.
Zwar hat Kickl durch einige überaus giftige Wortmeldungen massiv provoziert. Aber das war schließlich auch bei seinen Vorgängern der Fall: Sowohl Jörg Haider vor 2000 als auch H.C. Strache vor 2017 waren für die anderen Parteien absolute Buhmänner gewesen. Beide haben aber dann doch in der Koalition sehr gut und konstruktiv kooperiert. Was auch für zwei der produktivsten und besten Regierungsperioden der jüngeren Geschichte gesorgt hat (wenn man die daneben gegangene Strafprozessordnung ausklammert).
Daher sehen ÖVP-Politiker mit gutem Gedächtnis die Scharfmacherei-Vokabel Kickls als nicht allzu problematisch an. Sie wissen auch, dass zwar die erste schwarz-blaue Koalition unter Wolfgang Schüssel an einer internen Implosion der FPÖ gescheitert ist, die zweite unter Sebastian Kurz jedoch primär an einer falschen Überreaktion der ÖVP-Spitze selber auf die kriminelle Intrige einer SPÖ-affinen Bande von Ibiza.
Alles hat bei der ÖVP dazu geführt, dass mehr Schlüsselspieler als in den allerletzten Jahren zum Schluss gekommen sind: Die Behauptung "Schwarz-Blau kann nicht funktionieren" trifft weniger zu als der Satz "Schwarz-Rot kann nicht funktionieren" (egal, wer dabei jeweils voranliegt).
Viel problematischer schaut es freilich bei den Inhalten aus. Zwar sinkt die inakzeptable Anti-Corona-Maßnahmen-Radikalität der FPÖ langsam in die Geschichte zurück und ist kaum mehr als unverantwortlich zu erkennen. Zwar erkennen viele in der ÖVP, dass nicht nur die FPÖ, sondern auch die Regierung in der Pandemie viele Fehler begangen hat. Aber dafür wird der freiheitliche Pro-Russland-Kurs in der Außenpolitik und die damit verbundene Entfremdung zu ganz Westeuropa (einschließlich dem rechtspopulistisch regierten Italien) zum immer größer werdenden Problem. Und gleichzeitig wird immer deutlicher, dass bei Kickl wirtschafts- und sozialpolitisch viel mehr sozialistische Gene zu erkennen sind als bei Haider und Strache.
Aber diese kritische Sichtweise auf die FPÖ könnte nun in den nächsten Monaten total dadurch überdeckt werden, dass die FPÖ tatsächlich – wie sich schon andeutet – den schweren Totalverweigerungs-Fehler der SPÖ taktisch nutzt und sich selber als staatstragende Partei ins Spiel bringt. Dabei müsste sie gar nicht alles mittragen, was von der Regierung kommt. Es würde primär genügen, wenn sie dem Informationsfreiheitsgesetz zum Leben verhelfen würde. Dessen Inhalt wäre inhaltlich ja ganz auf der Linie einer Partei, die das Wort "Freiheit" im Namen trägt. Das könnte auch manche der medialen FPÖ-Hasser in den Medien zur Mäßigung bringen. Und eine klar erkennbare Arbeitsbereitschaft der FPÖ würde auch indirekt sicherstellen, dass die SPÖ aus ihrer Schmollecke nicht mehr herauskann.
Daher wird auch für die ferne Zukunft viel davon abhängen, ob:
Die Innenpolitik wird wieder spannend. Insofern muss man Pamela Rendi-Wagner wirklich danken. Auch wenn sie das so sicher nicht beabsichtigt hatte …