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Es war ein überraschendes Coming out, als sich Andreas Babler, der Zweitplatzierte der SPÖ-Mitgliederbefragung, als Marxist deklarierte. So schnell konnte er dieses Bekenntnis gar nicht mehr zurücknehmen, dass nicht zum großen Erstaunen der Republik so etwas wie eine Grundsatzfrage im Zweikampf der beiden roten Titanerl aufgekommen wäre.
Plötzlich also diskutiert Österreich, ob man heutzutage ein Marxist sein darf – vielleicht aber auch nur, ob ein derartig offenes Bekenntnis dem Wahlerfolg am Parteitag und bei der Nationalratswahl schadet oder nützt. Jedenfalls wird nicht daran erinnert, dass im Namen dieser Ideologie 80 Millionen Menschen ihr Leben lassen mussten, dass der in die Tat umgesetzte Marxismus zu Hunger, Mangelwirtschaft und Staatsversagen geführt hat und sich nur durch die blutige Knebelung des notleidenden Volkes an der Macht halten konnte. Babler und seine Getreuen picken sich Worthülsen aus dem philosophischen Konstrukt heraus, mit denen sie bei den Menschen, die unter der Inflation und den Energiepreisen leiden, punkten wollen. Mit den Grausamkeiten und der Unmenschlichkeit des realen Sozialismus wollen sie nichts zu tun haben.
Das erinnert fatal an die Argumentationslinie der so erfolgreichen KPÖ-Vertreter in Graz und Salzburg. Nein, nein – von einer Diktatur des Proletariats kann doch keine Rede mehr sein. Wir vertreten nur das Gute, wir sind bei den Menschen, hören ihnen zu, heißt es. So tönt auch der Kandidat Babler: "Wir müssen die aktuelle Profit-Preis-Spirale durchbrechen. Wohnen und Energie können wir offensichtlich nicht dem Markt überlassen." Noch nimmt er das Wort Verstaatlichung nicht in den Mund, aber gemeint ist es natürlich.
Mit konkreten roten Markierungen für die Zukunft hält er sich jenseits von "Nehmt den Reichen" vollkommen zurück. Auf seiner Homepage für das Rennen um den SPÖ-Vorsitz verspricht er als einzig konkrete Maßnahme nur ein kostenloses Mittagessen für alle Schulkinder. Wo er in Österreich die vielen hungernden Kinder gefunden haben will, ist rätselhaft – denn trotz der lawinenartigen Zuwanderung in unser Sozialsystem funktioniert dieses immer noch. Freilich: Das von Babler herzergreifend ausgemalte Kinderelend schreit nach dem Eingreifen einer Lichtgestalt. Und dafür kommt eben nur einer in Frage, der "Politik von unten nach oben macht", Babler selbst eben.
Man könnte das alles einfach als Wort-Koketterie eines Kleinstadt-Bürgermeisters abtun, der sich auf der Welle irgendeines Erfolges als Links-Abbieger wähnt. Dazu gehört wohl auch, dass er sich gerne unter dem Konterfei des kommunistischen Liedermachers Sigi Maron ablichten lässt. Und dass es das Rote-Falken-Kinderlied "Fünf Finger sind eine Faust" ist, das ihn, wie er selbst sagt, grundlegend geprägt hat. Da läuft jemand einem vermuteten Zeitgeist nach. Ein wirklich tragfähiges ideologisches Fundament – ob marxistisch oder nicht– ist in seinen Äußerungen jedenfalls nicht zu entdecken, eher verbirgt sich hinter dem großen Wort "Marxismus" der Versuch, dem recht beliebigen Bablerschen Links-Populismus einen scheinbar intellektuellen Anstrich zu geben. Aber ist ausschließliches Reichen-Bashing wirklich der Qualifikations-Nachweis für den Posten an der Spitze einer Mittelpartei und – vor allem – an der Spitze unseres Staates?
Bablers Fan-Seite spricht von ihm als "eine laute, klare und mutige Stimme, wenn es um Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Haltung geht" (was angesichts der gesundheitlichen Probleme des Konkurrenten aus dem Burgenland auch nicht die feine englische Art ist). Dieses Wortgeklingel bei gleichzeitiger Inhaltsleere erinnert fatal an das Experiment Pamela Rendi-Wagner. Schon bei ihr wurde es überaus deutlich: Als Politiker in der ersten Reihe zu stehen, ist nicht so einfach. Dazu braucht man Erfahrung, Ideen, Wissen, Visionen. Auch die Politik ist ein Beruf, der gelernt sein will. Naturtalente, wie es ein Sebastian Kurz war, sind ganz, ganz seltene Ausnahmen.
Und so stellt sich bei näherem Hinsehen heraus: Der SPÖ-Parteitag steht eher nicht vor der viel beschworenen Richtungswahl Links mit Babler oder Rechts mit Doskozil. Vielmehr entscheidet sich das rote Funktionärs-Establishment zwischen einem überambitionierten Laiendarsteller und einem gestandenen Polit-Profi, der skrupellose Machtpolitik in seinem kleinen Bundesland bereits bis zur Perfektion trainiert hat.
Man könnte nostalgisch werden, wenn man diese Optionen mit früherem Spitzenpersonal in österreichischen Parteien vergleicht.