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Welche Partei muss sich vor dem Aufstieg der KPÖ am meisten fürchten?

Nach den Grünen in den 80ern und den Neos vor zehn Jahren mischt jetzt eine weitere neue Kraft den Karpfenteich der österreichischen Innenpolitik auf. Es ist freilich eine eigentlich uralte Kraft mit mehr Blut an den Händen ihrer geistigen Vorfahren, als man bei irgendeiner anderen Partei Europas finden kann. Aber die Menge und Größe der globalen Verbrechen und Völkermorde des Kommunismus sind einer Generation offensichtlich kein Begriff mehr, der durch Schule und Medien immer nur eine einzige zeitgeschichtliche Botschaft eingetrichtert worden ist: Die Nazis waren das Böse an sich und alle anderen waren die Guten, also auch die Kommunisten. Wer sich primär aus dem Zwangsgebührenradio Ö1 informiert, muss diese sogar für eine ganz besonders edle Rasse halten. Dennoch: Selbst wenn diese Reinwaschung des Kommunismus angesichts der unvorstellbaren Zahl von 80 bis 100 Millionen – außerhalb von Kriegen! – Ermordeten empörend und die größte Lügenbehauptung des Jahrtausends ist, wird es notwendig sein, nüchtern zu analysieren, wem die KPÖ schaden kann.

Denn etliche Österreicher – vor allem Teile einer ungebildeten studentischen Generation – sehen ganz offensichtlich die Kommunisten nicht als stolze Nachfahren einer der verbrecherischsten Ideologien der Welt, sondern als nette, junge Leute, die irgendwie einen erfrischenden Zeitgeist ausstrahlen. Da der größte Teil des österreichischen Journalismus sehr weit links steht, werden viele Medien-Konsumenten auch künftig nie die Wahrheit erfahren. Sie werden daher unbekümmert der Abwechslung halber, des Spaßes wegen, oder um einen diffusen Denkzettel für irgendetwas zu verteilen, über das sie sich geärgert haben, eine Partei wählen, die sich ungeschminkt kommunistisch nennt.

Noch erschreckender ist, wie viele der prominenten linken Drahtzieher ganz offen in Begeisterung über die KPÖ-Erfolge in Graz und Salzburg verfallen. So schreibt eine – von ihren Gesinnungsgenossen im ORF gerne als unabhängige "Expertin" präsentierte – Natascha Strobl auf Twitter wörtlich: "Die insinuierten Anwürfe (gemeint: gegen die Kommunisten) sind eine Beleidigung für die Geschichte." Oder der SPÖ/ORF-Mann Josef Broukal: "Was ist an der Forderung nach leistbaren Mieten ,links‘? Was haben die zu ,Kommunisten‘ gewendeten jungen Grünen mit der KPÖ von 1949 zu tun?" So, als ob es in diesem Europa oder auf diesem Planeten nach 1949 keine kommunistischen Völkermorde mehr gegeben hätte.

Wir lernen wieder einmal: Ahnung von der Geschichte muss man im ORF nicht haben. Da genügt es, links zu sein. Da wird es als völlig normal empfunden, wenn Grüne, nur weil sie irgendeinen Streit in der Partei haben, dann einfach zu den Kommunisten wechseln. Und niemand erkennt darin das moralische Problem.

Diese Logik der Genossen – ich habe nur zwei von vielen genannt, auf die man jetzt mit ähnlichen Pseudoargumenten stößt – würde zwingenderweise auch bedeuten, dass man eine neue Nazi-Partei, die "leistbare Mieten!" brüllt, mit dem Argument rechtfertigen muss: Was haben die zu "Nazis" gewendeten jungen Leute mit den Nazis von 1945 und davor zu tun?

Dabei würden sich diese jungen Leute schon durch den Namen ihrer heutigen Partei voll mit den Nationalsozialisten identifizieren, also auch automatisch mit deren furchtbaren Verbrechen. In diesem Fall ist auch den meisten Menschen mit dem Verstand eines Linken klar, dass sich die jungen Leute allein schon durch die Selbstbezeichnung mit Schuld beladen haben. Bei den Kommunisten erkennen sie hingegen keine Schuld. Weil diese ja links sind.

Solche Reaktionen der linken Szene sind absolut erschreckend. Diese Reaktionen bleiben moralisch meilenweit hinter jenen anständigen Ex-Kommunisten zurück, die 1956 oder dann 1968 zu Tausenden aus Protest gegen die Überfälle auf die nach Freiheit lechzenden Ungarn beziehungsweise Tschechoslowaken die Kommunistische Partei Österreichs verlassen haben, und die seither nie wieder etwas mit Kommunismus zu tun haben wollen.

Dennoch sind diese Reaktionen Faktum. Daher sei in der Folge analysiert, wem die in Ausnutzung der demokratischen Toleranz der Republik bevorstehende Kandidatur der KPÖ schaden wird.

Konkret lässt sich das derzeit in Wahrheit freilich noch gar nicht sagen. Denn das hängt ganz davon ab, wie sich die KPÖ entwickeln wird (wobei, nochmals sei es gesagt, jede Partei katastrophal und inakzeptabel bleibt, die sich schon durch den Namen mit einem der größten Verbrechersyndikate der Welt identifiziert).

In Salzburg hat die KPÖ von allen drei Linksparteien profitiert, aber nach den Wählerstromanalysen erstaunlicherweise am meisten von den Neos. Das zeigt, dass da sehr viel zeitgeistige Beliebigkeit im Spiel ist. Man wählt das, was gerade fesch ist, was am meisten Aufsehen erregt, was sich von der traditionellen Mitte am meisten abhebt (trotz der überwältigenden Verdienste dieser Mitte um die gute Entwicklung Österreichs – und ganz Europas – im letzten Dreivierteljahrhundert). Und bei der nächsten Wahl ist man dann halt wieder ein In-Beisl weiter. Man wählt halt einmal Jörg Haider, ein andermal Matthias Strolz und ein drittes Mal die Kommunisten mit dem ebenfalls netten und ebenfalls jungen Buben an der Spitze. Hauptsache, die Elterngeneration ärgert sich.

Eine weitere Motivationsschiene für eine KPÖ-Wahl findet sich am linken Rand der SPÖ: Da sich der Salzburger SPÖ-Chef für den Burgenländer Doskozil ausgesprochen hat, wollten Exponenten des linken Parteiflügels (also jene Sozialdemokraten, die bei der Obmannwahl den Traiskirchner Babler wählen würden, sollten sie Parteimitglieder sein) mit  dem Wechsel zur KPÖ zeigen, dass die SPÖ noch weiter nach links marschieren müsse.

Was für ein Wechsel in der einst eindeutig demokratischen und antikommunistischen Sozialdemokratie! Zufällig ist mir gerade ein Exemplar ihrer "Arbeiterzeitung" in die Hände gefallen, das am 4. August 1953 – trotz sowjetischer Besatzung – zu titeln gewagt hat: "Kommunistischer Krieg gegen die Hungernden – Reisesperre und Paketraub in Ostberlin". Heute jubeln so viele von ihnen hingegen über einen kommunistischen Wahlerfolg – oder haben gar zu diesem beigetragen.

Inhaltlich haben die Kommunisten in Salzburg außer der üblichen Generalkritik an den Altparteien immer nur das Thema Wohnen repetiert, wo man nach KPÖ-Ansicht für die Miete nur halb so viel zahlen soll. Zu allen übrigen Themen hielten sie sich nach außen total bedeckt.

Dabei hat sich einst im real existierenden Kommunismus gerade beim Kapitel Wohnen wirklich für alle ihm unterworfenen Menschen noch deutlicher das Versagen der Ideologie gezeigt als in jedem anderen Feld der gesellschaftlichen Realität (sobald man den eigentlich zentralen Komplex Morde-Totalitarismus-Terror-Stasi-Gulag-Unfreiheit-Mauer kurz ausklammert). Denn wenn die meisten junge Paare samt eigenen Kindern jahrelang bei den Eltern im Kabinett wohnen müssen, wenn selbst die Innenstädte 40 Jahre nach dem Krieg noch so ausgeschaut haben wie Städte am Ende des Krieges, dann haben die betroffenen Menschen am Ende der kommunistischen Herrschaft alle gewusst: Kommunismus funktioniert nicht, am allerwenigsten beim Wohnen. Wohnungen waren zwar billig – aber es gab viel zu wenige von ihnen und schon gar keine für junge Paare, die eine Familie gründen wollten (außer für die Funktionärsnomenklatura).

Irgendwann werden die österreichischen Kommunisten aber auch zu den großen Themen der Gegenwart Stellung nehmen müssen. Und da werden sich dann die Geister scheiden: Wird die KPÖ mehr bei Rotgrün oder mehr bei Blau ernten können?

In ihren Wahlkämpfen und der Außendarstellung sind die Kommunisten diesen Themen weitgehend aus dem Weg gegangen. Lediglich auf der Homepage finden sich (noch?) die traditionellen Positionen der Linken. Offenbar zeigen sie sich öffentlich vor allem deshalb an diesen Inhalten desinteressiert, weil sie wissen, dass ihre potenzielle Wählerschaft in den folgenden Punkten total uneins ist:

  • Ukraine-Krieg
  • Klima
  • Woker Lifestyle
  • Migration

Bei der deutschen Linkspartei (die befreundet und weitgehend vergleichbar ist, auch wenn sie die verräterischen Vokabel "kommunistisch" oder "sozialistisch" zugunsten des weniger belasteten Wortes "Links" ausgetauscht hat) zeigt sich in all diesen Fragen ein schwerer inhaltlicher Konflikt, der bis zur Parteispaltung gehen dürfte. Daher wird das auch bei der KPÖ spannend werden:

Wird sie endlich klare Worte zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine finden? Bisher steht auf der KPÖ-Seite dazu nämlich nichts Offizielles (dafür sehr viel etwa zu Peru!). Statt dessen liest man nur ein unklar herum schwurbelndes Interview mit dem gegenwärtigen Chef der europäischen Linken, Baier, der es primär vorzieht, sich in nostalgische Reminiszenzen an die vor 40 Jahren von der Sowjetunion finanzierte antiwestliche "Friedensbewegung" zu verlieren. Das Herumgerede lässt geradezu zwingend die Frage hochkommen: Finanziert Russland noch immer die Partei? In der deutschen Linkspartei hat diese Frage jedenfalls zu einer tiefen Spaltung geführt, bei der die beredsame und attraktive Sahra Wagenknecht im Gegensatz zum gemäßigten Flügel der Partei behauptet, der Westen hätte Russland provoziert.

Das Kapitel "Klima" im Programm klingt, als ob es bei den Grünen abgeschrieben worden wäre. Man liest da: "rascher Ausstieg aus fossilen Energieträgern"/"gratis Öffis für alle"/"sozial-ökologische Transformation umwelt- und klimaschädlicher Industriezweige hin zu einer gesellschaftlich sinnvollen Produktion und Wirtschaftsweise".

Ähnlich heikel sind für die KPÖ und ihre künftige Richtung die vielen gesellschaftspolitischen Positionen der Linksliberalen, die Sahra Wagenknecht als "Lifestyle-Linke´" bezeichnet. Wird die Partei parallel mit der Lafontaine-Partnerin auf die alte kommunistische Rhetorik zurückwechseln, die die angeblichen Massen der "von Kündigung bedrohten Geringverdiener" im Zentrum hat und sich weniger um die Lifestyle-Themen Genderismus, Trans-Kult, identitäre Wokeness, Klima und Frauenbeauftragte kümmert – die auf der gegenwärtigen KPÖ-Homepage stark zu finden sind?

Und wie steht die Partei zur illegalen Migration? Auch diese wird derzeit von der KPÖ zwar nicht im Wahlkampf, aber auf der Homepage massiv unterstützt ("Alle die hier sind, sind von hier"/"Wahlrecht für alle, die seit mehr als einem Jahr ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben"/"Stopp aller Abschiebungen in Krisengebiete"/"sichere Fluchtwege nach Europa" …). Auch hier geht die von Wagenknecht geführte Abteilung andere Wege.

Bleibt die KPÖ bei den traditionellen Positionen – und wird sie doch einmal vom Mainstream-Journalismus über das "nette junge Leute" hinaus näher beleuchtet und befragt – dann kann sie eigentlich nur bei Rot und Grün Wähler abholen, denen dort irgendein Detail oder irgendein Gesicht nicht passt. Dann bleibt es absolut rätselhaft (oder würde eine Psychiatrierung dieser Wechselwähler erfordern), wieso so viele Menschen problemlos von den Neos zur KPÖ wechseln können.

Wechselt sie hingegen zu den Wagenknecht-Positionen – die sich in Deutschland nach vielen Anzeichen zu einer eigenen Partei kondensieren dürften –, dann wäre das Antreten der KPÖ wahlstrategisch eine massive Attacke auf das Wählerreservoir der FPÖ. Mit oder ohne Wechsel des belasteten Namens.

Das Ganze wird ebenso widerlich wie spannend.

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