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Nach ihren strahlenden Höhepunkten in den zwei Epochen unter Wolfgang Schüssel und Sebastian Kurz steht die ÖVP so schlecht da wie noch nie. Sie ist binnen drei Jahren bei Umfragen auf weniger als die Hälfte der früheren Werte abgestürzt. Wurden ihr im April 2020 noch mehr als 46 Prozent der Wähler zugeschrieben, also noch weit mehr als die 37 Prozent der Nationalratswahl 2019, so lag sie seit dem vergangenen Sommer immer zwischen 20 und 23 Prozent.
Das ist dramatisch und fast ohne jeden Vergleich. Lediglich die Freiheitlichen hatten schon mehrmals eine annähernd ähnliche Hochschaubahnfahrt hinter sich. Im Zeitraum des oben skizzierten ÖVP-Absturzes stieg die FPÖ von 11 auf 28 Prozent, und vom vierten Platz auf einen sicheren ersten Umfrageplatz.
Nicht nur bei der ÖVP fragt man sich naturgemäß nach den Ursachen dieses Absturzes der einst großen Partei.
Um einen Teil der Antwort vorwegzunehmen: In allen drei Ursachenbündeln finden sich Kausalitäten. Auch wenn deren jeweiliger Anteil nicht auf den Prozentpunkt genau bewertet werden kann. Auch wenn sich die Antworten auf die beiden ersten Fragen vermischen.
Es ist jedenfalls nicht nur spannend, sondern auch dringend notwendig, die Gründe dieses Absturzes genauer zu analysieren – zumindest dann, wenn man das Überleben einer liberalkonservativ und christlich orientierten Partei im Interesse Österreichs für wichtig hält. Und wenn man sich nicht mit der Generalaussage begnügt, dass die Wähler halt viel mobiler geworden sind als einst, und dass die Wähler rechts der Mitte das noch viel mehr sind.
Am meisten werden die Fieberkurven der ÖVP während der letzten Jahrzehnte zweifellos durch die Persönlichkeit des Sebastian Kurz erklärt. Denn in vielen Jahren vor seinem Amtsantritt stand die ÖVP fast so schlecht da wie jetzt: Sie lag bei Umfragen lange unter 25 Prozent und war auch damals schon oft nur dritte in der Ergebnishierarchie der Parteien.
Im letzten halben Jahrhundert hat sie überhaupt nur unter zwei Parteiobmännern die 40-Prozent-Grenze übersteigen können: unter Alois Mock und Wolfgang Schüssel, also unter jenen Chefs, die am deutlichsten und klarsten für das gestanden sind, was auch die inhaltliche Botschaft des Sebastian Kurz gewesen ist. Das war ein mutiger und klar konservativer Kurs, auf dem alle drei Parteichefs weit über die von der ÖVP daneben immer verfolgten Interessen von Wirtschaftstreibenden, Bauern und Besserverdienern hinaus gefahren sind – so unterschiedlich sie als Person und Politiker auch gewesen sind.
Diesen mit wenigen Ausnahmen einheitlichen Kurs kann man mit folgenden Stichworten umreißen:
Die Erkenntnis ist ganz eindeutig: Sobald die ÖVP unter anderen Obmännern von dieser Linie abgewichen ist, ist es ihr immer schlecht gegangen, vor allem wenn gleichzeitig viele dieser Werte von der FPÖ besetzt worden sind oder wenn die SPÖ unter Bruno Kreisky auch eine Ausstrahlung auf konservative Wähler gehabt hatte.
Aber dennoch gibt es in den letzten drei Jahren auch klare externe Ursachen der ÖVP-Krise, die weit über die eigenen Fehler, beziehungsweise den dadurch ermöglichten Vernichtungsfeldzug der Konkurrenz hinausgehen.
Dabei ist an erster Stelle die Corona-Pandemie zu nennen. Diese war Treibsatz des steilen Aufstiegs der Kanzlerpartei im Frühjahr 2020, wie auch ihres noch viel weiter nach unten führenden Absinkens in den letzten eineinhalb Jahren. In den Anfangsmonaten der Pandemie wollten viele Österreicher unter den Schutz und Schirm von Sebastian Kurz flüchten. Er war damals der überzeugende Führer des Landes, der in vollem Konsens mit seinem Koalitionspartner energische Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie setzte, der allen versprach, dass alle wirtschaftlichen Schäden durch die Pandemie und ihre Bekämpfung ausgeglichen würden. Koste es, was es wolle.
Das besorgte Kopfschütteln von Finanz- und Wirtschaftsexperten über dieses etwas leichtfertige Versprechen wurde anfangs kaum beachtet. Kurz mutierte vielmehr damals in der Projektion vieler Wähler vom erfolgreichen Jungpolitiker zum Landesvater, der sich allen Bedrohungen mutig entgegenstellt.
Die Oppositionsparteien waren anfangs in Schockstarre. Das ließ sie intensiv über Alternativen nachdenken, die dann am Ende des Folgejahres in den "ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss" mündeten.
Der weitere Verlauf der Pandemie samt ihrer Bekämpfung verlief für Kurz und die ÖVP nach dem politischen Anfangstriumph aber zunehmend deprimierend. Dabei waren vor allem folgende Aspekte wirksam:
Es ist angesichts der Wählerreaktion wenig Trost für die ÖVP, dass sie in der ganzen Corona-Krise bis auf das wirtschaftlich verhängnisvolle "Koste es, was es wolle" keine groben Fehler begangen hat. Wenig Trost ist es auch, dass es weltweit fast allen Regierungen ähnlich gegangen ist. Fast überall – so auch bei den beiden größten Nachbarn Österreichs – haben Wahlen in der Corona-Krise zu einem Machtwechsel geführt. Der Frust der Wähler über diverse Lockdowns und sonstige Verbote, aber auch über die eigene Hilflosigkeit einer unheimlichen Seuche gegenüber, wurde einfach auf den Regierungen abgeladen. Die Pandemie hat man ja nicht abwählen können. Freilich konnten auch die in der Krise zur Macht Gekommenen nicht lange davon profitieren: Der deutschen Ampelkoalition geht es schon wieder so schlecht wie Schwarz-Grün in Österreich.
An zweiter Stelle steht die Inflation, ein ebenfalls von außen kommender Faktor, der den Regierenden vieler Länder massiv ins Gesicht geblasen hat.
Die Inflation hat sich während des Jahres 2022 auf über zehn Prozent mehr als verdoppelt. Sie hat selbst wieder drei Hauptursachen. Zwei davon liegen nicht im Verantwortungsbereich der Republik Österreich, beziehungsweise der Volkspartei.
Erstens war die jahrelang von den Mittelmeerländern und den sozialistischen EU-Regierungen durchgesetzte Politik des billigen Geldes der Europäischen Zentralbank inflationsauslösend. Zweck dieser Geldpolitik war eindeutig Hilfe für die Regierungen, vor allem jene von Mittelmeerstaaten, damit sie billigst Schulden machen und ihre Wohlfahrtssysteme finanzieren, also Wähler bestechen können. Die Gratisgeld von der EZB ist erst Mitte 2022, also viel zu spät und genau dann abgeschafft worden, als in Italien eine Rechtsregierung an die Macht gekommen ist (auf die man offenbar viel weniger Rücksicht nehmen wollte).
Zweitens: Das nächste große Ursachenbündel der steigenden Inflation war der Ukraine-Krieg, der größte Krieg in Europa seit 1945. Denn:
Zwar sind inzwischen die Energiepreise auf dem Weltmarkt wieder auf Vorkriegsniveau zurückgefallen, aber die Preisexplosion des ersten Kriegsjahres wird durch Zweit-, Dritt- und Viertrundeneffekte noch lange in den Konsumentenpreisen und damit auch den Wählerreaktionen nachweisbar sein.
Drittens: Dazu kamen weitere externe Faktoren wie die seit der grünen Regierungsbeteiligung forcierte deutsche Schließungspolitik bei Kohle und Atomkraftwerken; wie das zeitweise Niedrigwasser auf großen europäischen Flüssen; wie die zahlreichen reparaturbedingten Schließungen französischer Atomkraftwerke.
Viertens: Die vierte Ursache der Inflation war sehr wohl hausgemacht. Das waren die überschießenden Corona-Hilfen der letzten Jahre. Die "Koste es, was es wolle"-Geldausschüttungen milderten zwar kurzfristig die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Sie hinterließen aber böse Folgen: einen gewaltigen Rucksack an zusätzlichen Schulden, die kostspielige Rettung von "Zombies" (das sind eigentlich sowieso nicht mehr lebensfähige Unternehmen, die aber um teures Steuergeld gerettet worden sind und die Kapital und Arbeitskräfte binden, was anderswo dringend benötigt würde), und viel zu viel frei herumschwabbelndes Geld. All das hat – ohne gleichzeitige Erhöhung der Wertschöpfung – zwangsläufig inflationäre Wirkung.
Naturgemäß werden von den Wählern Probleme wie Inflation und Energiemangel der Regierung und dort primär der Kanzlerpartei angelastet. Sie erwarten einfach von der Regierung, dass sie ihr Leben ungestört weiterführen können. Sie kümmern sich wenig um EZB-Fehler und den russischen Gaskrieg. Und jene, die sich kümmern, können vielfach darauf verweisen, dass sie ja einst gegen den Beitritt zur gemeinsamen Währung gewesen seien, oder darauf, dass sie ja auch die Sanktionen gegen Russland ablehnen (wobei ignoriert wird, dass es gegen russische Gasexporte eigentlich gar keine Sanktionen gibt).
An dritter Stelle des wachsenden Wählerunmuts steht die zu Jahresende 2022 anhebende Rezession. Diese hängt zwar eng mit dem zuvor Erwähnten zusammen (Corona, Corona-Bekämpfung, Energiemangel, Inflation), sollte aber doch extra erwähnt werden. Denn der Verlauf der Konjunktur ist seit langem als die klassische Ursache von Wahlerfolgen und Niederlagen nachgewiesen. Geht es den Menschen gut, bestätigen sie gern die Regierung, geht es ihnen schlecht, wählen sie diese ab.
Die Rezession ab Jahresende 2022 war aber unabhängig von allen nationalen Fehlern eindeutig eine sehr internationale, wie etwa die zu diesem Zeitpunkt bekanntgewordenen Massenentlassungen großer amerikanischer Konzerne zeigen. Dieser Zusammenhang steht nur scheinbar im Widerspruch zum lange dominierenden Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Die Rezession dürfte aber auch einen Normalisierungseffekt haben: Arbeitskräfte könnten wieder weniger versuchen, die Bedingungen zu diktieren (wie etwa: viel Home-Office und eine angenehme Work-Life-Balance, also guter Gehalt bei wenig Arbeitsstress), sondern nehmen auch unangenehmere Jobs an.
Wechsel zu einem anderen großen Problemkreis. Das letztlich gleiche Ziel aller Parteien ist, möglichst alle Wählerstimmen zu erlangen, also anderen Parteien Wähler abzujagen. Das ist ihr ganz legitimes Selbstverständnis. Das erklärt jedoch noch nicht, warum gerade die ÖVP weitaus häufiger Ziel der Angriffe politischer Gegner ist, als diese selbst auf der Jagd nach Wählern angegriffen werden.
Das bedarf einer aufschlüsselnden Analyse, weil die Angriffe auf vielen Ebenen erfolgen, weil meist schwere Fehler der Volkspartei diese Angriffe erst ermöglicht haben.
Tatsache ist jedoch, dass die zwei Vorwürfe gegen Kurz, die ständig an die Öffentlichkeit gespielt worden sind, extrem dünn sind und nach Ansicht vieler Rechtsexperten nie zu einer rechtskräftigen Verurteilung des früheren ÖVP-Obmannes führen können.
Das gilt für den Vorwurf der Falschaussage im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, wo Kurz zwar durch die reflexartige Antwort "Nein" formal die Unwahrheit gesagt hat (ein Wort, das Politiker oft automatisch verwenden, damit ihnen keine Zustimmung zu all den in der Frage implizierten Aspekten unterschoben werden kann), wozu er aber im nächsten Satz sofort die Korrektur nachgeschoben hat, und wozu er dann überdies nachträglich eine – im Parlament sonst immer mögliche! – Protokollkorrektur anbringen wollte, die ihm aber beim Ausschuss von der Opposition verweigert worden ist.
Das gilt ebenso für den Vorwurf, Kurz hätte den Finanzministeriums-Beamten Thomas Schmid dazu angestiftet, Umfragen, die im Interesse des damaligen Aufstiegs von Kurz gelegen seien, in Auftrag zu geben und falsch abzurechnen. Auch das ist absurd. Haben doch zahllose andere breit publizierte Umfragen, die von den unterschiedlichsten Auftraggebern ins Feld geschickt worden sind, damals haargenau dasselbe gezeigt wie die Schmid-Umfragen, nämlich dass die ÖVP mit dem damaligen Außenminister Kurz als Chef dramatisch besser abschneiden würde als mit Reinhold Mitterlehner. Wozu sollte dann für Kurz eine so komplizierte Operation notwendig sein, dasselbe noch einmal via Finanzministeriums-Umfragen zu erfragen?
Den einzigen "Beweis" sehen die Kurz-Jäger in einer späteren Aussage von Schmid. Diese ist aber extrem unglaubwürdig. Denn sie wurde erst gemacht, als Schmid, der durch zahllose Beweise selbst schwer belastet ist, die Flucht nach vorne angetreten hat, in der Hoffnung, den strafbefreienden Kronzeugen-Status zu erlangen. Daraufhin hat er bereitwillig fast wörtlich alles wiederholt, was sich vorher die Staatsanwälte in ihren Verschwörungstheorien alles zusammengereimt haben. Schmids Aussagen sind eindeutig Gefälligkeitsaussagen, um sich selbst zu retten. Bei jeder anderen Aussagelinie hätten die Staatsanwälte Schmid nämlich den Kronzeugenstatus verweigert.
Das Blöde für WKStA und Schmid ist aber nicht nur, dass diese Aussage auf Grund dieser Zusammenhänge wenig wiegt, sondern auch, dass es keinerlei Sachbeweise gibt, die sie bestätigen. Dabei gibt es von dem extrem geschwätzigen Schmid Hunderttausende Chats über alles Mögliche, bis hin zu seiner sexuellen Veranlagung. Es gibt darin jedoch kein einziges Mail oder SMS, die eine Anstiftung durch Kurz beweisen würde.
Man muss Kurz freilich vorwerfen, dass er Schmids Charakter nicht durchschaut und ihn nicht aus seinem Freundeskreis entfernt hat. Aber das ist eine Kritik an seiner Fähigkeit, Personen zu durchschauen, die sich bei ihm auch in anderen Zusammenhängen als sehr unterentwickelt erwiesen hat. Das ist jedoch strafrechtlich irrelevant.
Daher ist es auch nicht wahrscheinlich, dass die WKStA – wie es eigentlich ihre Pflicht wäre, wenn sie das Verfahren nicht einstellt, – Kurz in Bälde vor einen Richter stellen wird. Sie will sich keine neuerliche Blamage einhandeln, weil die gegen Kurz gesammelten Beweise viel zu dünn sind (wie es auch bei vielen anderen Prozess-Versuchen der WKStA der Fall gewesen ist). Andererseits will sie ihr neuerliches Scheitern erst recht nicht durch eine Einstellung des Verfahrens zugeben. Sie wird daher Kurz wohl noch lange als Beschuldigten behandeln.
Das Ziel seiner Vernichtung als Politiker und eines schweren Schadens für die ÖVP haben die Staatsanwälte ja ohnedies schon durch das Vorverfahren erreicht – und durch ein strafrechtlich eigentlich völlig irrelevantes Detail: Sie haben aus der unübersehbaren Menge von Chats, die sie sich geschnappt haben, auch einen Chat in den Strafakt genommen, in dem Kurz in einer vermeintlich privaten Unterhaltung ein Schimpfwort für Mitterlehner verwendet hat. Von einem solchen Strafakt ist es oft nur ein kurzer Weg in die Öffentlichkeit. Mit (was als wahrscheinlich gilt) oder ohne Zutun der Staatsanwälte.
Dieses Schimpfwort aber war für manche in der ÖVP – vor allem in einigen Bundesländern – zu viel. Sie haben deswegen Kurz nahegelegt zurückzutreten. Was er auch getan hat. Das aber hat die ÖVP nicht gerettet – wie die Rücktritts-Forderer wohl gehofft haben –, sondern noch viel tiefer in den Abgrund gestürzt . Denn aus dem Rücktritt wurde von vielen Wählern ohne tieferen Durchblick geschlossen, dass die Vorwürfe gegen Kurz offenbar doch stimmen.
Sie zur Justizministerin zu machen, war über das problematische Eingehen einer Koalition mit den Grünen hinaus einer der schwersten und sich alsbald rächenden politischen Fehler von Kurz. War sie doch eine der engsten Weggefährtinnen des deklarierten Kurz-Hassers Peter Pilz gewesen und hatte sie Kurz vor Regierungseintritt doch selbst persönlich attackiert.
Wie parteiisch Zadic agiert, war auch daran zu sehen, dass sie sowohl den zuständigen Oberstaatsanwalt wie auch den zuständigen Justiz-Sektionschef einfach suspendiert hat. Denn die beiden waren die einzigen, die den Umtrieben der WKStA noch entgegengetreten sind.
Das ist zwar angesichts der steilen Auflagenrückgangs, der durch die globale Marktentwicklung und durch den Vertrauensverlust ausgelöst worden ist, der wiederum eine Folge des Linkskurses der Redaktionen und der Schlagseite der Corona-Berichterstattung ist, primär ein Problem der Verleger. Das hängt aber auch mit schweren Fehlern der ÖVP selbst zusammen:
- Sie hat es (wieder auf Veranlassung ihrer Landeshauptleute, die für sich im ORF noch immer Vorteile erkennen) verabsäumt, auf die Vorschläge der FPÖ einzusteigen und die ORF-Zwangsgebühren abzuschaffen, sodass der heute total auf ÖVP-Hass eingeschworene ORF sich wie alle anderen Medien finanzieren hätte müssen, also durch Abos und Werbung. Als Folge hätte er viel ausgewogener sein müssen.
- Sie hat nicht begriffen, dass sich die SPÖ mittels der großen Finanzstärke des Wiener Rathaus-Imperiums die Abhängigkeit vieler Medien erkauft hat. Kurz wollte selber eine ähnliche Strategie fahren, was völlig missglückt ist, statt das einzig Richtige zu tun: mit einem Strafrechtsparagraphen klarzustellen, dass alle Verwalter öffentlicher Gelder diese bei Inseraten und Kooperationen nur streng objektiv ausgeben dürfen, also nur durch einen Vergabeschlüssel, der sich aus der Media-Analyse ergibt, und erst nach Vorprüfung der Inseraten-Inhalte durch ein richterähnliches Gremium.
Die anderen Parteien sehen: Die Volkspartei hat nur noch wenige Stammwähler, die mit der Partei durch Dick und Dünn gehen. Das hängt nicht zuletzt mit dem Schrumpfen des Kleingewerbes und des Bauernanteils zusammen, mit dem fast noch stärkeren Abnehmen der Zahl der regelmäßigen Kirchgeher und mit dem wachsenden Ärger vieler Ein-Personen-Unternehmen über die als Filiale der ÖVP angesehene Wirtschaftskammer.
Vor allem aber gilt: Eine Partei der Mitte hat ganz automatisch auch am meisten Feinde. Denn sie wird von rechts und links angegriffen, während etwa die Grünen nie sonderlich viele Wähler bei der FPÖ holen können. Und umgekehrt.
Die ÖVP hat auch inhaltlich besonders viele Schnittmengen in verschiedene Richtungen. So etwa mit der FPÖ und Teilen der SPÖ bei der Migrationspolitik, so etwa mit Rot und Grün bei der Corona-Bekämpfung, so etwa mit den Neos und Teilen der FPÖ bei der Wirtschaftspolitik. Je mehr solche Schnittmengen es gibt, umso aggressiver will und muss man den zu so einer Schnittmenge gehörenden Wählern zeigen, dass man keineswegs dasselbe, sondern etwas anderes, etwas Besseres ist als die ÖVP.
Zwar hat der Ausschuss in Wahrheit nichts an den Tag gebracht, außer dass die von der WKStA wohl genau zu diesem Zweck vorbereiteten Akten an die Öffentlichkeit gespielt werden konnten. Aber schon der Titel des Ausschusses wurde allein vom ORF hunderte Male gezielt in die Öffentlichkeit getragen, sodass in weiten Kreisen der Bevölkerung im Lauf der Zeit automatisch der Eindruck entstand, ÖVP und Korruption wären synonym. Gleichzeitig konnten Rot und Pink vor jeder Sitzung wilde, vom ORF verbreitete Anschuldigungen gegen die ÖVP ausstoßen, wobei es ihnen allen völlig egal war, dass die folgenden Zeugenaussagen dann fast nie eine Rechtfertigung für die Anschuldigungen gebracht haben.
Aber letztlich war es ja einst die ÖVP selbst, die in Tateinheit mit den anderen Parteien den rechtlichen Rahmen für die Verwandlung des Instruments Untersuchungsausschuss in ein Hass-Tribunal ermöglicht hat.
Im VfGH ist eindeutig: Einige auf ÖVP-Vorschlag entsandte Richter haben sich im VfGH massiv gegen die ÖVP gewandt. Einige Mitterlehner- und Pröll-Ernennungen rächen sich (in Vertretung der gescheiterten ehemaligen ÖVP-Chefs) an der Kurz-ÖVP. Die ÖVP hat sich aber auch von einigen Landeshauptleuten ungeeignete Kandidaten aufschwatzen lassen.
Mit anderen Worten: Die ÖVP hat zu viel der Feinde, was ihr aber im Gegensatz zum Sprichwort keine Ehre eingebracht, sondern sie vielmehr der Vernichtung nahegebracht hat. Sie ist dabei aber nicht nur das schuldlose Opfer böser Kräfte, sondern auch Opfer des Versagens ihrer eigenen Politik – in Sachen Justiz, in Sachen Medien, in Sachen Personal, in Sachen koalitionäre Partnerwahl.
Dieser Text ist in weitgehend ähnlicher Form im soeben neu erschienenen "Jahrbuch für Politik 2022" veröffentlicht worden. In diesem haben auf 560 Seiten zahlreiche Experten aus unterschiedlichen Richtungen wichtige Vorgänge analysiert wie die Themenfelder Präsidentschaftswahl, Herausforderungen an unser demokratisches System, Die vierte Gewalt - Unter Druck oder Druckmittel?, Bewältigung der Teuerung und der Energiekrise, Klimawandel und Energiewende, Erneuerbare Energien und C0 2-Bilanz im Vergleich.