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Die beiden Koalitionsparteien haben die Ausarbeitung einer neuen "Sicherheitsstrategie" angekündigt. Wissen sie überhaupt, was sie da tun? Denn das Ergebnis wird im besten Fall eine Ansammlung von Plattitüden sein, wenn das Projekt nicht überhaupt in irgendwelchen Kommissionen versanden – oder gar zum großen Koalitionskrach führen wird. Denn bei den wichtigsten Fragen in Hinblick auf die Sicherheit der Nation haben sie ja schon vorher ein Denkverbot verhängt – oder sind so weit auseinander, dass nichts Sinnvolles herauskommen kann.
Das beginnt schon damit, dass natürlich eine Einbeziehung der Opposition an sich sinnvoll und dringend notwendig wäre, wie diese das auch verlangt. Nur: Angesichts des gegenwärtigen Zustandes von SPÖ und FPÖ wird dadurch ein sinnvolles Ergebnis noch viel unmöglicher. Überdies wird ihre Oppositionsrolle und der heraufziehende Wahlkampf diese beiden Parteien mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu veranlassen, beim gemeinsamen Sicherheits-Nachdenken nur subversive Obstruktion zu betreiben. Und die Neos – von denen man ja als einzige zum Thema Sicherheit durchaus Vernünftiges hört – sind zahlenmäßig zu unbedeutend, um da ein Gegengewicht bilden zu können.
Jedenfalls haben weder SPÖ noch FPÖ in den letzten 14 Monaten auch nur das geringste Anzeichen gezeigt, dass es bei ihnen ein sicherheitspolitisches Erwachen gäbe, welches einen sinnvollen Dialog möglich machen könnte. Die FPÖ stellt sich sogar mit all ihren Vorschlägen de facto an die Seite Russlands (auch wenn sie das nicht offen zugeben will); und auch bei Teilen der SPÖ ist man in den letzten Tagen auf schockierende Russophilie gestoßen, die im Putinismus offenbar die direkte Nachfolge zum Stalinismus wittert.
Was für ein Gegensatz zu den beiden Neutralen im Norden Europas, den Schweden und Finnen! In beiden Ländern haben alle Parteien von links bis rechts ein Ende der Neutralität ausgerufen und einen Beitritt zur Nato verlangt (der im Falle Schwedens allerdings bisher aus jeweils sehr nationalen Gründen von der Türkei und Ungarn blockiert wird). In beiden Ländern haben alle die Lektion begriffen, die der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine jedem halbwegs intelligenten Zeitgenossen geradezu aufzwingt: Zum allerersten Mal in den letzten 70 Jahren wird in Europa wieder ein Eroberungskrieg geführt, um sich mit militärischen Mitteln ein anderes Land zum Teil oder ganz einzuverleiben. Die beiden Länder haben daher in großem Konsens erkannt: Zwischen Verbrecher und Opfer neutral zu bleiben, ist selbst ein Verbrechen. Und vergrößert rapid die Gefahr, selbst zum nächsten Opfer des Verbrechers zu werden.
Das ist in der Tat eine Zeitenwende, die eigentlich für alle Europäer schockierend sein müsste. Nur offensichtlich nicht für die österreichischen Parteien. SPÖ, FPÖ, Grüne rufen statt dessen im Chor mit Bundeskanzler Nehammer: "Wir sind neutral und wir bleiben neutral!" Genauso könnten sie freilich rufen: "Wir sind blöd und charakterlos und wollen das auch bleiben."
Denn mit absoluter Sicherheit bietet das Wort Neutralität – das im Grund lediglich ein völkerrechtlicher Ausdruck aus dem Kriegsrecht ist – keinerlei Sicherheit für Österreich. Daher kann es nur peinlich werden, wenn jetzt diese Regierung irgendein Papier produzieren will, in dem neuerlich das Wort "Neutralität" vorkommt.
Die einzige Hoffnung für Österreichs Sicherheit besteht nicht in der Neutralität, sondern höchstens darin, dass nicht mehr der unmittelbare Nachbar Deutschland wie 1938 die Alpenrepublik bedroht, sondern das etwas fernere Russland. Die Hoffnung besteht also darin, dass andere, primär die von den USA, Großbritannien, Frankreich und sekundär von den übrigen Nato-Staaten unterstützten Mittelosteuropäer uns Sicherheit gegen dieses von einem paranoiden Diktator geleitete und unberechenbar gewordene Russland verschaffen. Wir wollen also die anderen für uns arbeiten lassen, Sicherheit herstellen lassen, ohne dabei mitzutun. Das ist freilich Charakterlosigkeit, aber keine Sicherheitsstrategie. Denn würden sich mehrere europäische Staaten so mies und egoistisch wie Österreich verhalten, dann würden wiederum alle alleine und hilflos dastehen. In diesem Jahr hat sich die Neutralität eindeutig als Unsicherheitsstrategie entlarvt. Sie sollte eher als "psychiatrisch bedenkliche Verdrängung der Vorgänge in der wirklichen Welt" bezeichnet werden.
Aber das traut sich seit der schwarz-blauen Regierung Schüssel keine Regierung mehr zu sagen. Sie alle hatten und haben Angst vor der öffentlichen Meinung, die vor allem eine der veröffentlichten ist. Und diese ist wieder vom Boulevard diktiert. Manche Zyniker empfehlen daher schon: Das Verteidigungsministerium sollte halt mehr Inserate in "Kronenzeitung", "Heute" und "Österreich" (oder wie das Blatt auch immer gerade heißt) schalten …
In Hinblick auf das Bundesheer, das dieses neutrale Land schützen soll (bitte ernst bleiben), ist es zweifellos lobenswert, dass jetzt ein wenig für eine bessere Luftraumverteidigung investiert wird. Fast 20 Jahre Schaden durch die Anti-Eurofighter-Sabotage der Herren Darabos und Gusenbauer sowie der WKStA – die wie immer im Schlepptau der SPÖ zu finden ist – waren schlimm genug. Aber die jetzige militärische Nutzbarmachung der Flieger ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, solange sonst nichts geschieht. Zu dem Vielen, was sonst fehlt, würde insbesondere eine Reaktivierung der Miliz durch die Rückkehr zu verpflichtenden Übungen gehören wie auch ein Attraktivmachung des Militärdienstes gegenüber dem allzu bequemen Zivildienst, aber auch eine Ausdehnung der Dienstpflicht auf Frauen.
Freilich ist die Sicherheit des Landes nicht nur durch militärische Bedrohungen gefährdet, derzeit nicht einmal in erster Linie. Der Bestand Österreichs als freies, unabhängiges, stabiles, rechtsstaatliches und sich in der Verfassungsbasis einiges Land in sozialem Wohlstand hängt auch von vielen anderen, internen Faktoren ab. Es gibt ja genug Länder, die ganz ohne äußere Bedrohung in die totale Katastrophe und in Bürgerkriege gestürzt sind, wie in Europa zuletzt vor allem jener Raum, den man früher Jugoslawien genannt hat. In der Zwischenkriegszeit (etwa in Österreich selbst) und außerhalb Europas (von Sudan über Syrien bis Burma) findet man noch viel mehr Beispiele für die inneren Selbstzerstörung.
Daher sollte eine seriöse Strategie auch den inneren Bedrohungen intensive Aufmerksamkeit schenken.
Freilich ist zu bezweifeln, dass auch nur eine einzige der in Folge aufgelisteten Bedrohungen einer guten Zukunft Österreichs von den derzeit Regierenden erkannt und im Konsens klar und deutlich angesprochen werden wird:
All diese sieben Entwicklungen sind ganz eindeutig auch sicherheitspolitisch explosiv. Dennoch kann man sicher sein, dass eine "Sicherheitsstrategie" einer schwarzgrünen Koalition nichts davon mit der nötigen Deutlichkeit ansprechen, geschweige denn eine Therapie einleiten wird.
Bei den meisten genannten Punkten ist ja schon fraglich, ob wenigstens die ÖVP den Mut hat, sie klar anzusprechen. Bei den Grünen ist es geradezu ausgeschlossen.
Die Grünen werden vielmehr nur eine ganz anders geartete Sicherheitsbedrohung erkennen wollen, die sie ja zu ihrer wichtigsten Existenzgrundlage gemacht haben: nämlich die für die Sicherheit des Planeten gegen die angeblich menschengemachte Erwärmung. Was auch immer da für Österreich relevant sein soll: Denn die Republik kann im Alleingang – selbst wenn alle Thesen von Greta Thunberg und Werner Kogler richtig wären – nicht einmal ein Hundertstel Grad am Weltklima verändern, auch wenn wir alle Autos, Heizungen und Industrieanlagen verschrotten und uns mit Fahrrädern in die Steinzeit zurückbewegen.
Auf was ja die Summe der grünen Vorschläge hinausläuft, denen niemand entgegenzutreten wagt.