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Alpenländische Sitten: Erpressung und Bestechung

Für österreichische Politiker, für eine Partei ist es ganz eindeutig eine gefährliche Drohung, wenn die wahre Herrscherin über zwei der auflagenstärksten Blätter des Landes einem ihrer vermeintlichen Drahtzieher schreibt: "Wir können auch anders". Und wenn sie diese Drohung mit dem Verlangen nach der Schaltung von Inseraten, also mit einer klaren Geldforderung verbindet, dann fällt jedem, der das österreichische Strafgesetzbuch kennt, sofort dessen Paragraph 144 ein. Nicht so offenbar der sogenannten "Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft" der Frau Zadic.

Denn diese Organisation geht ja offensichtlich nicht der Jagd nach mutmaßlichen Verbrechen nach, sondern fast ausschließlich der Jagd nach politischen Gegnern von Rot und Grün. Das sind vor allem die ÖVP und in zweiter Linie die FPÖ.

Hingegen interessiert sie sich erstens nicht für die Medienbestechung anderer Parteien mit Steuermitteln, also den Einsatz von Steuergeldern, um sich genehme Berichterstattung in den Medien zu erkaufen, was eindeutig vor allem vom Imperium des Wiener Rathauses seit vielen Jahren betrieben wird, ebensowenig wie für die Vorenthaltung von Steuermitteln für nicht gefügige Medien.

Aber die "Korruptionsstaatsanwaltschaft" interessiert sich zweitens auch eindeutig nicht für das fast noch schlimmere Gegenstück der Bestechung: für die Erpressung der Politik durch Medien.

Dabei sind viele Experten aus der Schnittlinie von Medien, Politik und Werbewirtschaft absolut überzeugt, dass die Erpressung der Politik durch bestimmte Verleger sogar noch älter ist als die Bestechung der Medien durch Politiker.

Und erste Täterin war ganz gewiss nicht Eva Dichand, die jetzige, wenn auch nicht als besonders begabt geltende Machthaberin in Österreichs mächtigstem Printkonglomerat aus "Kronenzeitung" und "Heute". Aber sie war die erste, die die erpresserisch anmutende Drohung "Wir können auch anders" sogar in einen Schriftwechsel mit der grauen Eminenz des Finanzministeriums niedergeschrieben hat. Was wenig intelligent ist, haben doch die Altmeister der Erpressung – die übrigens nicht nur im Tageszeitungs-, sondern auch im Magazinsektor tätig gewesen sind – solches immer nur in Vieraugengesprächen hinter verschlossenen Türen geäußert, nie jedoch schriftlich. Aber die nächste Generation ist halt die, die dann die entscheidenden Fehler begeht.

Jetzt liegt eine solche Drohung der Korruptionsstaatsanwaltschaft nach übereinstimmendem Bericht ihrer Verlautbarungsmedien schwarz auf weiß auf dem Tisch der Staatsanwälte.

Dennoch gibt es weit und breit kein Anzeichen eines Verfahrens gemäß dem "Erpressung" übertitelten Paragraphen 144, der da eindeutig lautet:

"(1) Wer jemanden mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt, ist, wenn er mit dem Vorsatz gehandelt hat, durch das Verhalten des Genötigten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

(2) Die Tat ist nicht rechtswidrig, wenn die Anwendung der Gewalt oder Drohung als Mittel zu dem angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstreitet."

Nehmen wir einmal an, dass solche Drohungen selbst in der Zadic-Justiz noch nicht unter die guten Sitten gereiht werden, dann kann nur partielle politische Blindheit erklären, dass nicht die Erpressung inkriminiert wird.

Denn an anderer Stelle definiert das Strafgesetzbuch geradezu maßgeschneidert, was es unter "gefährlicher Drohung" versteht:

Diese ist "eine Drohung mit einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre, Vermögen oder des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Zugänglichmachen, Bekanntgeben oder Veröffentlichen von Tatsachen oder Bildaufnahmen, die geeignet ist, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen, ohne Unterschied, ob das angedrohte Übel gegen den Bedrohten selbst, gegen dessen Angehörige oder gegen andere unter seinen Schutz gestellte oder ihm persönlich nahestehende Personen gerichtet ist."

Dass die Boulevardmedien imstande sind, bei Politikern durch ehrabschneidende Berichte "begründete Besorgnis" zu erwecken, können zahlreiche österreichische Politiker bezeugen. Der Gesetzgeber hat dies sogar dann für strafbar erklärt, selbst wenn dies durch die Veröffentlichung von (angeblichen) Tatsachen geschieht.

Und dass die Akquisition von Inseraten für den Verlagseigentümer eine Bereicherung darstellt, ist wohl auch nicht weiter zu begründen.

Im Hintergrund steht ein viele Jahre altes Match zwischen den drei größten (wenn auch in Wahrheit stark geschrumpften) Boulevard-Medien und der Politik. Das mehrere Etappen hat:

  1. Dieses Match beginnt mit den schon an sich absurden Verhandlungen, wieviel Inseraten-Buchungen etwa von einem bestimmten Ministerium oder Bundesland im kommenden Jahr an eine bestimmte Zeitung fließen werden. Diese Vereinbarungen werden also vorweg getroffen, ohne dass jemand wissen kann, ob es überhaupt einen Bedarf des Ministeriums an künftigen Inseratenschaltungen gibt. Zwar hält auch das kameralistische Budgetsystem die Ministerien dazu an, vorweg – beispielsweise – die Inseratennotwendigkeiten zu planen, zu schätzen. Dennoch grenzen solche – freilich meist nur mündlich erfolgende – Zusagen glatt an Amtsmissbrauch.
  2. Die zweite Etappe ist, dass bei diesen Verhandlungen sehr oft mit den Umsätzen bei vergleichbaren Medien argumentiert wird. Wenn bei der Zeitung A im Vorjahr mehr Inseratenvolumen aus dem Ministerium X erschienen ist als in der sich für vergleichbar haltenden Zeitung B, wird das sofort von der Zeitung B empört wie vehement auf den Tisch der nächsten Inseraten-Verhandlungen geknallt und wird auch schon während des Jahres genau beobachtet.
  3. Die dritte Etappe tobt dann ganz speziell und mit den größten Schaltvolumina zwischen den Boulevardzeitungen, die trotz rapiden Auflagenverlustes noch immer relativ leserstark sind.
  4. Das hat, viertens, zu einem speziellen Krieg geführt: Die einen argumentieren, dass das Schaltvolumen der Fellner-Zeitung "Österreich" dem der Dichand-Gruppe, also der Summe aus "Kronenzeitung" und "Heute" entsprechen sollte. Die anderen sagen: Nicht die familiären Verlagsimperien, sondern jede einzelne Zeitung solle gleichbehandelt werden. Das würde wiederum die Dichands bevorzugen, die über gleich zwei Zeitungen herrschen. Dabei ist völlig klar, wie auch immer berechnet wird: Nichts hat eine rechtliche Basis.
  5. Fünftens war immer klar, wenn es auch wohl nie festgehalten worden ist: Der Abschluss solcher Volumens-Vereinbarungen ist in der Folge auch mit freundlicher Berichterstattung über den jeweiligen Politiker verbunden. Die Einhaltung solcher Zusagen ist bei Boulevardzeitungen umso leichter, als dort die kommerzielle Führung oft mit der redaktionellen zusammenfällt.
  6. Dementsprechend findet man etwa in den Wiener Boulevardzeitungen vor allem nie Kritisches über einen Wiener Bürgermeister. Wenn doch irgendwer mit der Berichterstattung unzufrieden ist, kommen immer gleich unfreundliche Anrufe aus den Kabinetten dieser Politiker.
  7. Beginnend mit Werner Faymann als Wiener Wohnbaustadtrat hat die Politik dann auch umgekehrt diesen Mechanismus für sich zu nutzen begonnen und offensiv mit der Schaltung vieler Inserate, mit Kooperationen und Beilagen Druck auf die Medien ausgeübt.
  8. Das alles erreichte dann in der achten Etappe so intensive Ausmaße, dass jene Politiker-Mitarbeiter, die für die Umsetzung der Vereinbarungen zuständig waren, oft schon Probleme hatten, was sie denn inhaltlich überhaupt in die Inserate hineinstellen sollten. Besonders auffällig waren immer die Wohnbau-Beilagen und -Serien aus dem Rathaus-Imperium. Geradezu Ekstasen erreichte das bei den besonders skandalumwitterten Großprojekten wie der Wiener Gasometer-City oder dem neuen Stadtviertel in Aspern. Die massenhafte Bewerbung stellte jedenfalls auch einen krassen Gegensatz dar zur angeblichen Wohnungsnot im geförderten Wohnbau, die ja eigentlich dazu führen müsste, dass die potenziellen Mieter ganz automatisch bei jedem neuen Bauprojekt Schlange stehen.
  9. Neuntens, eine besonders anrüchige Unterabteilung stellt im Gemeinde-Wien-Imperium die Schaltung von Inseraten aus allen möglichen Ecken der Rathaus-Macht im linken Wochenblatt "Falter" dar, das mit großer Sicherheit das weitaus am meisten von ein und demselben Imperium geförderte Medium ist.

Ist das alles jetzt am Platzen? Oder gelingt es den Zadic-Staatsanwälten noch einmal, durch eine chirurgische Operation nur den quantitativ relativ unbedeutenden Randbereich rund um den ÖVP-Mann Thomas Schmid zu kriminalisieren, während die viel umfangreicheren Rathaus-Sauereien (samt allen Chats usw der Wiener Bürgermeister und ihrer auf vielen Ebenen aufgeteilten Inseratenabwickler) demonstrativ unbeachtet bleiben?

Das wird noch spannend. Jedenfalls hat es schon längst internationales Erstaunen hervorgerufen. So hat die renommierte "Frankfurter Allgemeine Zeitung" das bereits als "Fragwürdige Entwicklung" gegeißelt. Tatsächlich findet man in Deutschland und den meisten anderen zivilisierten Ländern nicht einmal annähernd einen solchen Sumpf aus Amtsmissbrauch, Steuergeldvernichtung, Erpressung und Bestechung im Dreieck aus Medien, Politik und Justiz.

In Österreich weiß man nur nicht, wo es da am meisten stinkt.

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