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In britischen Geschäften gibt es kaum noch Gemüse. In Österreichs Apotheken fehlen Tausende verschiedene Pharmazeutika. Auch zahllose andere Produkte werden auf Europas Märkten vermisst. Was kann man dagegen tun, sind doch viele dieser Defizite gar nicht auf den Krieg zurückzuführen?
Die ernüchternde Antwort: Da kann man wenig tun – auch wenn Journalisten und Politiker immer für alles eine (verbale) Lösung und einen Schuldigen parat haben. So werden die britischen Versorgungsmängel oft mit dem Brexit erklärt. Was aber nicht stimmt: Wetterbedingte Missernten bei traditionellen Lieferländern hätten Großbritannien auch als EU-Mitglied genauso getroffen. Wir sind auch machtlos gegenüber Lieferkettenproblemen in Asien oder Pannen in Pharmafabriken.
Viele glauben: Das sei die Schuld von Globalisierung und Weltmarkt. Autarkie wäre viel besser. Würden wir alles daheim erzeugen, dann könnte es kaum Lieferkettenprobleme geben. Dann sind wir nicht von Vorgängen in China und Indien abhängig.
Jedoch: Zu welchen Preisen, wenn es keinen Konkurrenzdruck gibt, keine internationale Arbeitsteilung und keine Mengenproduktion? Und was ist, wenn bei uns eine Fabrik ausfällt? Dann wären die Folgen viel katastrophaler als auf einem Weltmarkt, wo es noch eher Alternativen gibt.
Autarkie ist illusorisches Kinderdenken. Wo nähme etwa Österreich die vielen Rohstoffe her, die es nicht hat, aber braucht? Wie arm wäre die Schweiz, heute eines der reichsten Länder der Welt, die ja noch viel weniger Rohstoffe hat als Österreich?
Vor allem aber müssten wir uns dringend wieder mehr bewusst machen, wie sehr die Globalisierung (zusammen mit dem technischen und wissenschaftlichen Fortschritt) erst die Basis für unseren Wohlstand ist. Die internationale Arbeitsteilung der Globalisierung ist das exakte Gegenstück zur Subsistenzwirtschaft, wo jeder Bauer alles mehr oder weniger selbst erzeugt. Das mag zwar in romantisch-verlogenen Kinderbüchern über die Bauern von einst gut ankommen oder über die letzten Regionen Afrikas, wo noch solche Subsistenzwirtschaft herrscht: Aber eine Welt der Autarkie ist immer eine Welt der allerbittersten Armut, einer Armut, wie wir sie uns gar nicht mehr vorstellen können. Obwohl es sie heute zumindest in einem Land noch gibt: in Nordkorea, wo bis auf die oberste Schicht die Menschen täglich mit dem Verrecken kämpfen.
Müssen wir damit leben, dass immer wieder Globalisierungsketten durch irgendwelche Ereignisse unterbrochen werden? Ja – und wir sollten dies auch mit etlicher Gelassenheit hinnehmen.
Was wir aber gar nicht tatenlos hinnehmen sollten, ist die Entstehung von Abhängigkeiten gegenüber einem einzigen Lieferanten bei strategisch wichtigen Gütern, und dann schon gar nicht, wenn dieser keine offene Marktwirtschaft ist. Das haben wir bei der einseitigen Gas-Abhängigkeit gegenüber Russland schmerzhaft lernen müssen. Und das sollten wir bei "Seltenen Erden" gegenüber China gleich gar nicht entstehen lassen.
Aber bei all diesen Dingen strategische Reserven anzulegen oder gezielt Zweit- und Dritt-Lieferanten aufzubauen, übersteigt bei weitem die Kräfte Österreichs, und auch jedes anderen Landes. Genau das wären idealerweise Aufgaben der EU – statt sich immer mehr in die innere Gestaltung der Mitgliedsländer diktatorisch einzumischen.
Ältere Mitmenschen können sich übrigens noch gut erinnern, dass es in ihrer Jugend fast kein importiertes Obst oder Gemüse gegeben hat, was die Winterkost auf kaum mehr als Rüben und schrumpelige Äpfel reduziert hat. Und von den meisten Medikamenten, die derzeit fehlen, hat es damals nicht einmal in Forschungslaboren der Pharma-Firmen eine vage Idee gegeben.
Eigentlich müssten wir das – meistens ja gut zu sehende – Funktionieren des Welthandels, der Globalisierung als die wahre Sensation begreifen, Denn sie funktioniert nur, weil da abertausende Rädchen geordnet ineinandergreifen. Als ob eine unsichtbare Hand sie angeordnet hätte.
Ich schreibe in jeder Nummer von Österreichs einziger Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".