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Die sechs Geburtshelfer des neuen schwarz-blauen Probelaufs

Niederösterreich hat nun erstmals eine schwarz-blaue Landesregierung. Relativ zügig hat man sich nach der schweren Selbstbeschädigung der niederösterreichischen SPÖ (die im Schatten der Rendi-Doskozil-Groteske fast untergegangen ist) auf eine Kooperation dieser beiden Parteien geeinigt. Diese steht freilich vor einem Riesenproblem: dem der Glaubwürdigkeit. Wie können zwei Parteien, die einander vorher so wild befetzt haben, ab nun eine überzeugende und positiv funktionierende Kooperation leben? Da gilt es etliches zu überwinden. Allerdings gibt es bei dieser Aufgabe sechs Faktoren, die sich für ein Gelingen als sehr hilfreich erweisen dürften.

Diese sechs Geburtshilfe-Faktoren im Detail:

  1. Das Verhalten der SPÖ in den letzten Wochen: Es hat relativ deutlich gemacht, dass die niederösterreichischen Genossen kein gefährlicher Partner für ein ehestörendes Verhalten gegenüber der neuen Noch-nicht-Liebesheirat sind. Wer mit "Hacke mir lieber die Hand ab" noch nach dem Wahltag erpresserisch Milliarden-Wünsche zu unabdingbaren Bedingungen erhebt, kann weder für die einen noch die anderen ernsthaft in den nächsten Jahren als Partner in Frage kommen. Nicht einmal für einen politischen Seitensprung.
  2. Die wie auf Knopfdruck erfolgte Ankündigung der üblichen rotgrünen Szene, gegen die niederösterreichischen Koalitionspartner auf die Straße zu gehen: Solche Demos sind zwar oft lästig, sie schweißen aber die dadurch Attackierten enorm aneinander. Das hat man schon einmal in der Zeit ab dem Februar 2000 gesehen, als die gleiche Szene wöchentlich – freilich mit immer schwächer werdenden Teilnehmerzahlen – gegen Schwarz-Blau auf Bundesebene demonstriert hatte. Die beiden Regierungsmannschaften sind damals dadurch erst so wirklich richtig emotional aneinandergeschmiedet worden. Gleichzeitig sind damals die Bürger massiv verärgert worden – politisch erreichen Demonstranten also meist das Gegenteil (ähnlich wie es der weitgehend identen Szene der Klimakleber "gelungen" ist).
  3. Ganz ähnlich wirkt die Hasskampagne, die der ORF gegen die schwarz-blaue Regierung in NÖ fährt. Auch das erinnert übrigens sehr ans Jahr 2000, als der ORF sogar direkt zu Anti-Schüssel-Demonstrationen aufrief. Das zeigte jetzt schon die erste ZiB nach der niederösterreichischen Einigung. Dabei fiel nicht nur auf, wie empört sich die Redakteure gaben, sondern auch dass ohne jede Begründung gleich zwei SPÖ-Exponenten mit ihrer Anti-Agitation zu Wort kamen. Auch das schweißt zusammen – insbesondere weil der ORF ja in unglaublicher Weise gegen die ÖVP in den niederösterreichischen Wahlkampf eingegriffen hat, was man bei den Schwarzen sicher nicht vergessen hat (Siehe die Affäre Ziegler: Den NÖ-Landesstudio-Chef hat man mit viel Polemik und Trommelwirbel wegen seiner ÖVP-Nähe gefeuert – während man das mindestens ebenso SPÖ-nahe Landesstudio Wien völlig unbehelligt lässt und auch die innenpolitischen Zentralredaktionen wie Außenstellen der SPÖ agieren).
  4. Der vierte Faktor besteht in der Annahme, dass Schwarz und Blau in Niederösterreich auch in Hinblick auf künftige Bundeskoalitionen zeigen wollen, dass sie doch wieder ganz gut miteinander könnten. Das ist ja die erste Möglichkeit dazu seit vier Jahren, um auf früheren durchaus erfolgreichen und jeweils nur durch eigene Dummheit, nicht die Wähler gescheiterten Koalitionsperioden aufzubauen. In Niederösterreich geht es noch dazu um zwei früher recht weit auseinandergestandene Landesparteien – während die Schwarzen und Blauen in Oberösterreich (wo es eine ähnliche Koalition gibt) ja immer schon gut miteinander konnten und einander immer recht nahe gestanden sind. Wenn sie das nun auch in Niederösterreich nicht nur bei relativ reibungsarmen Koalitionsverhandlungen, sondern ebenso in der Alltagspraxis schaffen – nicht zuletzt im Bewusstsein, auch für den Bund ein Probelauf zu sein –, dann lässt das viele bürgerliche Hoffnungen sprießen. Der professionelle Ablauf der Verhandlungen zeigt jedenfalls, dass man sich bei beiden Parteien dieser Aufgabe zumindest bewusst sein dürfte.
  5. Der geschickte Umgang mit den bisherigen Reizthemen: Einerseits hat man nicht behauptet, einander plötzlich zu lieben – was total unglaubwürdig wäre. Andererseits sind seit der Wahl die gegenseitigen Attacken völlig verschwunden. Etwa in Hinblick auf "Moslem-Mama" oder in Hinblick auf angebliche Liederbuch-Affären. Und inhaltlich hat die ÖVP einerseits das Reizthema der freiheitlichen Putin-Nähe ignorieren und ausklammern können. Andererseits hat sie beim zweiten Reizthema, also Corona, viel freiheitliche Rhetorik akzeptiert, aber an konkreten Inhalten eigentlich nur die Rückzahlungen von Strafgeldern zugesagt. Dabei geht es um Verwaltungsstrafen, die dem Land zugute gekommen sind, die auf später als verfassungswidrig erkannten Rechtsgrundlagen beruhten. Was ja nur einen sehr kleinen Teil der Strafen betrifft. Und was auch mehr als verständlich und gut ist: Denn es ist wirklich für den einfachen Bürger schwer einsehbar (wenn auch juristisch logisch), dass jene, die in Hinblick auf die betroffenen Verordnungen einen mühsamen Instanzenzug ausgelöst haben, das Strafgeld zurückbekommen haben, die anderen aber nicht, die halt gleich gezahlt haben, um weitere Kosten zu vermeiden, obwohl die Rechtslage haargenau die selbe war.
  6. Und der sechste Faktor hat – wieder einmal – gezeigt, dass die beiden Parteien einander gesellschafts-, wirtschafts- und sozialpolitisch sehr nahestehen, was sehr zum Unterschied von Konstellationen mit Grün oder Rot die Alltagsarbeit sehr erleichtern wird.

Daher seien noch einige durchaus positiv anmutende Punkte aus den Koalitionsvereinbarungen beziehungsweise den im Konsens gemachten Ankündigungen angerissen (deren Realisierung dann die zwei auf Grund der Landesverfassung der SPÖ zustehenden Landesräte pikanterweise ohnmächtig zuschauen müssen):

  • gemeinsames Bekenntnis zu den Leistungsträgern unter den Bürgern;
  • klare Absage an neue Abgaben auf Eigentum;
  • klare Absage an flächendeckende Lkw-Abgaben;
  • Bekenntnis zum Individualverkehr und Verbrennungsmotor;
  • Ersetzen von Geld- durch Sachleistungen in der Grundversorgung von Asylwerbern soweit möglich;
  • ein Pflegescheck für die Pflege zuhause;
  • finanzielle Aufwertung für die Kinderbetreuung im Familienverband;
  • eine Kinderbetreuungsoffensive insbesondere durch attraktivere Gestaltung der familienfreundlichen Tageseltern-Angebote;
  • der freilich rechtsunwirksame Hinweis, dass es wichtig sei, dass "jeder und jede" (wir merken übrigens, dass die Gender-Sprache, wenn auch in ihrer mildesten Version auch bei Schwarz-Blau in fast allen Äußerungen eingekehrt ist …) "unsere Sprache spricht";
  • und Staatsbürgerschaften sollen nur noch restriktiv vergeben werden (da ist freilich das Land nur Exekutor von Bundesgesetzen!).

Da ist viel Erfreuliches, wenn auch oft nur Deklamatorisches dabei. Es lässt jedenfalls nur Kopfschütteln, wenn der offenbar schwer überforderte neue NÖ-Chef der Sozialisten als Hauptkritik darin einen "Pakt der Unehrlichkeit" sehen will. Aber offenbar haben ihm seine Spin-Doktoren eingeredet, möglichst in jedem Satz das Wort "ehrlich" für sich zu reklamieren, ob es Sinn macht oder nicht. Als ob es besonders ehrlich wäre, von dem in der Landeskasse eigentlich gar nicht vorhandenem Geld 2,3 Milliarden unters Volk schmeißen zu wollen – oder am Beginn der gescheiterten schwarz-roten Verhandlungen sogar 8,2 Milliarden, wie zumindest die ÖVP ausgerechnet hat. Derart populistisch Schulden auf dem Rücken der Kinder machen zu wollen, ist ja überhaupt das Unehrlichste, was es gibt in der Politik.

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