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Die neue Finanzkrise

Gewiss, nachher haben es immer alle gewusst. Aber diesmal kann tatsächlich niemand sagen, dass nicht schon seit langem vor jenen Faktoren gewarnt worden wäre, die nunmehr zu einer neuerlichen Bankenkrise geführt haben. Jedoch hatten sich jene Kräfte durchgesetzt – ganz überwiegend aus der politischen Linken –, die auf einen Primat der Politik über die Wirtschaft bestanden haben. Sie haben damit die gegenwärtige Krise ausgelöst, die massiv an die Finanzkrise des Jahres 2008 mit ihren ganz ähnlichen Ursachen und jahrelangen teuren Folgen erinnert. Gleichzeitig werden aber auch in der Bekämpfung der aktuellen Krise schon wieder Maßnahmen gesetzt, die schon jetzt als Grundlage für eine weitere Krise in der Zukunft zu erkennen sind.

Die Hauptschuld auf den Punkt gebracht: Das waren die jahrelang viel zu niedrigen Zinsen, die viele Menschen und Unternehmen zu riskantem Verhalten verleitet haben. Ursachen der Niedrigzinsen waren vor allem politische Motive, wie gerade in diesem Tagebuch immer wieder kritisiert worden ist: Den Regierungen, so war der Effekt, sollte weiterhin die Finanzierung hoher Staatsdefizite ermöglicht werden. Diese wiederum waren von populistischen Politikern verursacht worden, die sich durch ein Übermaß an – vor allem mit staatlicher Wohlfahrt begründeten – Ausgaben die Gunst der Wähler erkaufen wollten. 

In den letzten Monaten aber hat die (als Folge der Energieknappheit, der allzu üppigen Corona-Hilfsmaßnahmen, diverser Probleme in und mit China) explodierende Inflation dann doch die Zentralbanken in den USA und Europa zu einer verspäteten, dafür umso steileren Anhebung der Zinsen gezwungen. Das hat natürlich – nicht nur durch seine Geschwindigkeit – schlimme Folgen:

  • Für Staaten, die sich nicht mehr billig refinanzieren können und die ihre alten Schulden nicht abgebaut haben;
  • für Unternehmen und Bürger, die sich zu hoch verschuldet haben;
  • für Branchen wie etwa die Bauwirtschaft, die unter dem Absacken der Nachfrage leiden (weil sich viele Käufer die gestiegenen Zinsen nicht leisten können);
  • und nicht zuletzt für einen Teil der Bankenwelt. Und zwar für jene Banken, die ihr Geld in relativ hohem Ausmaß nicht zu variablen Zinssätzen vergeben, sondern in Privatkredite mit fixen Zinssätzen und Staatsanleihen mit sehr niedrigen Zinssätzen investiert haben.

Die Zinssteigerungen haben zwangsläufig zu einem dramatischen Kursverlust dieser alten niedrigverzinsten Anleihen geführt (denn heutige Anleihenkäufer ziehen natürlich Papiere mit den jetzigen, viel höheren Zinssätzen vor, wenn nicht die alten entsprechend billiger werden).

Bei den Banken mit vielen niedrigverzinste Forderungen sind dadurch die Werte in ihrer Bilanz, die Kapitalmindesterfordernisse deutlich gesunken, sodass sie eigentlich dringend neues Eigenkapital als Sicherheit für all ihre Verpflichtungen gegenüber den Einlegern bräuchten.

Die Folgen sind dramatisch. Um nur eine Zahl zur Bankenkrise zu nennen:  Der NASDAQ-Banken-Index hat in einer Woche ein Viertel seines Wertes verloren; alle Gewinne der letzten 25 Jahre sind vernichtet.

Das hier Skizzierte ist ein eindeutiger, wenn auch mehrstufiger und überall natürlich in leichten Variationen ablaufender Mechanismus. Und so sehr alle jetzt davon reden, dass das nur Einzelfälle bei zwei amerikanischen Mittelbanken und einer Schweizer Großbank wären, so kann man ziemlich sicher sein, dass auch in Europa noch etliche Banken von dieser Problemkette betroffen sein werden, von denen wir es noch nicht wissen.

Wer hätte auch gedacht, dass ausgerechnet das Anlegen von Geld in Staatspapieren zu Problemen führen kann. Das ist jedoch für viele Banken der einfachste und manchmal (mangels ausreichend vieler und gesunder Kreditnehmer) auch einzige Weg gewesen, ihr Geld anzulegen. Man denke nur, dass sie sonst ihr überschüssiges Geld bei der Europäischen Zentralbank lediglich zu Minuszinsen hinterlegen hätten können. Die EZB wollte ja, so sagte sie, die Banken dadurch auch dazu bringen, mehr Kredite zu vergeben. Gleichzeitig hat sie aber aus Sicherheitsgründen die Regeln sehr streng angezogen, an wen aller kein Kredit vergeben werden darf.

Auch wenn das als Absicht nie zugegeben worden ist, hat das eindeutig dazu geführt, dass auch schwer verschuldete Staaten problemlos immer neue Kredite von den Banken bekommen haben – mit zeitweiligen Ausnahmen wie etwa Griechenland.

Ich wäre jedenfalls sehr überrascht, wenn nicht in den nächsten Tagen und Wochen auch einige andere Banken in Schwierigkeiten geraten würden. Diese Ungewissheit  hat wiederum in den letzten Tagen dazu geführt, dass die besorgten Anleger "quer durch die Bank" Aktien aller Banken abgestoßen haben. Man weiß ja nicht mehr, welcher Bank zu trauen ist.

Genau dieser Mechanismus hat jetzt in Europa ganz besonders die Credit Suisse getroffen, eine der beiden Schweizer Großbanken (so groß wie die Raiffeisen-RBI und die Bawag zusammen). Diese hatte auch noch einige andere Probleme und deswegen ihre Aktionäre – damit vor allem ihren größten, die saudische Nationalbank, - um Milliarden-Zuschüsse gebeten. Was die Saudis brüsk abgelehnt haben. Was nebstbei neuerlich beweist, dass arabische Investoren halt nur für gute Zeiten gute Eigentümer sind (keinen Beweis gibt es im übrigen vorerst für den Verdacht, dass dieses Verhaltens mit dem sensationellen und von China eingeleiteten Aussöhnung Saudi-Arabiens mit Erzfeind Iran zusammenhängt, das jedenfalls interessanterweise gleichzeitig bekannt geworden ist).

Vorerst versuchen alle Seiten Entwarnung zu geben. Das sei keine Wiederholung der Finanzkrise 2008. Denn alle Gläubiger der Problembanken würden gesichert. Die Probleme in der Schweiz würden durch einen angeblich 50 Milliarden ausmachenden Sicherungsbetrag der dortigen Nationalbank gelöst. Und die in den USA durch Garantien des dortigen Insolvenzfonds. Damit sei auch nicht der Steuerzahler herangezogen, wird beteuert. Na ja, kann man nur sagen, als ob es am Ende nicht er es dennoch wäre, der da wie dort dahinterstehen muss, wenn etwas schiefgeht.

Damit ist zwar in der Tat eine unmittelbare Auswirkung, ein allgemeiner Bank Run verhindert. Niemand muss im verzweifelten Bangen um seine Ersparnisse vor einer Bankfiliale Schlange stehen – oder zeitgemäß auf elektronischem Weg seine Gelder umzuschichten versuchen.

Umso schlimmer könnten aber die weiteren Folgen sein: Denn wenn ohnedies im Schadensfall nie ein Gläubiger ein Risiko eingeht, dann werden alle Geldanleger mit Sicherheit zu jener Bank gehen, wo er die besten Chancen hat, wo die höchsten Zinsen zu erwarten sind. Egal wie riskant es ist. Damit wird risiko–ignorierendes  Verhalten neuerlich prämiiert.

Dann wird die Erinnerung an das Jahr 2008 und seine jahrelangen schmerzhaften Folgen jener Finanzkrise doch wieder sehr lebendig. Manche Dinge verblüffen jedenfalls: Schwierigkeiten in einem scheinbar überschaubaren kleinen Teil der amerikanischen Finanzwelt haben sich auch damals wie Tsunami-Wellen über den ganzen Globus ausgebreitet. Die Welt brauchte Jahre, um sich davon wieder zu erholen. Und es gibt keine Garantien, dass wir in den letzten Tagen nicht wieder den Urknall eines neuen globalen Seebebens erlebt haben.

Natürlich gibt es bei jeder Bank spezifische Besonderheiten: Damals waren es Kredite an schlecht besicherte und finanzarme Hauskäufer, an die auf populistisches Verlangen der US-Regierung massenweise Wohnbaukredite vergeben werden mussten. Diesmal hat sich eine Bank scheinbar auf Start-Up-Unternehmen konzentriert, also Neugründungen, deren gute Ideen am Ende des Tages Erfolg bringen sollen. Sie hat aber dabei so viel verdient, dass sie eben keinen anderen Ausweg sah, als in niedrig verzinste Staatspapiere zu investieren.

Für die Politik war daher im Unterschied zu früheren Krisen klar: Wenn die "Silicon Valley Bank" fällt, dann stürzen mit ihr etliche Start-Up-Unternehmen aus der kalifornischen Hightech-Szene, die dort ihr Geld haben.

Diese Bank wollte sich noch durch eine drastische Kapitalerhöhung retten. Doch dies brachte nicht das Erhoffte ein, weil eben schon viele spürten: Der Bank geht’s schlecht.

Die große Frage ist nun: Bleibt das auf die genannten Banken beschränkt?

Eines ist jedoch gleich wie bei früheren Krisen: Alle Beteiligten sind vom Vertrauen der Märkte abhängig. Und dieses Vertrauen ist ein gar flüchtig Ding. Jetzt kann man nur hoffen, dass es bald wieder zurückkehrt. Gewissheit gibt es aber keine. Und die Politik kann nur sehr kurzfristig Vertrauen schaffen.

Gewiss ist es von Anlegern zu viel verlangt, bei Banken analysieren zu können, wie sicher die sind und ob sie gegen große Zinsbewegung abgeschirmt sind. Aber jedenfalls bewährt sich ein altes Prinzip immer: Nicht alle Eier in einen Korb. Und tendenziell ebenso richtig ist ein zweites Prinzip für Private: Geld im selbst bewohnten Eigenheim zu investieren ist im Schnitt deutlich sicherer und klüger, als den großen Gewinnen auf den Finanzmärkten nachzujagen (daher ist übrigens auch das von den österreichischen Rechtsparteien betrieben Ziel goldrichtig, die Bürger noch viel mehr zu Eigentümern ihrer Häuser und Wohnungen machen zu wollen).

Irgendwann müssen wir aber auch lernen: Pleiten, Konkurse sind ganz normale, ja notwendige Elemente in einem gesunden Wirtschaftsleben. Nur dadurch werden marode Unternehmen oder Banken ausgeschieden, sowie andere zu vorsichtigem Verhalten gezwungen. Und vor allem werden auch marode Staaten wieder zur Disziplin genötigt, die im politischen Populismus gerne verlorengeht. Denn je länger diese Vorgänge hinausgezögert werden, umso schlimmer ist dann das Ende.

Wir müssen aber ebenso – wenn auch mit großer Bitterkeit – lernen, dass etliche der verhassten Regulierungen in der Finanzwelt letztlich durchaus sinnvoll sind, etwa jene, dass wir keinen Kredit bekommen, weil wir irgendein Erfordernis nicht erfüllen.

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