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Um die Dimension des Kulturschocks zu verstehen, der in den letzten Tagen in der Schweiz ausgelöst worden ist, sollte man sich vorstellen, dass die österreichische Regierung plötzlich die Fusion der Fußballklubs Rapid und Austria, oder die deutsche die von Bayern-München und Borussia-Dortmund erzwingt, weil einer der betroffenen Vereine sonst seine Gehälter nicht mehr zahlen könnte. Das ist eigentlich absolut unvorstellbar. Genausowenig haben sich die Mitarbeiter der beiden Schweizer Großbanken Credit Suisse und UBS noch vor wenigen Tagen vorstellen können, dass sie nun plötzlich Seite an Seite in einem Team mit den Kollegen des einstigen Hauptrivalen kämpfen müssen – sofern sie nicht überhaupt zu der fünfstelligen Zahl von Mitarbeitern der Credit Suisse zählen, denen die Kündigung droht. Aber auch die Kunden der beiden Institute fühlen sich wie von einem Sklavenhändler verkauft.
Wer die einstige Geschichte von Creditanstalt, Länderbank und Zentralsparkassa in Österreich verfolgt hat, der weiß, dass auch nach 30 Jahren die einstige Herkunft innerhalb eines Bankkonzerns psychologisch wichtig ist und lange interne Barrieren schafft.
Nicht jeder Kulturschock löst nämlich einen positiven Kulturwandel aus. In vielen Fällen führt er in die innere Migration. Der weltweit größte Bankenkrach seit 15 Jahren ist ja keine freundliche Übernahme, weder für die Übernehmer noch die Übernommenen. Die Credit Suisse wurde der UBS vielmehr von Regierung, Marktaufsicht und Notenbank geradezu aufgezwungen.
Selbst bei feindlichen Übernahmen geht es oft freundlicher zu. Da wird um das Wohlwollen der Belegschaft geworben. Bei freundlichen Übernahmen erst recht. Die Angestellten der Credit Suisse fürchten hingegen, dass sie sehr bald sehr deutlich merken werden, dass sie nur Mitarbeiter zweiter Klasse sind.
Freilich: Letztlich kann man fast alle Eingriffe eines Staates in die Welt der Banken auf eines zurückführen: Es geht ums Vertrauen, um die wichtigste Währung in der Welt des Geldes. Es geht nicht um das Wohlbefinden von Mitarbeitern oder Kunden. Es geht auch nicht um das Erhalten möglichst vieler Arbeitsplätze. In der harten Welt der Finanzwirtschaft geht es um noch Wichtigeres: Es geht um die Verhinderung eines allgemeinen Bank Runs als Folge der Pleite eines Instituts. Denn das wäre bei der Größenordnung der Credit Suisse eine Katastrophe planetaren Ausmaßes. Und würde eine weltweite Wirtschaftskrise mit zahllosen Unternehmenspleiten und Kündigungen auslösen.
Offiziell hat die Credit Suisse freilich "nur" ein Liquiditätsproblem. Das heißt: Sie kann zwar allen Schulden, die sie hat (etwa allen Sparbuch- und Giroeinlagen ihrer Kunden) Vermögenswerte gegenüberstellen. Sie kann diese Werte aber nicht in der kurzen Frist zu Geld machen, die ein plötzlicher Ansturm der misstrauisch gewordenen Kunden verlangen würde. Nur: Das hört man wirklich immer bei Bankenkrisen.
Tatsache ist, die Credit Suisse hatte das Misstrauen ihre Kunden nicht befrieden können, das schon seit ein bis zwei Jahren brodelt, und das ihre saudischen Eigentümer endgültig ausgelöst haben, als sie ein Mitziehen bei einer Kapitalerhöhung abgelehnt haben (angeblich weil ihnen das saudische "Recht" dies verbietet …). Das bringt letztlich noch eine ganz andere Frage ins Zentrum: Wieweit können andere Staaten glaubwürdige Eigentümer sein – speziell solche, die weder Rechtsstaat noch Demokratie sind –, wenn sie nicht willens sind, zu ihrem Eigentum zu stehen?
Ich schreibe in jeder Nummer von Österreichs einziger Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".