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... statt die parlamentarische Repräsentativdemokratie einer peinlichen Selbstentblößung zuzuführen. Die zwei einzigen halbwegs konkreten "Ergebnisse" des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, die der dortige Verfahrensrichter jetzt erkennen hat können, haben die Österreicher nämlich schon lange vorher gekannt. Nämlich, dass bei Postenbesetzungen und Inseratenvergaben politischer Einfluss genommen wird. Der Ausschuss und die Beobachtungen des Richters konnten aber weder im Rückblick noch im Ausblick diese beiden Zentralfragen auch nur halbwegs klären. Dieser Ausschuss und die dafür ausgegebenen Millionen sind nicht mehr zu rechtfertigen, sondern haben einen schweren Schaden an der Demokratie angerichtet. Bloß die geeichtesten roten, blauen und pinken Parteipropagandisten können an ihm noch etwas Positives finden. Dabei hätten die beiden genannten Zentralfragen im Interesse der Republik eine echte lösungsorientierte Antwort durch eine wirklich unabhängige Untersuchung durchaus verdient – und nicht durch ein Tribunal, in dem sich Hinterbänkler mit aller Niedertracht zu profilieren versucht haben. Diese sind dabei trotz infam einseitiger Unterstützung durch das Wording und Framing der ORF-Berichterstattung jedenfalls jämmerlich gescheitert.
Denn natürlich war die Hauptabsicht der rot-pink-blau-grünen Einheitsfront, nicht Inseraten- und Postenvergaben sauberer zu organisieren, sondern einerseits den früheren ÖVP-Chef Kurz und andererseits die letzten nicht linken Exponenten in der Strafjustiz irgendeines sinistren Verbrechens zu überführen. Sie sind aber nie über Beschimpfungen, die Verbreitung wüster Verschwörungstheorien und Vorverurteilungen hinausgekommen.
Hingegen wären jene beiden Bereiche tatsächlich viel eingehender Analyse und Konsequenzen wert, wo der Verfahrensrichter von Korruption gesprochen hat.
In der Vergangenheit:
Dass in Österreich bei der Vergabe von Positionen im öffentlichen Bereich etlicher parteipolitischer Einfluss im Spiel ist, ist überhaupt keine Frage. Und ebenso, dass viele Bürger dabei noch weit über die Realität hinaus Einfluss vermuten. Sonst würden sie nicht geradezu automatisch zu intervenieren beginnen, wenn sie sich irgendwo im öffentlichen Bereich um irgendeinen Job bewerben.
Noch heute denke ich mit Amüsement zurück, wie in den Jahren, da ich "Presse"-Außenpolitik-Journalist gewesen bin, allen Ernstes Diplomaten bei mir interveniert haben, weil sie sich für einen Botschafter-Posten beworben haben. Was natürlich keinen Sinn hatte, aber ein Beweis für den Protektionsglauben sehr vieler Beamter ist.
Im Außenministerium hatte praktisch jeder Diplomat sein parteipolitisches Fähnchen. Es herrschte immer ein gewisser Proporz bei der Vergabe von Botschafter- und Führungsposten. Da gab es die "schwarzen" Diplomaten, dort die "roten" und als dritte eine sogenannte "Liste Ballhausplatz", in der sich insbesondere Altadelige parteipolitisch nicht schmutzig machen wollten, die sehr biegsam waren, und die besonders in der sozialistischen Ära gut zum Zug kamen.
Während im Außenamt dieser Proporz die Dinge weitgehend neutralisierte, während insbesondere im Finanz- und Justizministerium lange – bis zu einem gewissen Thomas Schmid und einer gewissen Alma Zadic – die Sachkompetenz wichtiger gewesen ist als die ideologische, waren im Innenministerium früher das rote und dann das schwarze Parteibuch meist besonders wichtig – wobei allerdings die dem jeweiligen Landeshauptmann meist parteifarblich angeglichenen Landespolizeikommandanten immer für einen gewissen Ausgleich gesorgt haben.
Dennoch ist mehr als fragwürdig, wieso der Verfahrensrichter die Rolle von Interventionen und ideologischer Ausrichtung mit der Überschrift "Korruption" anspricht. Mir ist in keinem der Fälle meiner jahrzehntelangen Beobachtung oder der U-Ausschuss-Ergebnisse auch nur ein einziger bekannt, wo Geld oder sonstige Gegenleistungen für Postenbesetzungen geflossen wären.
Wenn der Untersuchungsrichter ohne Konkretisierung und Beweise so formuliert, dann vergrößert er – wenn auch vielleicht unabsichtlich – die große Demokratiemüdigkeit im Lande.
Das größte und geradezu empörende Defizit des Ausschusses ist aber, dass diese parteipolitischen Bevorzugungen bei Postenvergaben überhaupt nur Richtung ÖVP untersucht werden durften. Die formaljuristische Begründung für diese Einseitigkeit, dass halt nur für dieses Thema ein Ausschuss beantragt worden war, und dass leider, leider gleichzeitig kein zweiter stattfinden könne, ist hanebüchen. Damit hat der Ausschuss wirklich einem mittelalterlichen Tribunal geglichen. Und es ist in der sehr dunklen Geschichte des Verfassungsgerichtshofs ein besonders übles Kapitel, dass er das für in Ordnung befunden hat.
In der Zukunft:
Die Diskussion über bessere künftige Lösungen – die ja eigentlich überhaupt der Sinn solcher Ausschüsse sein sollten – ist überhaupt ausgeblieben. Auch der Verfahrensrichter hat sich eigentlich nur dort konkret für die Zukunft interessiert, wo sie eine Machterweiterung seines eigenen Berufsstandes bringen soll, nämlich durch eine von Richtern und Staatsanwälten dominierte Bundesstaatsanwaltschaft. Völlig gleichgültig ist ihm hingegen, dass das eine weitere Reduktion der demokratischen Kontrolle und Mitsprache bedeuten würde.
Mutige und ehrliche Überlegungen müssten aber auch einen in Österreich als politisch völlig inkorrekt geltenden Gedanken ins Spiel bringen: nämlich die Frage, ob ein Minister, ein Landesrat, ein Bürgermeister nicht sogar viel mehr Macht und Einfluss bei der Besetzung wichtiger Positionen haben sollte, statt weniger. Schließlich wird er ja sehr wohl politisch und oft auch rechtlich für die Arbeit seines ganzen Ministeriums haftbar gemacht. Schließlich kann ein Politiker sein Amt nur dann gut ausfüllen, wenn er volles Vertrauen zu den wichtigsten Mitarbeitern in seinem Haus haben kann, wenn er sicher sein kann, dass da nicht ein Schlüsselspieler gegen ihn intrigiert oder zumindest mit verschränkten Armen wartet, bis der Minister stolpert (was ich oft genug erlebt habe).
Der Vorschlag, Ministern sogar mehr Rechte bei der Personalauswahl zu geben (wie es Wirtschaftsbosse ja auch haben), kann sich freilich nur auf die wichtigsten Posten beziehen, etwa auf die Sektionschefs und wichtige Abteilungsleiter. Hingegen sollte für mittlere und niedrigere Positionen das Gegenteil gelten: Dort sollten keine Minister irgendein Wörtchen mitzureden haben.
Kurz gefasst: Oben, bei den wichtigsten Posten eines Ministeriums sollte ein Minister wirklich freie Hand haben und sich nicht hinter Kommissionen verstecken müssen. Dort sollte er auch die Möglichkeit haben, Besetzungen eines Vorgängers (wenn auch ohne finanziellen Schaden für den Betreffenden) zu verändern.
Das wäre alles andere als Korruption. Das wäre im Gegenteil die logische Konsequenz aus dem Prinzip der Ministerverantwortlichkeit. Das würde die Effizienz der Verwaltung dramatisch erhöhen und vieles beschleunigen. Das ist auch in vielen anderen Demokratien so.
Bei mittleren und niedrigeren Positionen sollte hingegen jede noch so direkte parteipolitische Einmischung sogar strafbar werden. Das würde übrigens auch umgekehrt Politiker vor Tausenden lästigen Interventionen schützen.
Musterbeispiel sind die USA, eine der ältesten Demokratien und Rechtsstaaten der Welt. Dort müssen bei jedem Präsidentenwechsel bis zu 5000 Beamte rechnen, ihre Position zu verlieren. Und niemand empfindet das als Korruption.
Wir lernen: Auch hohe Richter sollten sich vor der falschen Skandalisierung eines gut begründbaren Vorgangs hüten. Es ist auch bei Richtern Populismus pur, das als Korruption zu bezeichnen.
In der Vergangenheit:
Es gibt wohl überhaupt kein Thema, mit dem sich dieses Tagebuch länger und kritischer auseinandergesetzt hat, als das der Inseratenkorruption. Hier ist es im Gegensatz zur Postenvergabe ganz eindeutig legitim, von Korruption zu reden. Es ist kriminelle Korruption in ihrer schlimmsten Form, wenn sich parteipolitische Akteure im persönlichen Interesse oder dem ihrer Partei im Steuertopf bedienen und aus diesem freigiebig Inserate an Medien vergeben, damit sie von denen eine besonders freundliche Berichterstattung bekommen.
Doch die eigentlich dafür zuständige Staatsanwaltschaft hat gerade diese Korruptionsform vorsätzlich ignoriert und erst aufgegriffen, als sie mit Thomas Schmid einen besonders ÖVP-nahen Täter erwischt hat. Womit sich massiv die Frage erhebt, ob das nicht auch auf Seite der Staatsanwaltschaft einen massiven Amtsmissbrauch darstellt, nämlich durch bewusste Unterlassung.
Im Gegensatz zum Bereich Postenvergabe ist auch ganz eindeutig, wer da weitaus am übelsten agiert: Das ist die Gemeinde Wien mit ihrem straff durchorganisierten Wirtschafts-Imperium. Das lässt sich mit Hilfe der Inseratentransparenz-Datenbank eindeutig beweisen. Diese zeigt, dass aus Wien mehr Inserate an Medien fließen als aus allen anderen Bundesländern zusammen.
In der Zukunft:
Auch hierzu habe ich – nicht zuletzt aus jahrzehntelanger journalistischer Erfahrung – schon mehrfach sehr konkrete und detaillierte Vorschläge gemacht. Deren wesentliche Eckpunkte lauten zusammengefasst:
In Summe macht dieser Rückblick auf den Ausschuss fassungslos: Denn es wäre wirklich einfach gewesen, einerseits jede parteipolitische Protektion bei nicht politisch relevanten Postenbesetzungen zu eliminieren wie andererseits die Verschwendung von Steuergeldern durch hunderte Millionen für Bestechungsinserate zu stoppen (die meist noch dazu an jene Medien fließen, die am besten erpressen können).
Eindeutig ist ebenso, dass sich das Format parlamentarischer Untersuchungsausschüsse als völlig untauglich erwiesen hat. Wir sollten sie abschaffen und statt dessen das Format unabhängiger, richterähnlicher Kommissionen schaffen, die ohne Öffentlichkeit Fragen zu klären haben, die eine parlamentarische Minderheit verlangt. Die Briten etwa können das seit langem ganz hervorragend. Vielleicht schenkt irgendjemand unseren Parlamentariern die nötigen Tickets, sich das anzuschauen.