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Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern – von Deutschland bis Großbritannien – leidet in Italien die neuangetretene Regierung keineswegs an einem raschen Absacken der öffentlichen Unterstützung. Nach bald 110 Tagen an Italiens Regierungsspitze steht Giorgia Meloni erstaunlich gut da. Dies mag damit zusammenhängen, dass ihr anfangs alles andere als Vorschusslorbeeren zuteil wurden, dass sie als "Postfaschistin" für viele die totale Buhfrau gewesen ist. Ihr bisheriger Erfolg hängt aber sicher auch mit der streitfreien Leistung ihrer Rechtsregierung zusammen.
Die diskussionsfreudigen Italiener debattieren derzeit daher vor allem eine psychologische Frage: Wie ist es der aus einfachen Verhältnissen an die Spitze Italiens aufgestiegenen Frau gelungen, die beiden Alphamänner Silvio Berlusconi und Matteo Salvini als Koalitionspartner so gut in Schach zu halten, obwohl sich beide eigentlich selbst für berufene Führertypen halten? Ist es weibliche Geschicklichkeit? Oder neutralisieren sich Berlusconi und Salvini gegenseitig? Oder haben die beiden routinierten Männer einfach begriffen, dass interner Streit sehr bald der Rechtsregierung das gleiche Schicksal wie vielen ihrer Vorgänger bereiten würde?
Tatsache ist jedenfalls, dass Meloni nicht nur bloße Moderatorin zwischen zwei Politgiganten ist, sondern dass sie wirklich das Land führt. Etwa in jener Frage, die zweifellos die europäische Politik derzeit am meisten bewegt: der Ukraine-Krieg.
Da hat Meloni Italien mit souveräner Klarheit auf einen sehr proukrainischen Kurs gesetzt. Sie fährt selbst nach Kiew. Italien liefert dem angegriffenen Land zusammen mit Frankreich moderne Raketenabwehrsysteme. In allen Gremien tritt Italien als entschlossener Unterstützer der Ukraine auf. Dabei sind ihre Koalitionspartner Salvini und Berlusconi eigentlich gute Freunde von Wladimir Putin – zumindest gewesen. Dabei sind jene ausländischen Parteien, die anfangs oft mit Meloni in einen Topf geworfen wurden, also die "Alternative für Deutschland" und die "Freiheitliche Partei Österreichs", zumindest in wichtigen Teilen russlandfreundlich. Sie ist hingegen klar proamerikanisch.
Im Grund sind Melonis "Fratelli d’Italia" heute die erfolgreichste Mitte-Rechts-Partei Europas. Dabei reichen die Wurzeln der Partei sehr weit nach rechts. Unter früheren Chefs wurde der einstige faschistische Diktator Mussolini hochgehalten, über den auch Meloni nie etwas Böses sagt. Deshalb ist die Partei lange von der Macht ferngehalten worden. Die früher rasch wechselnden Regierungskoalitionen hatten zwar keine Scheu auch vor sehr linken Parteien. Aber die Fratelli-Vorläufer waren ewige Opposition.
Genau das dürfte entscheidend für ihren Wahlsieg gewesen sein. Die Italiener waren des ewigen Streits, der ewigen Regierungskrisen müde. Meloni war das wirklich "Andere". Das erklärt die Pointe der Geschichte, dass in einem Land voll männlichem Imponiergehabe eine zarte Frau mit der Beruhigung beauftragt worden ist.
Sie hat vorerst bei Umsetzung dieses Auftrags jedenfalls ziemlich viel richtig gemacht:
Ihr politisches Schicksal wird sich aber in der für Italien besonders schwierigen Frage der Migration übers Mittelmeer entscheiden. Deren Reduktion oder Stopp war von allen drei Regierungsparteien versprochen worden. Andererseits will es sich Meloni keinesfalls mit der sehr migrationsfreundlichen deutschen Regierung verscherzen. Deshalb sind die Maßnahmen gegen die Migration vorerst schaumgebremst: So dürfen die Schlepper-Hilfsschiffe internationaler Hilfsorganisationen weiterhin in Italien anlegen – es werden ihnen aber Häfen weiter im Norden zugewiesen, sodass die Schiffe länger unterwegs sind und nicht so rasch neuen Migranten-Nachschub bringen können.
Die bisher bekannten Maßnahmen werden aber zu wenig sein, um den Unmut der Italiener über den Zustrom aus Afrika zu dämpfen. Wenn Meloni nicht mehr einfällt, wird wohl bald der liebe Regierungspartner Salvini auf den Tisch klopfen …
Dieser Text ist in ähnlicher Form in der Wochenzeitung "Epoch Times" veröffentlicht worden.