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In früheren Konflikten waren es immer nur die österreichischen Kommunisten, die behauptet haben, Österreich dürfe keine klare Meinung äußern und dürfe politisch nicht Position beziehen, sobald es um internationale militärische Konflikte gehe. Heute gibt es zwar außer in Graz keine Kommunisten mehr zu finden. Heute haben dafür die Freiheitlichen die Position der Kommunisten übernommen und wollen der Republik oder ihren führenden Repräsentanten unter Berufung auf angebliche Neutralitätspflichten den Mund verbieten. Das ist beklemmend – gerade, wenn man anerkennt, dass die FPÖ in manchen Fragen durchaus richtig liegt (auch wenn der Mainstream wieder einmal geschlossen aufheult).
Völker- wie verfassungsrechtlich ist die Lage ganz eindeutig: Die österreichische Neutralität ist eine rein militärische. Sie bedeutet die Zusage Österreichs, keine militärischen Stützpunkte zu erlauben, und nicht an Kriegen oder an militärischen Bündnissen teilzunehmen. Und auch das ist in Hinblick auf den EU-Beitritt eindeutig eingeschränkt worden – und zwar auf höchster rechtlicher Ebene: Die Neutralität gilt also nicht, wenn ein anderes EU-Land angegriffen wird, in der EU besteht eine – allerdings nicht näher spezifizierte – Beistandspflicht.
Daher hat die Republik Österreich jedes Recht, die Dinge beim Namen zu nennen. Ganz abgesehen davon, dass nach russischer Diktion ja gar kein Krieg im Gange ist ...
Tatsache ist auch, dass Österreich im Gegensatz zur einstigen kommunistischen und jetzigen freiheitlichen Forderung in allen kriegerischen Konflikten immer ganz klar politisch Position bezogen hat. Etwa als russische Truppen 1956 in Ungarn einmarschiert sind und dort ein Massaker angerichtet haben. Ebenso 1968, als die Russen und ihre (Zwangs-)Verbündeten in der damaligen Tschechoslowakei einmarschiert sind, um das Land auf weitere zwanzig Jahre zu unterjochen, oder 1980, als sie dasselbe in Afghanistan taten.
Österreich hat sich dabei nie ein Blatt vor den Mund genommen und immer die Aktionen Moskaus klar verurteilt. Dabei sind damals russische Soldaten weniger als 50 Kilometer von Wien gestanden. Dabei haben manche Analysen 1956 und 1968 gefürchtet, dass die Russen nicht unbedingt an der österreichischen Grenze stehenbleiben würden (wo das österreichische Bundesheer wohl wenig Chancen gehabt hätte, sie aufzuhalten). Dabei haben sowjetrussische Diplomaten die österreichischen Aussagen damals immer wieder scharf kritisiert und behauptet, diese seien nicht neutralitätskonform. Das hat hierzulande außer den hiesigen Kommunisten aber niemanden interessiert (und auch die waren parteiintern total gespalten über die richtige Reaktion).
Politisch neutral war Österreich auch nie im Nahostkonflikt, wo die Regierung unter Kreisky an der Seite der Araber gestanden ist und unter Kurz an jener Israels.
Es ist daher absolut unbegreiflich, warum die FPÖ ausgerechnet heute so anders reagiert, wo die neuerliche Aggression Russlands gegen ein anderes europäisches Land in besonders grausamer und blutiger Form erfolgt, aber zum Glück doch etliches weiter weg als die einstigen Invasionen in unmittelbare Nachbarländer Österreichs. Man kann daher vieles an Alexander van der Bellen kritisieren, aber nicht, dass er einen Besuch in der Ukraine gemacht hat. Und man kann schon gar nicht behaupten, dadurch würde die Neutralität "ignoriert". Dies fällt umso mehr auf, als es gerade die Freiheitlichen waren, die 1956 und 1968 besonders deutlich und scharf die Aggression der Sowjetrussen verurteilt haben. Was mag nur diese Positionsänderung ausgelöst haben?
Diese Linie der FPÖ wird gleichzeitig durch jene Berichte in ein übles Licht gerückt, die von Beweisen sprechen, dass ein schon seit längerem durch besonders russlandfreundliche Agitation auffallender FPÖ-Abgeordneter Geld von russischen Agenten angenommen habe. Schlimm daran ist aber vor allem die Reaktion der FPÖ-Führung. Denn diese sagt einfach: "Das stimmt nicht", statt das einzig Richtige und Anständige zu tun, nämlich in etwa zu erklären: "Wir halten diese angeblichen Beweise zwar für Unsinn, aber wir werden sie eingehend prüfen lassen und strenge Konsequenzen ziehen, falls sich ein Abgeordneter von Russland schmieren hat lassen." Jede andere Reaktion kann nur als Bestätigung der Vorwürfe interpretiert werden.
Das alles fällt auch blöderweise zusammen mit einer gemeinsamen Kranzniederlegung zum Stalingrad-Gedenken durch einen Spitzenmann der deutschen Bruderpartei AfD und den russischen Botschafter, der gleichzeitig die dort gefallenen deutschen Soldaten als "Faschisten" beschimpft. Das trifft besonders viele österreichische Familien, die dort Angehörige verloren haben, die ganz und gar nicht freiwillig oder aus "faschistischer" Gesinnung nach Stalingrad gegangen sind.