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Zum zweiten Mal seit ihrer Gründung hat die Freiheitliche Partei Österreichs einen historischen Höhepunkt erreicht: Sie liegt bei allen Umfragen wieder wie zur Jahrtausendwende bei rund 27 Prozent Wählerunterstützung, manchmal sogar ein oder zwei Punkte darüber. Sie ist damals danach allerdings tief abgestürzt – teils aus eigenem Verschulden, teils als Folge raffinierter Intrigen ihrer linken Gegner. Jetzt hat sie den damaligen Wert überschritten und liegt überhaupt zum ersten Mal in ihrer Geschichte an erster Stelle des Parteienspektrums. Was macht die FPÖ richtig? Was ist problematisch an ihrem Aufstieg? Und wie unterscheidet sie sich von der "Alternative für Deutschland", mit der sie ja in vielen Analysen als "rechtspopulistisch" gleichgesetzt wird?
In der Eigensicht ist die FPÖ natürlich nicht "rechtspopulistisch" oder gar "rechtsextem", wie sie etwa von den Grünen denunziert wird, sondern "nationalliberal". Der Versuch einer objektiven Bewertung führt wohl eher zum Adjektiv "nationalkonservativ". Denn die Partei hat seit ihrem ersten Höhepunkt unter Jörg Haider eine deutliche Wandlung durchgemacht. Wirtschaftsliberale Elemente sind heute kaum noch wahrnehmbar, dafür hat die FPÖ viele gesellschaftspolitisch konservative Positionen etwa zu Familie, Homosexualität, Feminismus oder Heimat besetzt, die früher Reservat der ÖVP gewesen, aber dort an den Rand geraten sind (auch wenn diese Werte unter Sebastian Kurz 2016 bis 2021 zum Teil eine Renaissance erfahren und prompt der ÖVP ein markantes Zwischenhoch beschert haben).
Auch "national" bedeutet heute in der FPÖ etwas ganz anderes: Unter Jörg Haider hat dieses Wort "deutschnational", ein Bekenntnis zu einer gesamtdeutschen Kulturnation gemeint. Dieses Bekenntnis war bei Haider auch immer wieder mit Signalen an die ehemaligen NS-Mitläufer verbunden. Auf solche Signale wurden in der Nachfolge Haiders unter H.C. Strache und Herbert Kickl hingegen weitestgehend verzichtet. Beide haben erkannt, dass die "Ehemaligen" schon rein demographisch keine relevante Größe mehr sind. Heute heißt "national" bei der FPÖ eindeutig österreichisch-national, was Strache durch demonstratives Schwenken der österreichischen Fahne betont, aber auch Kickl nicht mehr geändert hat.
Das Nationale in der FPÖ äußert sich heute vor allem in Kritik an der illegalen Migration und Islamisierung. Damit hat sie eindeutig ein Thema besetzt, das für die Österreicher zentral geworden ist. Aus gutem Grund: Gibt es doch im Verhältnis zur Einwohnergröße kein Land, in dem so viele Asylanträge gestellt werden wie in Österreich. Dieses Faktum wird dadurch relativiert, dass etliche Antragsteller bald wieder verschwunden und – mutmaßlich nach Deutschland – weitergezogen sind. Aber dennoch ist das Migrationsthema dominant: Mehr als ein Viertel der österreichischen Einwohnerschaft sind heute Menschen mit Migrationshintergrund; ihre Zahl ist binnen acht Jahren von 1,8 auf 2,3 Millionen gestiegen. Was von der Kriminalität bis zum Wohnungsmangel massive Probleme macht.
Unter Kurz hat auch die ÖVP das Migrationsthema sehr stark besetzt und damit die FPÖ geschwächt. Allerdings hat Kurz den historischen Fehler begangen, 2019 von der FPÖ zu den Grünen als Koalitionspartner zu wechseln. Seither verliert die ÖVP wieder rasch an Glaubwürdigkeit in Sachen Asylantenabwehr. Denn mit den Grünen war in dieser Hinsicht keine einzige konkrete Maßnahme durchsetzbar. Fast jede Abschiebung illegaler Migranten droht zu einer schwarz-grünen Koalitionskrise zu führen.
Das alles nützt der FPÖ ungemein. Daher hat sie auch rasch den Tiefpunkt 2019 überwinden können, den damals das Ibiza-Video ausgelöst hat, das Kurz zur leichtfertigen Aufgabe der schwarz-blauen Koalition gebracht hatte. Jenes Video war von bis heute unbekannten Hintermännern aus den linken Biotopen beauftragt worden. Es hat Parteiobmann Strache bei alkoholisiertem Gerede gezeigt, in dem er seine Bereitschaft zu korruptem Verhalten signalisiert. Jedoch konnte ihm strafrechtlich daraus kein Strick gedreht werden, so sehr sich linke Staatsanwälte auch in mehreren Verfahren darum bemühten.
Es gelang ihnen hingegen, durch – grundrechtlich sehr problematische – Beschlagnahme zahlloser Handydaten strafrechtlich relevante Beweise gegen zwei Personen im Dunstkreis der ÖVP zu finden, gegen die ehemalige Ministerin Karmasin (aus der Vor-Kurz-Zeit) und den Spitzenbeamten Thomas Schmid. Es gelang ihnen aber darüber hinaus, auch den ÖVP-Bundeskanzler Kurz zu stürzen. Die Beweise gegen ihn fehlen zwar weitgehend, aber die ideologisch durch Hass auf FPÖ wie ÖVP motivierten Staatsanwälte ließen dennoch von ihren Vorwürfen nicht ab und konnten Kurz dadurch erledigen, dass sie dann auch einen strafrechtlich eigentlich völlig irrelevanten "Chat" an die Öffentlichkeit spielten, in dem Kurz für seinen Vorgänger als ÖVP-Chef ein deftiges Schimpfwort verwendet hatte. Sein Nachfolger Karl Nehammer an der Spitze von Partei und Regierung ist zwar als eifrig und bemüht zu charakterisieren. Ihm fehlt aber völlig das Charisma von Kurz. Und gleichzeitig ist er durch die von Kurz geschaffene Koalition mit den Grünen politisch weitgehend gelähmt.
Gleichzeitig gelang es der FPÖ, zusammen mit den Linksparteien einen langwierigen Parlamentsausschuss zu organisieren, der in Nachfolge zu Ibiza ständig Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP an die Öffentlichkeit trug. Auch wenn diese Vorwürfe weitestgehend beweisfrei waren, wurden sie zum weiteren großen Wahlhelfer der FPÖ: Sie verunsicherten viele ÖVP-Wähler. Strategisch ging die Kalkulation der dabei eigentlich federführenden Linksparteien jedoch völlig in die Hose: Sie konnten keine Wähler dazugewinnen und machten die FPÖ zum einzigen Profiteur des ÖVP-Beschusses. Diese gewann bei den jüngsten Niederösterreich-Wahlen mehr dazu, als die ÖVP verlor. Rechte Wähler gehen nun mal nicht zu einer Linkspartei, auch wenn es mit Hilfe der Justiz gelingt, eine Rechtspartei madig zu machen.
Neben den drei zentralen Themen – zu denen neben Migration und Korruption noch die blühende Inflation gehört – besetzt die FPÖ noch drei weitere scheinbare Rand-Ecken, die von den anderen ignoriert werden, die aber jeweils bei einer Minderheit ziehen: Das ist, erstens, eine prorussische Haltung zum Ukraine-Konflikt (wobei die österreichische Neutralität als Argument benutzt wird), das ist, zweitens, Kritik an vielen EU-Aspekten und das war, drittens, die Pandemie, wo sich die FPÖ an die Spitze der Corona-Leugner und Impfgegner gestellt hatte.
Diese drei Positionierungen – sofern sie nicht noch elegant entsorgt werden – machen es freilich fast unmöglich, dass die FPÖ einen Koalitionspartner findet, sollte ihr Hoch bis zur 2024 fälligen Wahl anhalten.
Zusätzlich macht sich die FPÖ auch taktisch das Leben für die Zukunft schwer: Denn im Unterschied zur AfD, die (wie früher auch die FPÖ) von den anderen Parteien ausgegrenzt wird, grenzt sich heute Kickl selbst aus. Er schließt eine Koalition mit der ÖVP aus, also mit jener Partei, die in den letzten 30 Jahren als einzige sogar zweimal bereit gewesen ist, mit der FPÖ zu regieren, während die von Kickl präferierte SPÖ, die vor 40 Jahren ein einziges Mal mit dr FPÖ kooperiert hat,in ihrer großen Mehrheit keinesfalls dazu bereit sein dürfte.
In Summe: Noch nie waren die Chancen der FPÖ so gut – aber noch nie sind sie von ihr selbst so gezielt zertrümmert worden.
Dieser Text ist in ähnlicher Form in der Wochenzeitung "Junge Freiheit" erschienen.