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Erdbeben: Schuld ist bei Menschen zu finden, nicht bei Allah

Nein, Allah hat ihnen nicht geholfen, obwohl viele Menschen in den vom großen Erdbeben betroffenen Gebieten besonders streng islamisch orientiert sind. Nein, bisher hat überraschenderweise noch niemand behauptet, dass die globale Erwärmung an der Katastrophe schuld sei (obwohl man das normalerweise seit Jahren nach jeder Naturkatastrophe hört). Und: Ja, so wenig Menschen etwas für Naturkatastrophen können, so eindeutig ist doch, dass aus menschlichem Verschulden das Ausmaß der Bebenfolgen besonders schlimm ist. Und zwar gleich aus mehrfachem Verschulden, das ganz klare und identifizierbare Namen hat. Vor allem den des türkischen Staatspräsidenten.

Es gibt fast keinen schlimmeren Tod, als stunden- oder tagelang hilflos und bei Minusgraden unter einem eingestürzten Haus eingeklemmt zu sein und dann letztlich zu verrecken. Das Leiden kann da oft noch länger dauern als unter einer der hierzulande leider allzu gut bekannten Lawinen. Daher ist es gut, richtig und eindrucksvoll, wie sehr fast aus aller Welt Hilfs-Angebote und -Lieferungen Richtung Türkei und Syrien gehen. Auch wenn kaum welche davon rechtzeitig eintreffen, um noch Lebende zu finden, so ist doch auch in der Nachbetreuung immens viel Hilfe notwendig. Für die Verletzten, für die Traumatisierten, für die über Nacht Verwaisten, für die im Winter (Er-)Frierenden, für die plötzlich Wohnungslosen.

Das führt uns aber sehr rasch zur Frage, ob es rund um das Erbeben auch menschliches Verschulden gibt.

Dabei ist der erste Punkt vorerst nur ein hypothetischer: So lobenswert (und menschlich eigentlich selbstverständlich) die Hilfsbereitschaft auch aus Israel und Griechenland ist, so zweifelhaft ist es, ob die Türkei den darbenden Menschen im Südosten Hilfspakete wirklich zukommen lassen wird, auf denen in irgendeiner Form steht: "With all our wishes in good neigbourhood from Greece"; zu groß dürfte der – von Machthaber Erdogan in letzter Zeit sogar noch besonders geschürte – Hass auf Griechenland sein, als dass das Wirklichkeit werden könnte.

Genauso unwahrscheinlich ist, dass die syrischen Islamisten, die seit längerem die besonders schwer getroffene Enklave um Idlib und die dort hausenden rund drei Millionen Menschen kontrollieren, diesen Hilfspakete zukommen lassen, auf denen Israel in irgendeiner Weise als Absender erkennbar ist.

Das sind zwar vorerst nur theoretische Befürchtungen. Sehr real sind aber die vielen Verbrechen im Syrienkrieg der letzten Jahre. Dessen Folgen machen jede Hilfsaktion dreifach schwierig oder gar unmöglich. Die Hauptschuldigen an diesen Verbrechen, in einer verkürzten, jedoch durchaus wertenden Auflistung:

  1. Da ist an der Spitze die erbarmungslose und brutale Assad-Diktatur in Syrien zu nennen, die den verzweifelten Aufstand der nach Freiheit lechzenden syrischen Bürger provoziert hat. Die aber offenbar bis zum letzten Syrer zu kämpfen gewillt ist.
  2. Da ist in gleicher Weise das unheilvolle Wirken fundamentalistischer Moslemgruppen als Plage der Syrer zu nennen, die als "Islamischer Staat" besonders grauenvolle Verbrechen begangen haben; diese Gruppen halten seit Jahren die vom Erdbeben besonders betroffene Region rund um die Stadt Idlib. An der Schwere ihrer Verbrechen wird dadurch nichts gemildert, dass sie auch gegen Assad stehen.
  3. Zu den Schuldigen gehören auch die vielen, großteils in Europa unbekannten Financiers dieser Islamisten, die meist reiche Privatleute in der islamischen, vor allem arabischen Welt sein dürften, aber für die nach mehreren Anzeichen auch in europäischen Moscheen gesammelt werden dürfte.
  4. Dazu gehört die zynische Einmischung des Iran, Russlands und der Türkei in den syrischen Bürgerkrieg; sie alle haben dort eindeutig imperialistische Hegemonieziele verfolgt; hingegen hat kein einziger von ihnen jemals an die Menschen Syriens gedacht.
    • So wollte und will sich der Iran als oberster islamischer Scharfmacher in der Auseinandersetzung mit Israel profilieren; er wollte und will eine Landbrücke zu den von Teheran finanzierten terroristischen Hisbollah-Milizen im Südlibanon herstellen und Syrien endgültig zu einem Satelliten degradieren.
    • So wollte und will Russland Machthaber Assad als einzigen Freund im Nahen Osten an der Macht halten und den russischen Stützpunkt im Mittelmeer absichern.
    • So hat sich die Türkei im Grenzgebiet zu Syrien zynisch territoriale Eroberungen einverleibt; ein dem russischen Verhalten in der Ukraine ähnelndes Verbrechen; sie versuchen das mit dem Kampf gegen die verhassten Kurden zu legitimieren, die seit Jahrzenten im Raum zwischen Syrien, Irak, Iran und der Türkei um die eigene Identität ringen.
  5. Da sind, wenn auch erst an vorletzter Stelle die US-Amerikaner zu nennen, die ihre Truppen abgezogen haben, womit sie das einzig positive und stabilisierende Element im ganzen Raum, also die Kurden, zynisch im Stich gelassen haben, denen sie davor in verdienstvoller Weise bei der Befreiung von Christen und Jesiden, bei der Niederschlagung des "Islamischen Staates" und beim Aufbau einer geordneten staatlichen Struktur geholfen haben; dabei ist das Kurdengebiet unter allen islamischen Gebieten dieses Raumes jenes, das einem zivilisierten Rechtsstaat am nächsten kommt.
  6. Und da sind an letzter Stelle die Europäer, vor allem die Franzosen zu nennen. Auch  bei ihnen ist ein – wenn auch kleinerer – Teil der Schuld zu suchen. Denn sie haben zuerst die Freiheitsbestrebungen in Syrien unterstützt, sich dann aber abgewendet, als die Dinge zu mühsam und unübersichtlich wurden. Hauptschuld der EU-Europäer: Sie begreifen bis heute nicht den Zusammenhang all dieser syrischen Vorgänge mit der Europa so massiv bedrohenden Migrationswelle.

All die Genannten sind daran schuld, dass die Strukturen in den syrischen Katastrophengebieten so schlimm sind, dass sehr oft keine Hilfe durchkommt.

Dazu kommt ein überaus bedenklicher Faktor, der vorerst aber nur aus den Fernsehbildern erkennbar ist: Auf diesen sieht man praktisch nur Männer!

  • Was ist mit den dort lebenden Frauen?
  • Sind sie auch während und nach der Katastrophe eingesperrt geblieben - vielleicht weil sie nicht rechtzeitig in die islamische Zwangskleidung schlüpfen konnten?
  • Oder liegt die Ursache dieser verstörenden Bilder "nur" darin, dass die dortigen Kameraleute den Auftrag hatten, nur Männer bei der Suche nach Überlebenden zu zeigen?

Ein ganz anderer, in den hiesigen Medien noch völlig unbeachtet gebliebener Aspekt bezieht sich auf die Häuser. Da ist offenbar kein einziges erdbebensicher gebaut. Das kann nicht einfach damit erklärt werden, dass das letzte große Beben dieser Art in jenem Raum mehr als hundert Jahre zurückliegt und man ihren Zustand daher nicht als so wichtig ansehen musste. Denn allein in der syrischen Stadt Aleppo sind allein im letzten Monat vor dem Beben 13 Menschen beim Einsturz von Häusern umgekommen. Also weiß man offensichtlich schon länger  sehr gut, wie fragil die dortigen Häuser sind.

In der EU gibt es seit langem strenge Vorschriften auch für scheinbar erdbebensichere Regionen in Bezug auf die Erdbebensicherheit von Gebäuden (bei allem Tadel an der EU vergisst man auch dort, wo es angebracht wäre, oft auf das Lob). Aber auch die Türkei – von wo ja jetzt der Großteil der Schäden berichtet wird – hat an sich schon lange solche Vorschriften. Nur sind sie dort nie sonderlich beachtet worden.

Damit kommen wir zum nächsten großen Skandal (der fast genauso schwer wiegt wie die vielfache Schuld am Krieg): Der türkische Machthaber Erdogan hat vor der Wahl 2018 alle Errichter nicht genehmigter Häuser, die damit auch nicht der Erdbebensicherheit entsprechen, einfach amnestiert! Damals sind fast 9 Millionen solcher Amnestieanträge bei den Behörden eingegangen!

Man kann zwar nicht sagen, wie viele Türken als direkte Folge dieser Wählerbestechung jetzt umgekommen sind. Aber zweifellos sind es viele.

In Hinblick auf diesen Skandal bleibt lediglich eine politische Frage offen: Wieweit kann Erdogan verhindern, dass vor den heuer im Juni neuerlich bevorstehenden Wahlen dieser Amnestieskandal zum großen türkischen Thema wird?

Wie sehr er davor Angst haben muss, sieht man schon daran, dass in den letzten Stunden türkische Autoren von Internet-Kommentaren verhaftet worden sind. In diesen Kommentaren ging es offenbar nur darum, dass die Hilfsmannschaften zur Befreiung von Menschen aus den Trümmern nicht oder nicht rechtzeitig eingetroffen sind, was für etliche Verschüttete wohl den Tod bedeutet hat. Der Amnestieskandal kann sich aber für Erdogan noch viel katastrophaler auswirken.

Denn selten ist bei einem Erdbeben – auch wenn sein Eintreten trotz aller Fortschritte der Wissenschaft nicht vorausgesagt werden kann – die Schuld eines Mannes an vielen Toten so eindeutig und klar festmachbar.

Gelingt es Erdogan hingegen, diese Schuld unter den Tisch zu kehren, so ist endgültig klar: Die Türkei ist eine lupenreine Diktatur. Und es ist moralisch absolut unerträglich, sich mit ihr zu verbünden.

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