Sowohl bei den linken, FPÖ- und ÖVP-hassenden "Experten" und Medien, wie auch bei ÖVP und FPÖ selber haben sich schon in den ersten Stunden nach der niederösterreichischen Wahl die nächsten Dummheiten gezeigt, welche die Hoffnung schwinden lassen, dass die massive Botschaft der Wähler etwas Positives für Republik oder Bundesland auslöst.
Der Reihe nach:
FPÖ-Fehler
Der Fehler der Freiheitlichen war ganz eindeutig die öffentliche Festlegung, keinesfalls Johanna Mikl-Leitner zum Landeshauptmann zu wählen, also keine Koalition mit der ÖVP einzugehen.
Das ist aus mehreren Gründen ein schwerer strategischer Fehler:
- Denn damit verwandeln sie ihre eigene Ausgrenzung durch die anderen Parteien (bei den Linksparteien immer und sehr emotional als oberstes Glaubensbekenntnis für jeden, der ein strammer Linker sein will, und bei der Volkspartei zeitweise – unterbrochen durch die schwarz-blauen Regierungen Schüssel und Kurz, beziehungsweise die gut funktionierende Kooperation in Oberösterreich) in eine freiwillige Selbstausgrenzung. Damit begeht die FPÖ genau jenen Fehler selber, der ihr bisher Sympathien wegen der unfairen Denunziation durch die Linke gebracht hatte. Bisher konnten die Freiheitlichen immer sagen: "Die anderen lassen uns ja nicht"; jetzt jedoch können die anderen mit Fug und Recht sagen: "Die wollen ja gar nicht."
- Auch die Ausrede, dass man ja nur die Einzelperson Mikl-Leitner ablehne und ausgrenze, ist selbstbeschädigend. Denn auch damit tut die FPÖ selber genau das, was die ÖVP 2019 getan hat, was damals zum Bruch von Schwarz-Blau geführt hatte. Damals hat die ÖVP gesagt: "Wir könnten ja schon mit den Freiheitlichen weiterregieren, aber nicht mit Herbert Kickl als Innenminister." Das hat die FPÖ verständlicherweise abgelehnt. Jetzt jedoch sendet sie die Botschaft aus: "Wir würden schon mit der ÖVP können, aber nicht mit Mikl-Leitner als Landeshauptfrau." Dabei bedeutet seit langem fairer Umgang zwischen potentiellen Koalitionsparteien ganz eindeutig, dass man sich die Exponenten der Gegenseite nicht aussuchen kann – noch dazu, da es dafür weder bei Kickl 2019 noch bei Mikl-Leitner 2023 einen objektiven Grund gegeben hat, außer einem kindischen: "Nein, mit dem, nein, mit der will ich nicht spielen."
- Damit haben sich die Freiheitlichen selbst ihre schon oft verwendete Lieblingsargumentation genommen: "Die beiden Altparteien, die beiden Wahlverlierer ketten sich aneinander, klammern an der Macht." Jetzt können Schwarz und Rot zu Recht sagen: "Wir müssen ja aus Verantwortungsbewusstsein kooperieren, weil sonst das Bundesland unregierbar ist." Eine weitere Alternative gibt es nämlich nicht. Denn ein Zusammengehen von Schwarz mit Grün und Pink hätte – ganz abgesehen von den politischen Inhalten und der Problematik eines Dreierbündnisses – nur im Landtag, aber wegen der Schwäche der beiden Kleinparteien nicht in der Landesregierung eine Mehrheit. Sie ist daher auszuschließen.
- Das lässt die Frage entstehen: Wollen die Freiheitlichen also auf ewig oppositionelle Protestpartei bleiben, die nie für etwas Verantwortung trägt? Damit lebt es sich zwar sehr bequem, weil man ja bei jedem einzelnen Problem anderen die Schuld zuschieben kann, weil man damit die FPÖ-internen Krisen und Machtkämpfe weitgehend verhindern kann (wie Strache vs. Haider, wie Kickl vs. Strache), die immer dann ausgebrochen sind – oder knapp danach –, wenn die FPÖ in der Regierung gewesen ist. Damit gibt man in Wahrheit aber das Selbstverständnis einer Partei auf, die doch eigentlich dazu da sein sollte, um zu gestalten und nicht nur immer dumpf zu schimpfen.
- Oder will die Partei warten, bis sie die absolute Mehrheit errungen hat? Das wäre ziemlich realitätsfremd bei einer Partei, die österreichweit nie über 27 Prozent hinausgekommen ist und auch regional mit Ausnahme der Haider-Jahre in Kärnten nie über 30 Prozent. Viel wahrscheinlicher ist, dass sich beim ewigen Warten auf Godot die Wählerschaft wieder gelangweilt verläuft …
"Experten"- und Medien-Fehldiagnosen
Mindestens genauso fassungslos machen die Erklärversuche von "Experten" und Mainstreammedien, die wie gleichgeschaltet behaupten, die ÖVP habe nur deshalb so schwer verloren, weil sie mit der Betonung des Migrationsthemas Propaganda für die FP-Inhalte gemacht hätte. Daran ist absolut nichts richtig.
- Denn es ist grenzenlos naiv zu glauben, die Österreicher wären nicht jedenfalls entsetzt und empört über den Asylantenansturm, nachdem dieser (ohne Einberechnung der Ukrainer!) im Vorjahr den absoluten Höchstwert seit Weltkriegsende erreicht hat, also auch weit über dem bisherigen Katastrophenjahr 2015 liegt, das die politischen Verhältnisse in ganz Europa durcheinandergewirbelt hatte.
- Denn es ist eine Zumutung an die Intelligenz der Österreicher, dass sie davon erst durch die ÖVP erfahren haben sollten (die das Thema ohnedies nur relativ zaghaft angegangen ist).
- Denn wäre diese Argumentation der "Experten" richtig, dann hätten Rot, Grün und Pink massiv gewinnen müssen, statt in Summe klar zu verlieren, die von allem geredet haben, nur nicht vom Asylantenansturm (und ebenso hätten die Mainstreammedien, die seit langem eine ähnliche Verschweige- und Beschwichtigungstaktik versuchen, Leser und Seher gewonnen, statt diese zu verlieren).
- Denn das wahre Problem der ÖVP (neben den ohnedies fast unvermeidlichen negativen Auswirkungen von Inflation und Energieknappheit auf die größte Regierungspartei) ist ganz eindeutig, dass sie das Asylthema zu wenig im Fokus hatte. Hat sie doch in diesem Bereich gegen den grünen Koalitionspartner keinen einzigen zielführenden Beschluss durchgebracht.
- Denn sie hat es – auch wegen der Feindschaft von ORF & Co – nicht einmal geschafft, ihre zaghaften, aber im Prinzip richtigen Migrationsinitiativen den Österreichern zu erklären. Das war die (relativ erfolgreiche) gemeinsame Initiative mit Ungarn, um Serbien zu einer Änderung seiner Visapolitik zu bewegen. Und das war das (bisher völlig erfolglose) Schengen-Veto gegen Rumänien und Bulgarien, um die EU zu einer besseren Grenzsicherung zu bringen.
- Denn die ÖVP hat in ihrer allzu unkritischen EU-Treue in Brüssel viel zu wenig Druck in Richtung auf kollektive Abschiebungen, etwa nach dem dänisch-britischen Ruanda-Modell, gemacht. Zumindest war ein solcher für die Wähler bisher kaum erkenntlich – vielleicht auch deshalb, weil der angekündigte "EU-Gipfel" zu diesem Thema noch gar nicht stattgefunden hat. Die ÖVP hat überhaupt nicht vermitteln können, dass insbesondere die in Deutschland, Spanien und Luxemburg regierenden Linksparteien auf der (einzig entscheidenden) EU-Ebene jeden Schritt Richtung Asylantenbremse sabotieren. Was natürlich auch mit der EU- und migrations-begeisterten Linie fast aller Medien (und insbesondere deren Brüssel-Korrespondenten) zusammenhängt.
- Denn sie hat über den Innenminister auch noch die undankbare Aufgabe gehabt, die innerösterreichische Asylantenumverteilung zu organisieren (Stichworte: Zelte).
Es gehört schon ein großes Ausmaß manipulativer Chuzpe der Medien dazu, der ÖVP statt der eindeutig zu geringen und zu zaghaften Konzentration auf das Asylantenthema eine zu starke Aufmerksamkeit als Grund der Niederlage vorzuhalten. Das Problem ist da. Es ist bekannt. Es ist riesig. Und wer beschwichtigt oder es unter den Tisch kehrt, hat schon verloren.
ÖVP-Fehler
Das führt nahtlos zu den Reaktionen der ÖVP selber. Bei diesen ist zwar richtig – und nach einer Wahlniederlage in Abkehr von der ÖVP-Tradition –, dass nach dem Wahlsonntag weder in Niederösterreich noch auf Bundesebene gleich wieder eine Personaldebatte ausgebrochen ist. Gibt es doch kaum sich aufdrängende Alternativen zu den gegenwärtigen Chefs. Und liegt das Problem doch nicht an den Köpfen, sondern an den Inhalten der ÖVP-Politik.
Bei den Inhalten liegt man aber auch weiterhin sehr falsch. Es gibt, wie schon angesprochen, keine kraftvollen Bemühungen um eine effiziente EU-Abschiebepolitik. Es gibt keine mutige rechtsstaatliche Initiative gegen die massiven Rechtsbeugungen durch die WKStA und vor allem gegen den größten Korruptions-Eiterherd im Lande, das Imperium der Gemeinde Wien. Es gibt keine Initiative zur langfristigen Sicherung der Pensionen. Eine solche wäre zwar nicht unmittelbar wählerwirksam, aber doch ein kraftvolles Zeichen, dass sich die ÖVP endlich wieder mutig auch unangenehmen Problemen stellt (ähnlich wie Wolfgang Schüssel dadurch zum großen Staatsmann geworden ist).
Die einzig wahrnehmbare Reaktion von ÖVP-Chef Karl Nehammer auf die Wahlniederlage wäre bestenfalls dann logisch gewesen, wenn die SPÖ mit ihren stündlichen Schreien nach Teuerungsbremsen Wahlsieger geworden wäre. Diese hat aber ähnlich desaströs abgeschnitten. Dennoch sieht Nehammer die einzige Antwort auf die Schlappe darin, dass die ÖVP die in Summe 30 Milliarden schweren Hilfen der Regierung gegen die Teuerung besser verkaufen müsse. Dabei machen sich unter den ÖVP-Wählern viele primär Sorgen über die dadurch ausgelöste zusätzliche Verschuldung. Denn sie wissen, dass die richtige Antwort auf eine globale Energieknappheit nicht in ständig noch mehr schuldenfinanzierten Hilfen besteht, sondern im zügigen Ausbau von mehr Energieangeboten. Die es ja mit den großen Erdgasreserven unter dem Boden Niederösterreichs auch gäbe. Und die man auch – wenn man ganz mutig wäre – in der Atomkraft finden könnte.
Einen weiteren Fehler, der sich am Wahltag negativ für sie ausgewirkt hat, hat die ÖVP schon vor einem Jahr begangen: Sie hat zugestimmt, dass die (vor allem Wiener) Besitzer von Zweitwohnsitzen in Niederösterreich dort nicht mehr wählen dürfen. Auch wenn sie dort ihre ganze emotionale Heimat sehen. Deren Stimmen fehlen der ÖVP weit mehr als den anderen größeren Parteien.
Das hat die SPÖ durch einen geschickten Schachzug in die Wege geleitet: nämlich durch die Einführung des Kurzparkpickerls in Wien. Damit hat sie die Menschen mit doppeltem Wohnsitz geradezu gezwungen, sich als Wiener zu deklarieren, da sie sonst kein solches Pickerl erhalten hätten.
Erstaunlicherweise hat auch dieser Aspekt in die Wahl-"Analysen" der "Experten" und Mainstreammedien keinen Einzug gehalten. Dort war es nur erlaubt, solche "Fehler" der ÖVP zu nennen, die in einem angeblichen "Zu wenig links" bestanden haben. Das ist bei einer Wahl ziemlich skurril, die einen leichten Rechts-, und mit Sicherheit keinen Linksruck gebracht hat.
PS: Ob das Obmannabschießen bei der niederösterreichischen SPÖ zu den Dummheiten zählt, wage ich mangels näherer Kenntnis des Nachfolgers noch nicht zu beurteilen. Schwer ist es aber, alle Scherze darüber zu unterdrücken, dass der neue Chef der perspektivlos gewordenen NÖ-Sozialdemokraten ausgerechnet aus dem AMS kommt, wo man sich normalerweise um perspektivlos gewordene Mitbürger kümmert, die trotz zahlloser Stellenangebote keinen Platz im Leben finden und lieber von der Arbeitslosenunterstützung leben wollen. Jede Ähnlichkeit mit existierenden Parteien ist rein zufällig. Eindeutig ist es aber, dass der niederösterreichische Wechsel dazu dient, die Bundesparteichefin aus der Schusslinie zu halten …
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