Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung.
Was steckt hinter den zwei großen Medienaufregern der letzten Tage? Der eine ist der Fall des offensichtlich mit dem Strafgesetz in Konflikt gekommenen Schauspielers Teichtmeister. Und der zweite ist der Fall der tief zerstrittenen Familie Windsor. Beide Fälle sind freilich aus ganz anderen Gründen ärgerlich als jene, die die Medien beschäftigt haben. Beide Fälle sagen viel über die Gesellschaft, über eine unsaubere Rolle der Medien und über den von ihnen bedienten Voyeurismus aus, der den mittelalterlichen Pranger im Vergleich geradezu als Einrichtung der Diskretion erscheinen lässt. Es geht um Rache und viel Geld, es geht aber in einem Fall auch um eine neue ungeheuerliche Beobachtung zur österreichischen Staatsanwaltschaft.
Beginnen wir mit der englischen Königsfamilie, den Windsors. Das einzig "Sensationelle" an ihr, das weltweit Millionen, wenn nicht Milliarden Menschen brennend interessiert, und das die Medien nicht ganz uneigennützig bedienen, ist die Information: Auch in dieser Familie geht es genauso zu wie in den allermeisten anderen Familien. Das überrascht offenbar viele: Zwei viele Jahre anscheinend einträchtig miteinander spielende Brüder zerkrachen sich eines späteren Tages. Man kann fast fragen, in welchen Familien das nicht passiert. Das hat zwei Gründe:
Während in diesem Familienzwist anfangs die Sympathien der Briten durchaus verteilt waren, haben Prinz Harry und seine Frau Meghan jetzt jegliche Unterstützung in der Bevölkerung verloren. Denn inzwischen ist klar, dass Harry aus seinem Familienzwist ein beinhartes Geschäft schlägt. Das bringt ihm allgemeine Verachtung ein. Die Sensationsauflage seines Buches mit pikanten G'schichterln aus dem Palastleben und die Einschaltquoten seiner zahllosen Fernsehinterviews sind in keiner Weise ein Zeichen jener Unterstützung für ihn, auf die er noch immer hofft.
Sie bestätigen vielmehr eine verbreitete Einstellung, die schon vor 2000 Jahren der römische Kaiser Augustus – möglicherweise als Erster – formuliert hat: "Ich liebe den Verrat, hasse aber den Verräter." Harry hat eindeutig um des Geldes willen, das er für sein durchaus luxuriöses Leben in Kalifornien braucht, ein Enthüllungsbuch über seine Familie geschrieben, das wir Voyeure zwar vielleicht gerne lesen, das aber ihm selber wirklich nur Verachtung einbringen kann. Und das nicht einmal wirklich Wichtiges zu enthüllen vermag.
Mit diesem Familienzank auf tiefem Niveau verdienen die Medien vor allem beim weiblichen Publikum viel Geld. Der Zank tobte ja in jener Familie, die als einzige nach den Habsburgern des 16. Jahrhunderts einem Reich vorgestanden ist, in dem die Sonne nicht untergegangen ist. Der große Unterschied: Pikantes aus dem Familienleben der Habsburger ist nie deshalb hinausgegangen, weil einer der Familie selbst damit Geld durch den medialen Voyeurismus verdienen wollte, sondern weil Kammerdiener und Ähnliches nicht verschwiegen sein konnten.
Das Verhalten des exhibitionistischen britischen Prinzen erinnert lebhaft an Maler und andere Künstler, die spätestens seit hundert Jahren genau wissen: Ihr Marktwert ist weniger von der Qualität ihrer Bilder abhängig, sondern von der Zahl der Skandale, die mit ihrem Namen verbunden sind. Genauer: von der Zahl der Berichte darüber. Nur: Von einem potentiellen König und seiner Frau erwartet man eigentlich ein total anderes Benehmen als von einem Künstler, den die meisten Menschen a priori der halbseidenen Welt zuordnen.
Das Ganze wird dennoch bald als Schnurre in die Geschichte zurücksinken – es sei denn, eine ganz spezifische Katastrophe passiert: nämlich der Tod des älteren Bruders, bevor dieser sein Amt als König antritt. Denn dann würde Harry seinen Anspruch auf den Thron vehement erkämpfen. Es braucht nicht viel Phantasie, dass dann der Konflikt so offen ausbricht, dass in seinem Schwarzen Loch die ganze Monarchie unterzugehen droht.
Vorerst ist Harry hingegen nur ein luxusverwöhnter Mann, der die Unterhosen auszieht, um weiter seinen Lebensstil finanzieren zu können. Und der dazu die daran ebenfalls gut verdienenden Medien und den Voyeurismus der Menschen als Instrumente einsetzt.
Florian Teichtmeister hingegen hat nicht Medien und Voyeurismus instrumentalisiert – er ist vielmehr deren Opfer geworden. Das hat sich erst gewandelt, seit bekannt ist, dass er durch einen als FPÖ-nahe geltenden Anwalt vertreten wird. Die Fakten:
Das Umgehen der Medien mit Teichtmeister wirft jenseits des Themenkreises Kindermissbrauch noch vier sehr grundsätzliche rechtliche beziehungsweise mediale Fragen auf:
Das sind die gleichen Medien, die bei viel schwereren, von viel längerer Strafe sanktionierten Verbrechen nur den Anfangsbuchstaben schreiben oder gar nur das Alter!
Teichtmeister ist zwar ein mehr oder weniger bekannter Schauspieler (gewesen), er ist deshalb auch Objekt des öffentlichen Voyeurismus, sobald es pikant-grausliche G'schichterl über ihn zu erzählen gibt. Aber das kann doch nicht heißen, dass ein Bühnenkasperl auch genauso eine Person eines legitimen öffentlichen Interesses wäre, wie es ein Träger der politischen, juristischen, wirtschaftlichen, religiösen oder medialen Macht ist, wo das Recht der Medien klar ist, mit voller Namensnennung zu berichten. Tatsache ist ja, dass Hunderte Täter wegen des Besitzes von Kinderpornografie verurteilt, aber nirgendwo genannt werden und daher meist auch keine beruflichen Folgen erleiden. Haben doch die Medien selbst bei Verurteilung eines Universitätsprofessors – also eines Mannes mit relativ viel Macht – nur die Initialen berichtet.
Der Rechtsanwalt hat das gewiss deshalb getan, um im Interesse seines Klienten bei dem in wenigen Tagen stattfindenden Prozess eine möglichst milde Strafe zu erreichen. Er hat das wahrscheinlich auch deshalb getan, weil er ahnen musste, dass die Staatsanwälte sowieso wie gehabt die ihnen nahestehenden Journalisten einladen würden. Dass er deshalb die Flucht nach vorne antreten wollte.
Dadurch wird das Ganze aber auch justizpolitisch und medial explosiv: Warum hat man ihn, Burgtheater und Filmproduzenten eineinhalb Jahre geschützt? Wenn die Staatsanwälte schon damals die Information an die Medien durchsickern haben lassen, warum hat es damals durch Staatsanwälte oder Medien vollen Namensschutz gegeben – während man sich jetzt in der gleichen Causas auf den Standpunkt gestellt hat, dass man volles Recht auf Namensnennung habe?
Viele neue wichtige Fragen. Aber von dieser Justiz werden wir wohl auch auf sie keine Antworten bekommen.