Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Die wichtigste Brennstoffzelle einer Gesellschaft

Millionen Ukrainer müssen Weihnachten getrennt feiern, weil der Krieg die Familien zerrissen hat, weil Frauen und Kinder ihr Heim Richtung Ausland oder in andere Landesteile verlassen mussten, weil die Männer ihre Heimat gegen die Angriffe der Putin-Armee verteidigen, die jetzt schon 40.000 Strafgefangene für ihren verbrecherischen Krieg an die Front geschickt haben (da immer weniger Russen freiwillig an Putins Verbrechen beteiligt sein wollen). Das ist auf der einen Seite bewegend, auf der anderen erschreckend. Niemand hätte gedacht, dass Russland, einst schwer blutendes Opfer des nationalsozialistischen Kriegswahnsinns, nun selber zum Täter genau des gleichen Wahnsinns werden könnte. Doch es soll heute nicht um diesen Wahnsinn gehen, sondern um die Familien, um ihr Leiden, aber auch um die bewegende Kraft, die die ukrainischen Soldaten aus dem Wissen schöpfen, dass sie für ihre Familien kämpfen. Um die Erkenntnis, dass Familien immer schon und weit über die Ukraine hinaus die entscheidende Brennstoffzelle jeder menschlichen Gesellschaft sind.

Diese Tatsache ist für alle Familien beglückend und ermutigend. Sie ist freilich umgekehrt bedrückend für jene – hierzulande rasch immer mehr werdenden – Menschen, die ohne Familie leben, die im Alter einsam geworden sind, die in den lustigen Jugendjahren der Babyboomer das Kinderkriegen als belastend angesehen und daher ausgelassen haben.

Die Erkenntnis vom zentralen Wert der Familie, also vom Zusammenleben, vom Sich-zusammengehörig-Fühlen mehrerer Generationen, geht aber auch bei uns immer öfter unter:

  • Weil die Singles vielfach den Ton angeben;
  • weil ein Teil der Linken in Nachfolge von Karl Marx noch immer Verachtung und Hass für die Familie internalisiert hat;
  • weil es krank gewordenen Teilen der Gesellschaft gelungen ist, politmedial die angeblichen Leiden von schwulen und (ebenfalls angeblich) geschlechtslosen Menschen zum zentralen Thema zu machen;
  • aber auch deshalb, weil im ständigen Jammern und Klagen von familienorientierten Verbänden über ökonomische Benachteiligungen psychologisch die viel, viel größere positive Bedeutung der Institution Familie für jeden Einzelnen wie auch die Gesellschaft völlig untergeht.

Deren überragenden Wert sieht man etwa schon darin, dass zwar sowohl Kommunismus als auch Nationalsozialismus und Feminismus und auch Schwulismus die Familie als Hauptfeind angesehen und bekämpft oder zu spalten versucht haben – was ihnen aber dennoch nie gelungen ist. Quer durch die Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme, quer durch die Kontinente und Geschichte waren die Familien ganz im Gegenteil immer der stärkste und am nachhaltigsten wirkende Gegenpol zum Staat und dessen Machtaspirationen (die ja immer nur die Machtaspirationen der herrschenden Clique gewesen sind).

Dort, wo die Familie, wo das Zusammengehörigkeitsgefühl über die Generationen hinweg funktioniert, ist sie auch immer das weit bessere, empathischere und zielgenauere Auffangbecken als der Staat für Familienangehörige, die in Schwierigkeiten welcher Art immer geraten sind. Es war immer schon ein – in Ideologie oder Naivität wurzelnder – Irrglaube, dass der Staat die Funktionen der Familie gleichwertig übernehmen könnte. Er kann vor allem nicht einmal annähernd Liebe, Zuwendung und Kontaktbedürfnis ersetzen. Und sogar die rein finanzielle Seite von Pensions- wie Krankenversicherungssystem, deren Bedeutung an sich durchaus anzuerkennen ist, führt zunehmend zu Überforderungen des Staates. Heute schwindet die Hoffnung rasch, dass man etwa die Pflege aller kranken und behinderten Mitmenschen auf Dauer gegen ein paar Banknoten an Rumäninnen und Slowakinnen abschieben könnte.

Und das staatliche Pensionssystem, mit dem man ab Ende des 19. Jahrhunderts geglaubt hat, eine der Hauptfunktionen des Familienverbandes überflüssig machen zu können, ist inzwischen überhaupt zum weitaus größten finanziellen Problem des Staates geworden. Das ist angesichts der steil gestiegenen Lebenserwartung fast überall so, aber in Österreich ganz besonders mit seinem exzeptionell frühen Pensionsantrittsalter.

Der Glaube an die Problemlösungskapazität der staatlichen Pensionssysteme hat nämlich einen zentralen Aspekt übersehen: Diese funktionieren nur dann, wenn die Familien insgesamt weiter funktionieren – also genau jene Institution, die man in einem Zentralbereich überflüssig machen (oder euphemistisch formuliert: entlasten) wollte. Wenn aber die Familien insgesamt nicht funktionieren, wenn sie keine Kinder mehr, oder viel weniger als zur Erhaltung der Gesellschaft notwendig wären, in die Welt setzen, dann fehlt der staatlichen Pensionsversicherung zunehmend die entscheidende Basis. Nichts anderes verbirgt sich hinter den technischen Formulierungen von der kaputten Bevölkerungspyramide, von einem Sozialsystem, in das immer weniger Menschen einzahlen und immer mehr immer länger herausnehmen wollen.

Das führt zu den Gründen, warum die Kinderanzahl eigentlich so abgenommen hat:

  1. Ganz zweifellos war genau die Sorge um die eigene Altersversorgung ein Hauptgrund, warum Menschen früher genügend Kinder in die Welt gesetzt haben. Scheint die durch das Versprechen das Staates gesichert, so fragen sich heute viele (vor allem, wenn sie die positiven Funktionen von Kindern und Familie nicht spüren): Warum soll ich mir Kinder antun, wenn mich eh die Kinder der anderen im Alter ernähren?
  2. Ein zweiter Faktor – den auch nur zu erwähnen, wird von der Political Correctness allerdings schon wie ein Verbrechen behandelt – ist zweifellos die dramatisch gestiegene Berufstätigkeit von Frauen, und damit ihre immer länger werdende Ausbildungszeit und damit auch das immer spätere Gründen von Familien und damit der Wechsel von einer dominierenden Kinder- zu einer dominierenden Karriere-Orientierung.
  3. Ein dritter Faktor war im 20. Jahrhundert der dramatische Rückgang der Bauernschaft. Damit ist auch das ökonomische Interesse an Kindern als Mitarbeitskraft am Bauernhof weggefallen.
  4. Ein vierter Faktor ist der beengte Lebensraum für Kinder in Städten – in die es aber seit einigen Generationen die Menschen vom Lande zieht.
  5. Und fünfter Faktor ist der Rückgang der Religiosität in vielen Ländern Europas: Diesen Zusammenhang kann man an der größeren, deutlich über dem Durchschnitt liegenden Kinderzahl christlich-religiöser Familien ablesen, aber auch an der noch größeren Kinderzahl von islamischen Eltern.

Wirklich dramatisch sind die Folgen all dieser Faktoren in den letzten 50 Jahren geworden, als durch die Anti-Baby-Pille die Entscheidung für oder gegen Kinder technisch sehr einfach geworden ist.

Diese Folgen scheinen fast irreversibel geworden zu sein. Gegen sie kann nur mit einer Fülle von Maßnahmen angekämpft werden – hoffentlich.

Zu den sinnvollen Maßnahmen zählt aber sicher nicht das ständige Jammern über Benachteiligung der Familien und der nächsten Generation. Es stimmt zwar in mancherlei Hinsicht, dass es diese Benachteiligung gibt – etwa auch bei der wachsenden Staatsverschuldung, insbesondere bei den explodierenden, aber nicht unmittelbar sichtbaren impliziten Schulden für das Pensionssystem. Aber dennoch sollte man vielmehr das ebenso richtige Faktum betonen, dass noch nie so viel für Kinder getan worden ist wie in dieser Generation, von Spielplätzen über den Mutter-Kind-Pass bis zu Gratisschulen.

Noch viel wichtiger ist es, viel stärker die ganz immaterielle Freude durch Kinder für ihre Eltern zu vermitteln. Hingegen erweckt allzu viel Jammern bei jungen Menschen, die vor der Kinderentscheidung stehen, vor allem den völlig falschen Eindruck, dass da etwas Furchtbares auf sie zukomme. Sie bekommen hingegen immer seltener die Freude am Leben, den Sinn im Leben durch Kinder vermittelt.

Ganz sicher wäre es auch sehr sinnvoll, durch eine aktive Familienpolitik sehr bewusste Signale der Ermunterung zu setzen, wie es zumindest in Ungarn seit einigen Jahren durch großzügige Hilfe bei Steuerpflichten, Autokauf oder Wohnungsanschaffung mit etlichen Teilerfolgen getan wird (während bei uns im Gegenteil seit der Ära Kreisky etwa die steuerliche Berücksichtigung von Kindern eliminiert worden ist).

Eine mutige Politik würde auch an das anzuknüpfen versuchen, was einst – neben den anderen erwähnten Faktoren – zu viel kinderreicheren Familien geführt hat: Sie würde jenen Eltern, die Kinder, also die Steuer- und  Pensionsversicherungsfinanzierer der Zukunft, großgezogen haben, als Gegenleistung auch attraktivere Pensionen in Aussicht stellen. Das wäre absolut nicht ungerecht. Haben doch ihre Zeitgenossen, die aus welchen Gründen immer ohne Kinder durchs Leben gezogen sind, viel mehr Zeit und Möglichkeit gehabt, selbst für das eigene Alter vorzusorgen.

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung