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Die Republik und der wertlose Nobelpreis

Was ist schon ein österreichischer Nobelpreisträger gegen die Botschafter von Saudi-Arabien, Ekuador oder Lettland? Für die Republik Österreich und ihren Bundespräsidenten zumindest ist ein Mensch wie Anton Zeilinger jedenfalls solchen Diplomaten gegenüber nur zweitrangig. In diesem Land herrscht noch immer – oder schon wieder? – ein ganz mieses Klassendenken: Oben der Staat und weit unten die Bürger. Die Mächtigen in Staat und Justiz sehen in ihrer unerträglichen Hybris und Abgehobenheit sich selber und sogar noch ausländische Botschafter automatisch als wichtiger an als noch so verdienstvolle Bürger dieses Staates. Dabei besteht ihr ganzes Verdienst im Grund in der Erreichung eines gut bezahlten Beamten- oder Politikerpostens. Wir lernen daraus, dass wir im Grunde noch immer in einem ähnlichen Kastensystem wie in der Monarchie stecken, als bürgerliche oder bäuerliche Menschen ihr Leben lang unweigerlich tief unter dem Olymp der Aristokratie zu vegetieren hatten.

In diesem feudalen Olymp selber hatte es dann noch einmal eine fast ebenso provozierende Unterteilung zwischen Hocharistokratie und den niederen Rängen gegeben. Noch bis zu seinem Tod im Jahr 1914 ist etwa Thronfolger Franz Ferdinand ständig gedemütigt worden, weil er "nur" eine Frau aus dem niederen Adel geheiratet hat (Seltsamer Kontrast zur Tatsache, dass die Ermordung dieses Gedemütigten durch die mit Russland verbündeten serbischen Chauvinisten dem greisen Kaiser die Auslösung eines verheerenden Krieges wert war …).

Noch deutlicher gegen die Regeln dieser kranken Aristokratenwelt hatte ein paar Jahrzehnte davor Erzherzog Johann verstoßen, der zweifellos begabteste Habsburger der letzten 230 Jahre, als er eine bürgerliche Postmeistertochter geheiratet hatte.

An diese vermorschende Adelswelt erinnert lebhaft das Verhalten des grünen Bundespräsidenten: Er überreichte knapp vor Weihnachten dem soeben mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Anton Zeilinger das "Große Silberne Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich". Und das ist eigentlich ein Skandal.

Bei dieser Kritik geht es überhaupt nicht darum, ob das Überreichen von Orden überhaupt noch ins 21. Jahrhundert passt. Das ist letztlich als liebenswerte Marotte und Erinnerung an eine eigentlich untergegangenen Welt durchaus nett. Beim Kaiser galten Orden (oder die Erhebung in den Adelsstand) überdies als billige Möglichkeit, Dank und Anerkennung auszusprechen, ohne allzu tief in die Staatsschatulle greifen zu müssen. Auch das wäre ein gar nicht so dummes Motiv, an der Ordensverleihungs-Gewohnheit festzuhalten. Offenbar gibt so ein Orden ja so manchem Geehrten etwas, wie man an Grabsteinen sehen kann, wo tatsächlich auch einst verliehene Auszeichnungen in Marmor verewigt worden sind.

Die Republik bedient sich ungeniert bei allem aus der Monarchie, was brauchbar erschienen ist, von den Orden bis zu der vom Bundespräsidenten und etlichen anderen Hochbürokraten benutzten kaiserlichen Hofburg. Die gleiche Republik hat aber weiterhin keinen Genierer, offenbar als seltsame Rache für das Leid des ersten Weltkrieges weiterhin an der Abschaffung der Adelsnamen festzuhalten, und den Habsburgern auch weiterhin nicht ihr Privatvermögen zurückzugeben.

Wenn man aber weiterhin Orden verleiht, und wenn Österreich fast so wie einst ein feinziseliertes und abgestuftes System an diversen Ordenskategorien etabliert hatte, dann muss sich diese Republik aber auch die sehr kritische Frage stellen, wie sie denn die Verdienste eigentlich wertet und einstuft.

Allzuviel deutet dabei auf eine Fortsetzung einer widerlichen Mehrklassengesellschaft hin, die Menschen a priori abgestuft behandelt. So auch Zeilinger. Dieser hat zwar die höchste Auszeichnung des weltweiten wissenschaftlichen Kosmos erhalten, in der Auszeichnungs-Hierarchie der Republik Österreich kommt er hingegen erst in der dritten Kategorie. Denn die obersten beiden Kategorien an Ordensehrungen haben die eitlen Macht- und Amtsträger für sich selber vorbehalten, und für die Amtsträger anderer Staaten. Was auch nicht ganz uneigennützig ist, weil ihnen diese dann im Gegenzug gleich wieder zu ausländischen Orden verhelfen können.

Man schaue die lange Liste der Träger jenes Ordens an, der unmittelbar über dem für Zeilinger ausgewählten als höherrangig rangiert, der zwar fast genauso klingt wie die Auszeichnung des Nobelpreisträgers, der aber statt in "Silber" in Gold gehalten ist: 

Golden ausgezeichnet wurden aus dem Ausland neben Botschaftern etwa auch eine Frau namens Ena Ergm, ihres Zeichens Vorsitzende des estnischen Parlaments, bayrische Ministerpräsidenten, postkommunistische ungarische Regierungschefs, die Tochter des italienischen Präsidenten Mattarella,  oder der pakistanische Wissenschaftsminister Atta ur Rahma (wofür auch immer – vielleicht für die Entwicklung der pakistanischen Atombombe?). Um nur ein paar zu nennen. Und aus dem Inland ist so gut wie jeder Exminister – auch wenn er nicht einmal eine ganze Legislaturperiode lang ein solches Amt innehatte! – oder Landeshauptmann auf der Liste der Vergoldeten zu finden, ebenso die Gerichtshofpräsidenten und einige Bischöfe …

Vielleicht tut der Herr Van der Bellen, außer seine Grünen in die Regierung hineinintrigiert zu haben, auch einmal etwas wirklich Sinnvolles, schmeißt die bisherige Ordenshierarchie über den Haufen und versucht zu zeigen, dass Österreich endlich doch Leistung mehr zu würdigen versteht als die selbstzuerkannte Wichtigkeit bloßer Beamten- oder Politikerkarrieren.

PS: Auch ich habe übrigens vor vielen Jahren einmal einen Orden für irgendwelche angeblichen Verdienste bekommen. Doch eine Woche vor dessen Überreichung erhielt ich einen Anruf eines erschreckten Spitzenbeamten: Ich bekäme den falschen Orden, weil ich wenige Tage davor Chefredakteur geworden sei, und das gebühre mir automatisch etwas Höheres. Meinen Hinweis, dass ich das nicht ganz verstehe, weil ich ja als Chefredakteur noch keinerlei Verdienste gesammelt haben konnte, verstand wiederum mein Gesprächspartner nicht …

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