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Die Araber haben eine Riesenchance versäumt

Die Fußball-Weltmeisterschaft hätte die arabische Welt in ein völlig neues Licht für den Rest des Planeten stellen können. Sie hatte alle Chancen, ihr Image dramatisch zu verbessern und die unterschwellige Vorurteils-Assoziation vergessen zu lassen "Araber=Islamisten=Terrorgefährlich". Auch die skurrilen deutschen Belehrungen in Sachen woker Correctness gerieten in Vergessenheit, konnte doch Katar das Image eines toleranten Staates projizieren, wo Frauen zum Unterschied von den großen Nachbarn auch ohne islamische Zwangsverhüllung herumlaufen können, und wo ganz ordentliche Spiele veranstaltet werden. Doch gleich zwei dramatische, wenn auch ganz unterschiedliche Entwicklungen haben alles zunichte gemacht. Katar hat dadurch die Chance vergeben, sich selbst als modernen, friedlichen, weltoffenen Staat zu präsentieren, der ganz anders ist als seine beiden in einem tiefen – wenn auch jeweils anders gearteten – Islamismus steckenden und gefährlich verfeindeten Nachbarn Iran und Saudi-Arabien.

Die eine dieser Entwicklungen ist der aufgeflogene Bestechungsskandal rund um die Sozialdemokraten in der EU. An sich hat man ja in Katar richtig erkannt, dass die Sozialdemokraten die ärgsten Hetzer gegen das winzige Golfland sind. So gehen allzu viele Spuren von den lächerlichen Aktionen der deutschen Mannschaft (etwa das Posieren für ein kollektives Foto mit zugehaltenem Mund, nur weil sie nicht die Schwulen-Armschleife tragen durften) direkt zu SPD-Funktionären, die im Deutschen Fußballbund und bei den beiden Spielern Neuer und Goretzka ihre Einflussbastionen aufgebaut haben. Sie wollten die Spiele absurderweise für Pro-Schwule- und Anti-Katar-Aktionen missbrauchen – was letztlich nur tiefenpsychologisch mit genetisch sozialdemokratischer Dummheit und Präpotenz zu erklären ist, die sich wiederum mit einem genetisch deutschen Sendungs- und Belehrungswahn toxisch vermischt haben.

Diese diversen kritischen Dummheiten aus Europa haben die Kataris aber, statt sie gelassen zu ignorieren, mit einer noch größeren Dummheit beantwortet: Sie glaubten, mit Geld, mit Bestechung alle Widerstände und Kritiken niederbügeln zu können. Dieses Verhalten wurzelt tief in der arabischen Kultur. Schon im Verhältnis zu Spanien, Frankreich und Italien waren in den letzten Jahren einschlägige Bestechungsaktionen aus arabischen Ländern entdeckt worden, die dann dortige Spitzenpolitiker und Monarchen in den Abgrund gestürzt haben.

Auf ähnlicher Linie des Wunsches, Kritik mit allen Mitteln zu bekämpfen, hat sich einst ja auch der Mord an dem ins Ausland geflüchteten saudiarabischen Dissidenten Khashoggi durch die Saudis bewegt (dieser Mord ähnelt wieder ganz den Mordaktionen des russischen Machthabers Putin): Absolute Herrscher, die durch keinerlei Humanismus, Aufklärung oder Christentum gebremst werden, glauben immer wieder, dass auch international alle jene Mittel einsetzbar sind, die sie daheim verwenden, um Kritiker zum Schweigen zu bringen. Angesichts dieses Vergleichs könnte man freilich in Hinblick auf die Kataris auch leicht zynisch sagen: Es ist immer noch besser, Geld statt Blut fließen zu lassen ...

Diese regelmäßigen Bestechungsaktionen sind freilich gewiss nicht nur Folge der arabischen Kultur, sondern auch des großen Reichtums der Öl- und Gasländer. Wenn man so viel überflüssiges Geld hat, dann will man sich halt damit all das kaufen, was man haben will: Dazu gehören ganz besonders Einfluss und Reputation in den europäischen Ländern (die man insgeheim ja doch noch immer als besonders wichtig ansieht).

Die Araber, die Kataris begreifen nicht, dass man sich einen noch viel größeren Reputationsschaden zuzuziehen droht, wenn die Bestechungen auffliegen. Und das tun sie ständig – oder um präzise zu sein: Das tut zumindest ein Teil der Bestechungsaktionen mit großer Regelmäßigkeit. Die Bestechungen von Fifa-Funktionären, um die Spiele überhaupt zugesprochen zu bekommen, sind ja bis heute nicht ganz aufgeklärt.

Es ist auch kein Zufall, dass die aktuelle Bestechung vor allem über Italiener und insbesondere die Vizeparlamentspräsidentin aus Griechenland, einem weiteren Mittelmeerland, gelaufen ist. Die jahrtausendealten freundlichen wie feindlichen Verbindungen – Migration, Kriege, Handelsströme, Sklavenjagden von Arabern in Süditalien und Kolonialisierungen aller Küstengebiete durch die Römer – haben da über das Mittelmeer eine weit stärkere ethnische und innere Verwandtschaft geschaffen, als sie etwa zwischen Arabern und Mittel- und Nordeuropäern je bestehen kann (wie inzwischen insbesondere die Schweden gelernt haben).

Der zweite große Fehler, der alle Punktgewinne durch die gelungene Austragung der WM zunichte macht (so spricht ja eigentlich niemand mehr vom dominanten Thema des letzten Jahres, der schlechten Behandlung der ausländischen Wanderarbeiter in Katar, da ja inzwischen klar geworden ist, dass diese weiterhin durchaus freiwillig und durchaus im Wissen um die schlechte Behandlung die gute Bezahlung auf den Baustellen am Golf wählen): Das waren die Auftritte der marokkanischen Mannschaft.

Diese hat zwar durchaus erfolgreich und gut Fußball gespielt, und zwar mit einer interessanten Taktik: Totales Mauern vor dem eigenen Tor wechselte sich mit Konterangriffen von sechs gleichzeitig losstürmenden Spielern ab. Aber dennoch muss man das Verhalten der Zuschauer während der marokkanischen Spiele als extrem unfair und unsportlich verurteilen. Sobald die gegnerische Mannschaft – welche auch immer – den Ball hat, geht ein ununterbrochenes gellendes und nervtötendes Pfeifkonzert los.

Ein solches Verhalten ist für die Usancen aller anderen Kontinente völlig neu. Zwar unterstützen Anhänger anderer Nationen ihre Mannschaft durch intensive Gesänge, Trompetenklänge oder Trommelwirbel (besonders attraktiv taten das in Katar die Schwarzafrikaner). Zwar gibt es immer wieder kürzere Pfeifkonzerte bei vermeintlichen Schiedsrichter-Fehlentscheidungen oder bei unfairem Verhalten gegnerischer Spieler. Aber nie noch hat es einen solchen von der ersten bis zur letzten Minute gellenden Psychoterror gegeben.

Sollte sich dieser auf den Fußballplätzen wirklich durchsetzen, dann werden Spieler wohl mehr Psychotherapie als Training brauchen, um ihm standzuhalten. Dann wird mit absoluter Sicherheit der Fußball viel von seinem Reiz verlieren. Und dann werden die Milliarden, die damit verdient werden, deutlich weniger werden.

Damit ist aber auch die Fifa existenziell gefordert. Sie kann sich jedenfalls nicht darauf ausreden, dass sie ja nicht für das Verhalten der Zuschauer zuständig wäre. Denn sie hat ja schon mehrfach auf das Verhalten dieser Zuschauer mit strengen Strafen gegen den von ihnen unterstützten Verein reagiert: wenn Zuschauer Dinge ins Spielfeld werfen, wenn sie Feuerwerkskörper zünden oder wenn sie durch tierische Geräusche schwarze Spieler zu verhöhnen versuchen.

Dieser Psychoterror kam aber eindeutig nicht nur von den relativ wenigen marokkanischen Fans, sondern auch von den einheimischen Kataris und allen anderen aus der Umgebung angereisten Arabern.

Die Araber haben sich damit ein weiteres Eigentor geschossen – selbst wenn die Marokkaner vom Außenseiter zum Weltmeister werden sollten. Sie haben damit auf einem weiteren Feld gezeigt, dass sie es noch sehr weit haben bis zu jenem zivilisierten Verhalten, der im Rest der Welt üblich ist, von Japan über Europa bis Lateinamerika. Sie haben damit auch klargemacht, dass die arabische Solidarität quer über zwei Kontinente in den Menschen ein viel stärkeres Band ist als etwa die Solidarität unter den Europäern (die derzeit überdies durch die EU-Institutionen mehr zerstört wird, als diese durch ihre bürokratischen Nation-Building-Versuche fördern können).

Ein dritter Aspekt, der in den letzten Stunden viele zusätzlich empört, ist die Aggressivität und Zerstörungswut, mit der auf den Straßen mehrerer europäischer Städte Millionen Exilmarokkaner den Sieg der Marokko-Mannschaft gefeiert haben. Diese Exzesse erinnern daran, wie viele Menschen schon aus diesem westarabischen Land (wo halt wie überall die islamische Kultur die wirtschaftliche Entwicklung behindert, wenn zum Unterschied vom Golf auch die Rohstoffe fehlen) ins verhasste und zugleich beneidete Europa gekommen sind. Das beweist, dass ihre emotionale Bindung auch in zweiter Generation ganz beim Herkunftsland geblieben ist.

Andererseits sollte man ehrlich zugeben, dass auch schon die Anhänger europäischer Nationen oder Klubs schwere Randale und Straßenschlachten ausgelöst haben. Die Bewohner Ottakrings haben das seit Jahren lernen müssen, wann immer Serben, Bosnier oder Kroaten gewonnen – oder verloren haben.

Dies kontrastiert deutlich mit dem erstaunlichen Umstand, dass die nationalistisch-emotionale Bindung der Fans in der marokkanischen Nationalmannschaft selber gar keine wirkliche Entsprechung findet.

Denn die Mannschaft ist eigentlich wild und länderübergreifend zusammengewürfelt. Beim internen Training muss Englisch als einzige allgemein verständliche Umgangssprache verwendet werden. Denn einige im Ausland geborene Marokkaner haben kein Arabisch mehr gelernt.

Die englische "Times" hat die Herkunft der marokkanischen Spieler analysiert: Viele von ihnen könnten eigentlich auch für ein anderes Land spielen, hätten sie sich nicht für Marokko entschieden (die Fifa erlaubt so wie Österreich keine doppelte Sport-"Staatsbürgerschaft" und verlangt bei biographischem Bezug zu mehreren Ländern eine nicht mehr rückgängig machbare Entscheidung für eines dieser Länder). Nicht weniger als acht Angehörige der marokkanischen Mannschaft hätten sich auch für Frankreich entscheiden können – gegen das sie jetzt als nächstes spielen müssen! – und fünf für die Niederlande; einige weitere für Deutschland oder Belgien.

Freilich ist das auch bei Frankreichs Team ähnlich. So hätte Superstar Mbappé auch für Kamerun spielen können. Insgesamt hätte sogar das halbe Team des letzten Weltmeisters für ein afrikanisches Land antreten können. Allerdings sei hinzugefügt, dass die Allermeisten von ihnen schon in Frankreich geboren sind. Denn zweifellos ist Fußball für die meist armen Migranten der schnellste, wenn nicht gar der einzige Weg zu großem Reichtum zu kommen (so soll Mbappé allein von seinem Klub in den nächsten drei Jahren 800 Millionen bekommen!). Diesen Weg wollen Tausende Migrantenkinder begehen, aber nur wenigen gelingt er.

PS: Übrigens ist dieser interessante ethnische Hintergrund vieler Spieler für die allermeisten Medien ein weiteres politisch korrektes Woke-Tabu. Die Zuseher sehen zwar die Hautfarbe eines Spielers, dürfen aber keine Informationen bekommen, woher der kommt. Es wird immer rätselhafter, was diese Medien mit Information zu tun haben sollen.

PPS: Jenseits der hier abgehandelten arabischen Aspekte ist der Korruptionsskandal vor allem für das EU-Parlament desaströs. Ist das doch genau jene Körperschaft, die immer besonders moralistisch – in Wahrheit ideologisch motiviert – Ungarn Korruption vorgeworfen hat. Dabei ist aus Ungarn nicht einmal annähernd so ein schlimmer Fall bekannt.

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