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Jetzt muss man bald Mitleid mit Katar haben

Und nun wird auch noch das Bier verboten. Damit ist für das Mediengericht endgültig und schon vor dem ersten Fehlpass klar: Das kann keine gute Fußballweltmeisterschaft werden. Dabei sollte man eigentlich ziemlich beruhigt sein, wenn jetzt ein Alkoholverbot zum offenbar größten Ärgernis der nun beginnenden Spiele in Katar geworden ist. Denn auch in Europa hätte ein solches Verbot manche – angeblich – fußballerisch motivierten Schlachten verhindert. Und in der Tat: So sehr an Katar auch manches zu kritisieren ist, so sehr ist in den letzten Tagen auch klar geworden: Die Kritiker der Spiele übertreiben arg. Sie haben alle Relationen verloren.

Man vergleiche nur die schrill gewordene Lautstärke dieser Katar-Kritiker mit ihrer total überhörbaren Leiseschwäche, als die letzte Fußballweltmeisterschaft in Russland oder als die zweifellos global noch bedeutenderen Olympischen Spiele in China stattgefunden haben.

Dieser Unterschied zeigt klar: Die Kritiker treten bei kleinen Nationen wie Katar viel großmäuliger auf als bei Großmächten.

  • Denn die Arbeitsbedingungen in China und Russland haben noch nie einen Sportredakteur ernsthaft interessiert, obwohl sie diese in Katar zum Oberverbrechen ausgerufen haben.
  • Denn die Arbeitsbedingungen der in Katar molochenden Süd- und Südostasiaten sind zwar schlecht. Sie sind aber mit absoluter Garantie viel besser als in ihrer Heimat.
  • Denn es kann überhaupt kein Zweifel bestehen, dass China und Russland insgesamt mit den Menschenrechten noch viel übler umgehen, als Katar das tut.
  • Denn während in Katar die vielen arbeitenden Ausländer keine Chance auf staatsbürgerliche Rechte haben, hat in China und Russland überhaupt niemand eine Chance auf echte Wahlen, Meinungsfreiheit und Menschenrechte. Oder gar auf Rechtsstaat und Demokratie.
  • Denn selbst die sich derzeit so intensiv mit Katar befassenden österreichischen Zeitungen sind an den – gar nicht so seltenen – Arbeitsunfällen im eigenen Land überhaupt nicht interessiert, sie vermelden diese bestenfalls als Kurznotiz im Lokalteil. Ganz offensichtlich ist hingegen gegen Katar eine gut aufgezogene Kampagne einer Gewerkschaftsinternationale im Feld, die sich gegen den Zwergstaat Katar mehr Chancen ausgerechnet hat, um zu beweisen, wie toll sie ist, als etwa gegen Pakistan. Ganz die gleiche Überlegung scheint sich bei der ebenfalls sehr rührigen Homosexuellen-Internationale abgespielt zu haben, die offenbar genauso bei dem kleinen Staat ein Exempel zu statuieren versucht.

Die Chinesen unterjochen zwei Völker – die Uiguren und die Tibetaner – auf das übelste. Terror, Umerziehung, Einschüchterung, Demütigung treffen dort Millionen. In Hongkong haben die Chinesen eiskalt den Vertrag gebrochen, der der ehemaligen britischen Kolonie dauernde innere Demokratie zusagt. Und gegen Taiwan schürt die Atommacht immer heftiger in Richtung eines großen Eroberungskrieges. Aber das hat niemanden gestört, als dort die Olympischen Spiele waren.

China ist darüber hinaus auch der weltgrößte CO2-Emittent, weigert sich aber bei der ägyptischen Planetenrettungskonferenz (die im Grund wie jedes Jahr primär eine Heraus-mit-der-Marie-Konferenz ist) bis zur Stunde total, auch nur irgendetwas zugunsten der armen Länder oder Inselstaaten zu zahlen, die zweifellos unter der Erderwärmung besonders leiden – wodurch auch immer diese bewirkt wird. Denn auch wenn wir wahrscheinlich nur eine normale Zwischeneiszeit erleben, die für die leicht erhöhten Durchschnittstemperaturen verantwortlich ist, ist es dennoch unglaublich mies, dass die Drittweltstaaten die aufgehaltene Hand immer nur aus Richtung Europa und Nordamerika gefüllt bekommen, nie aber von den Chinesen, die heftig mit den USA um die Stellung als weltgrößte Wirtschaftsmacht rittern.

Da China intensiv Kohle verfeuert, wäre es ja auch eigentlich zwingend logisch, würden die Klebeterroristen ihre Aktionen gegen China richten, statt Europa (mit dem Geld exzentrischer Amerikanerinnen) zu terrorisieren. Aber davor, sich dort anzukleben, haben die Linksextremisten wohl Angst, während sie ja wissen, dass ihnen bei uns nichts passiert. Typisch für ihren Kampfesmut ist auch, dass sie jetzt mit der kalten Jahreszeit von der ungemütlichen Straße in die mit unseren Steuergeldern geheizten Museen übersiedelt sind (obwohl ein richtiger Energiekämpfer ja eigentlich auch gegen das Heizen kämpfen müsste …)

Und auch Russland hätte Hassaktionen viel mehr verdient als Katar. Hatte es doch schon vor der letzten Fußballweltmeisterschaft die erste (deutlich erfolgreichere) Etappe seines Eroberungskriegs gegen die Ukraine geführt. Ebenso landet man in Russland heute wieder wie einst unter Stalin auf Jahre im Gulag, wenn man als relevanter Oppositioneller geortet wird.

Aber nirgendwo hat sich gegen China oder Russland auch nur ein Hauch der gutmenschlich/schwulen/gewerkschaftlichen Erregung gezeigt, die in den letzten Wochen in Zusammenhang mit Katar all unsere Medien gefüllt hat.

Zwar sei noch einmal gesagt, dass alle gegen den kleinen Golfstaat erhobenen Vorwürfe im Großen und Ganzen stimmen. Dennoch kann man die (wenigen) Menschen von Katar durchaus verstehen, dass sie zornig geworden sind, weil zu erkennen ist, dass da mit zweierlei Maß gemessen wird. Sie sehen, dass die gleichen Katar-Kritiker bei Spielen in Russland oder China feige den Mund gehalten haben. Sie spüren, dass sie unfair behandelt werden. Daher ist es logisch, dass sie darin einen europäischen Rassismus und Neokolonialismus erkennen, der sie wieder einmal von oben herab belehren will.

Auch ein weiteres ständig vorgebrachtes Argument ist eurozentristisch. Es besteht in der Aufregung, dass man in Katar nur zu einer Zeit spielen kann, wo man in Europa Winterpause macht. Den Kritikern sei ein kleines Geheimnis verraten: Die Kataris haben sich ihr Klima nicht ausgesucht. Das ist dort schon seit Jahrtausenden so.

Das weiß man halt nur dann nicht, wenn man Europa noch immer für das Maß aller Dinge hält.

Grotesk ist aber auch, dass das einzig wirklich Schlimme an der Politik Katars nie erwähnt wird. Ganz offensichtlich, weil Kritik daran nicht in die linke Denkversuchswelt gehört. Das ist nämlich die Tatsache, dass Katar das Mutterland der Moslembrüder ist. Diese bedrohen zwar die Fundamente unserer Demokratie, aber über den Islam darf ja nichts Kritisches gesagt werden. Nur über die Araber. Und nur über das Wetter am Golf  …

Das Allergroteskeste an diesen Belehrungen ist aber, dass die gleichen sich in diesen Tagen moralisch so erhaben gebenden Nationen davor in Katar betteln waren (und wahrscheinlich werden sie es auch danach wieder tun): Bitte schickt uns doch ein Schiff voll Flüssiggas, damit wir auch im nächsten Jahr unsere Speicher füllen können!

Aber vor und nach der Betteltour machen wir dem kleinen Völkchen jenes Ereignis mies, auf das sie sich so gefreut haben, für das sie sich so viele Mühe gegeben haben.

Es wäre aber jedenfalls auch sonst immer klug, bei Meinungsverschiedenheiten mit anderen auch zu versuchen, sich in die Denkwelt der Gegenseite zu versetzen. Dazu bräuchte man freilich ein bisschen Empathie, ein bisschen Mut zur Objektivität und Wissen um die Lage der Gegenseite.

PS: Wahrscheinlich steckt hinter der primär von linksaußen organisierten Attacke auf Katar auch wieder einmal der linke Wunschtraum, dass jeder Gastarbeiter dort wählen soll, wo er sich gerade aufhält. Dieser Traum ist aber nicht nur für Katar, sondern zum Glück auch für Österreich unerfüllt geblieben.

PPS: Um nicht missverstanden zu werden: Auch ich halte die Freude am Bier für einen eigentlich unverzichtbaren Bestandteil der Freude am Fußball. Aber vor dem Fernsehapparat kann man ein gutes Spiel ja dennoch mit einem Bier genießen …

PPPS: Was man sich aber am meisten fragen sollte, aber überhaupt niemand fragt: Warum gibt es in Katar eigentlich so viele Gastarbeiter aus den (in den Augen der Kataris) heidnischen Ländern Philippinen, Indien oder Nepal – aber überhaupt keine aus Afghanistan oder Syrien oder Somalia?
- Obwohl diese ja alle (für die Kataris) "rechtgläubig" sind.
- Obwohl diese doch angeblich ganz besonders dringend  "flüchten" müssen, wie uns der ORF allabendlich eintrichtert.
- Obwohl es von all diesen Ländern viel, viel näher nach Katar ist als zu uns.
Aber auf manche Fragen wird man halt nie Antworten bekommen.

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