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Viele Menschen bedrängen mich, doch endlich zum dramatischen Schicksal jener beiden Zeitungen etwas zu sagen, deren Chefredakteur ich einst gewesen bin. Ich tue das nur ungern, weil man da ja nie wirklich objektiv sein kann. Schon gar nicht dann, wenn man zweimal gegen seinen Willen aus eindeutig (aber nie nachweislich zugegebenen) ideologischen Motiven gekündigt worden ist. Beide Zeitungen haben in meiner Leitungszeit (was nachweisbar ist) die weitaus höchsten Leserzahlen ihrer Geschichte; siehe etwa die Zahlen der Media-Analyse für die "Presse", die nur in meiner Zeit die Fünf-Prozent-Grenze überstiegen hatten.
So unterschiedlich vieles an beiden Zeitungen auch ist, so gibt es für ihren parallelen Abstieg zwei durchaus gleichgeartete Ursachen:
Gleichzeitig sollte man ehrlicherweise aber auch hinzufügen, was für alle Print-Produkte ebenso wie für das lineare Fernsehen gilt: Etliche von ihnen werden zwar überleben, aber sie alle haben ihre besten Zeiten schon hinter sich und die Zeitungs-Käufer beziehungsweise Fernseh-Schauer werden in Zukunft dramatisch weniger werden. Die elektronische Konkurrenz ist einfach zu übermächtig und fegt vieles hinweg (zumindest solange sich nicht die bedrohten Medien wie manche Radioprogramme komplett neu erfinden). Ihre Formen, wie etwa Streaming, Podcasts, Blogs oder Soziale Medien, sind einfach zu spannend, der alten Konkurrenz an Schnelligkeit, Flexibilität und Wirtschaftlichkeit überlegen.
Aber konkret zu den beiden heute krisengeschüttelten Blättern:
Eine große Verlegerpersönlichkeit hat es bei der Wiener Zeitung nie gegeben. Ganz im Gegenteil. Dort ist der Bundeskanzler jener Mensch, der laut Gesetz einen Chefredakteur absetzen kann. Wie es Werner Faymann bei mir getan hat – ohne dass je ein Grund dafür genannt worden ist (der wahre Grund war natürlich immer klar und lag in meinem inhaltlichem Kurs, der Faymann nicht gefallen hat). Am Rande sei vermerkt, dass Faymann damit dem Verlag und indirekt der Republik auch einen bezifferbaren finanziellen Schaden zugefügt hat, weil er mich vor Ablauf meines Vertrags freistellen hat lassen. Worauf natürlich die komplette Vertragszeit ausbezahlt werden musste. Diese Aktion Faymanns war daher rechtlich extrem bedenklich (auch wenn ich davon naturgemäß finanziell profitiert habe). Aber die österreichische Korruptionsstaatsanwaltschaft interessiert sich ja bekanntlich nie für die Delikte roter Politiker, sondern nur für die angeblichen von schwarzen oder blauen.
Mit anderen Worten: So altehrwürdig die "Wiener Zeitung" auch ist, so begeisternd ich die in meiner Zeit von vielen im dortigen Team mitgetragenen journalistischen Versuche auch empfunden habe, so absurd und in der demokratischen Welt ungewöhnlich ist und bleibt es, dass der Regierungschef per Gesetz automatisch der Herausgeber einer Zeitung ist. Überdies war und ist auch der Aufsichtsrat massiv politisch besetzt (wobei SPÖ-intern nach Abgang des Alfred Gusenbauer interessanterweise der Wiener Rathaus-Partie der entscheidende Einfluss überlassen worden ist).
Wir hatten zwar einige Jahre geglaubt, uns darum nicht kümmern zu müssen, während wir die Zeitung marktfähig machen. Zumindest ich hatte mich aber darin getäuscht, dass dies in dieser Eigentümerkonstellation überhaupt gelingen kann, auch wenn vor Faymann niemand bei uns interveniert hatte.
Jetzt geht es aber um die Zukunft: Soll die "Wiener Zeitung" gerettet werden, obwohl die das Blatt primär tragenden Pflichteinschaltungen wegfallen, wie es jetzt die üblichen Unterschriftenlisten verlangen (an der Spitze steht dabei pikanterweise jener linksradikale Universitätsprofessor, der einst meinen Abschuss durch die SPÖ öffentlich bejubelt hatte)?
Es gibt im Grund nur zwei mit – kleinen – Hoffnungen verknüpfbare Ansätze, wie die Zeitung noch überleben könnte (die aber beide bezeichnenderweise von den Unterschreibern nicht angesprochen werden).
Und was fällt mir zur "Presse" ein? Zu viel, selbst für ein ganzes Buch. Immerhin war ich 31 Jahre lang dort tätig. Jedenfalls vielen Respekt verdient die Erinnerung an große, für die Zeitung und ganz Österreich prägende Journalistenpersönlichkeiten wie Fritz Molden und Otto Schulmeister. Aber auch an bedeutende Verleger wie Hans Sassmann und Julius Kainz aus der "Styria".
Diese beiden haben die Zeitung in einer wirtschaftlich katastrophalen Situation gerettet. Kainz kann sich in der Folge die einzige Phase der letzten hundert Jahre zugute schreiben, in der die "Presse" schwarze Zahlen geschrieben hat (wozu auch ich, so scheinen zumindest die Leser- und Auflagenzahlen zu beweisen, einen nicht irrelevanten Beitrag geleistet habe).
Vor den "Styria"-Zeiten war die "Presse" – ganz ähnlich wie die "Wiener Zeitung" – durch einen politischen Eigentümer in eine tiefe Krise gestürzt worden. Die Bundeswirtschaftskammer hatte zwar viel Geld in das Blatt gesteckt, aber deren Präsident hat die "Presse" primär dazu benutzt, um sein persönliches Image – in der auflagenstarken Kronenzeitung aufzupolieren. Das tat er nämlich dadurch, dass er dem Eigentümer des Boulevardblattes über viele Jahre den fetten (und weit überbezahlten) Druckauftrag der "Presse" zukommen hat lassen. Das hat den Herren Dichand und Salinger zwar genutzt, die "Presse" aber fast umgebracht.
Nach Sassmann und Kainz übernahmen Manager die "Styria", die alles gewesen sein mögen, nur keine Verlegerpersönlichkeiten. Und schon gar niemand, der begriffen hätte, dass die "Presse" nur als die große bürgerliche, als liberalkonservative Qualitätszeitung überleben kann. Seither treibt die Zeitung statt dessen wie ein Schiff, dessen Motor auf hoher See ausgefallen ist. Und wo ein guter Teil der Mannschaft allen Ernstes und ungehindert versucht hat, die Zeitung in linksliberale Gewässer zu rudern. Was ihr Untergang zu werden droht, da genau in diesen Gewässewrn schon andere Zeitungen unterwegs sind.
Ich bin in den letzten Jahren jedenfalls mit keiner Frage so oft konfrontiert worden wie mit dem Verzweifelten: "Was ist nur mit der Presse los?"
In den letzten Stunden ist zu dieser fast irreversiblen Entwicklung nun auch noch eine grenzenlos peinliche Affäre rund um den gegenwärtigen Chefredakteur gekommen. Diese ist bekannt geworden, weil – wieder einmal – Akten aus der WKStA nach außen gespielt worden sind. Und – wieder einmal – beruhen sie auf den Chats der Herren Thomas Schmid und H.C. Strache.
Bei einer Beurteilung der Situation der "Presse" sind freilich inzwischen nicht mehr diese seit Jahren von keinem Justizminister gestoppten WKStA-Vorgänge das zentrale Thema, sondern schlicht die Frage: Wäre der gegenwärtige Chefredakteur nicht gut beraten, von sich aus ganz dringlich den Rückzug in die dritte Reihe zu erbitten?
Da er freilich (wenn man von einstigen Zeitungseigentümern absieht) in einer historisch fast einmaligen Ämterkumulation sowohl Chefredakteur wie Herausgeber wie Geschäftsführer in einer Person ist, gibt es ja sonst niemanden, der einen solchen Rückzug anordnen könnte. Dass die WKStA nach – wieder einmal – jahrelanger Prüfung jetzt das strafrechtliche Verfahren gegen ihn einstellt, ist zwar für ihn persönlich nett, aber eigentlich eine ganz andere Frage als jene, die einzig und allein wichtig ist: Was tut der Zeitung gut?
Ein Chefredakteur einer (einst?) so wichtigen Zeitung sollte sich eigentlich in all seinem Handeln rund um die Uhr einzig und allein ständig diese Frage stellen. Und da gibt es jetzt gleich drei Aspekte, die er zu verantworten hat, und die absolut schlecht für die Glaubwürdigkeit der Zeitung und für das Vertrauen der noch verbliebenen Leser in die Zeitung sind:
Diese Vorfälle veranlassen auch mich dazu, diesbezüglich rückblickend das eigene Gewissen zu erforschen. Wie habe ich es mit all diesen Verführungen gehalten, denen man als Journalist – noch dazu in Spitzenfunktionen – zweifellos ausgesetzt ist? Wie stand ich der für viele in der politmedialen Szene üblichen Verhaberung gegenüber?
Ich habe schon beim Wort "Du" immer bewusst auf Distanz Wert gelegt. Meiner Erinnerung nach war ich nur mit drei aktiven Spitzenpolitikern in ihrer Amtszeit per Du, aber auch bei diesen nie privat eingeladen. Zwei davon hatte ich schon aus meiner vorjournalistischen Zeit gekannt: Johannes Hahn und Peter Kostelka. Da sind wir natürlich beim Du geblieben, alles andere wäre kindisch gewesen. Der Dritte war Alois Mock, der mich als Außenminister eines Tages zu duzen begonnen hat. Da ich als Außenpolitik-Journalist viel mit ihm zu tun hatte, war mir das sehr unangenehm. Ich habe daher das "Du" ein Jahr lang überhört – und dann halt letztlich den viel älteren Mock auch selbst zurückgeduzt (Motto: Ich bin ja kein Schulbub, der sich einseitig von seinen Lehrern duzen lässt).
Besonders stolz bin ich, dass ich wohl damals fast der einzige politische Journalist gewesen bin, der mit Jörg Haider immer per Sie geblieben ist, obwohl wir uns gegenseitig schon aus dem Jus-Studium gekannt hatten, und auch zweimal beruflich miteinander Essen gegangen sind.
Mit einigen anderen Spitzenpolitikern bin ich heute per Du – aber ich bin das immer jeweils erst nach ihrer Amtszeit geworden, und eigentlich immer über das gemeinsame Hobby, das Tarockieren.
Ach ja, meine Frau ist einmal ein paar Tage lang beackert worden, ob sie nicht Justizministerin werden will. Aber ich habe ihr sofort abgeraten, das zu tun – schon deshalb, weil ich gesehen habe, wie schwierig für erfolgreiche Rechtsanwälte die Rückkehr nach der Politik gewesen ist. Und insgeheim auch, weil ich es eigentlich als inkompatibel mit meinem eigenen Job angesehen habe.
Aus allen Vereinen und Mitgliedschaften (außer jener in der katholischen Kirche) bin ich bald ausgetreten, nachdem ich Journalist geworden bin, sogar aus dem ÖAMTC. Erst gegen Ende der Chefredakteurszeit bin ich dann zu den Rotariern gegangen, als ich gemerkt habe, dass mich die damals neue "Styria"-Führung, die geglaubt hat, die "Presse" müsse nach links gehen, mit Hilfe einiger Intriganten auf die Abschussliste gesetzt har.
Das alles soll keine eitle Selbstberühmung sein, sondern stellt die Erinnerung an eine Haltung dar, die allen Kollegen einst durch Schulmeister von Anfang an als verpflichtend und selbstverständlich eingeimpft worden ist. Und an die sich im Grunde auch fast alle immer orientiert haben – selbst wenn klar ist, dass jeder Journalist auch Freunde hat und Menschen, die ihm sympathischer sind als andere.
PS: Wohin sich die "Presse" entwickelt hat, ist etwa erst in der jüngsten Freitagausgabe an einem unglaublichen Text einer Redakteurin – also nicht nur an einem bloßen Gastkommentar – abzulesen gewesen. Sie schreibt darin allen Ernstes über die diverse Museen heimsuchende Klebeterroristen, die sie "Klimakämpfer" nennt: "Will dieser Protest sich nicht rasch totlaufen, muss er die Gemälde selbst verletzen." Im ganzen Text findet sich auch sonst keine Andeutung einer Verurteilung, sondern kaum verhüllte Anerkennung. Diese Taten würden sich eignen, "um die Gesellschaft aufzurütteln, ihr vor Augen zu führen, was auf dem Spiel steht".
Wer das liest, der muss fürchten: Auch nach einem Chefredakteurwechsel ist keine Besserung mehr zu erwarten.