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Scholz und die Atomkraftwerke: Das soll Führungsstärke sein?

Die Anordnung des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz, nicht nur zwei, wie von den Grünen angeboten, sondern drei Atomkraftwerke bis April in Gang zu halten, ist vom deutschen und österreichischen Medien-Mainstream laut beklatscht worden. Der Sozialdemokrat habe das ihm zustehende Instrument der "Richtlinienkompetenz" (die einem deutschen Bundeskanzler im Gegensatz zum österreichischen zusteht) optimal genutzt, Stärke gezeigt und die Grünen zum Nachgeben gezwungen. Die Wahrheit sieht freilich komplett anders aus. Und eine Lösung des deutschen, des europäischen Strommangel-Problems ist damit schon gar nicht erzielt. Dafür wäre ganz anderes nötig. Was auch für Österreich sehr bitter ist. Was auch zum neuerlichen Scheitern der EU an der Energiefront beigetragen hat.

In Wahrheit hat Scholz nur das als "Richtlinie" ausgegeben, was als kürzestfristiger Minimalkompromiss der deutschen Ampelkoalition unvermeidlich geworden ist. Auf diesen hätten sich die drei (im Grund überhaupt nicht zusammenpassenden) Parteien zweifellos auch ohne Richtlinienkompetenz des Kanzlers geeinigt. Aber es ist halt sowohl für Grüne wie auch für die FDP sehr angenehm, sich scheinbar hinter der Entscheidung einer vorgesetzten Instanz verbergen zu können. Sie müssen deshalb den Kompromiss nicht selber vor den eigenen Anhängern verteidigen, sondern können sich auf Scholz ausreden. Dabei ist völlig klar: Wären sie damit wirklich nicht einverstanden, könnten sie ja aus der Koalition austreten.

Es hat also in Berlin nur eine billige Schmierenkomödie stattgefunden.

Viel ärgerlicher ist aber, dass damit alles andere als eine Lösung in der Sache gefunden ist, dass man lediglich ein knappes halbes Jahr Zeit gekauft hat, und das lediglich für einen Teil der Energieproblematik, die Atomkraftfrage. Diese Zeit sollte eigentlich viel dringender für eine echte und umfassende deutsche wie europäische Energiepolitik genutzt werden statt für parteipolitische Gesichtswahrungsaktionen.

Tatsache ist, dass Deutschland:

  • dringend neue Brennstäbe anschaffen müsste (was nicht Teil der Scholz-Richtlinie ist), sollte es um den echten Bedarf gehen;
  • den Betrieb von sechs, nicht nur drei Atomkraftwerken angehen sollte (weitere drei könnten jederzeit wieder aktiviert werden);
  • und dies alles  nicht nur bis April 2023, sondern viel längerfristig in Kraft setzen sollte.

Damit sind aber nur die aktuellen Mega-Versäumnisse in Sachen Atomkraft angesprochen. Diese sind auch in anderen Bereichen der Energieversorgung dramatisch. Dabei ist diese heute das zentrale wirtschaftliche und politische Problem Deutschlands wie Europas (während nur noch radikale Randgruppen so wie in den letzten Jahren die Klima- beziehungsweise die Impfpanik für das Wichtigste halten).

Alle Energieexperten prophezeien, dass der Winter 2023/24 noch viel problematischer werden dürfte als der jetzt bevorstehende (es sei denn, in Moskau würde bis dahin Putin gestürzt und durch eine vernünftige Regierung ersetzt; oder die ständig dramatisierte Klimaerwärmung würde uns künftig tatsächlich kalte Winter ersparen. Was beides eher nicht anzunehmen ist).

Für heuer sind die Gasspeicher nämlich noch halbwegs gefüllt. Die ständige Reduktion der russischen Gaslieferungen ist erst in den letzten Wochen wirklich drastisch geworden. Überdies ist bis 2023/24 mit der Möglichkeit der Zerstörung weiterer im Meer liegenden Gasleitungen durch "unbekannte Täter" zu rechnen, etwa auch jener Leitungen, die von den norwegischen Gasfeldern auf hoher See zum Kontinent führen (und die den Norwegern zu ungeahntem Reichtum verholfen haben …).

Die wichtigste Aufgabe jeder europäischen Regierung wäre deshalb ganz eindeutig, nicht nur kurz- sondern auch mittel- und langfristig alles Denkbare zu tun, damit Haushalte und Wirtschaft genug Energie haben, damit jede nur denkbare Energiequelle genutzt und jede Möglichkeit, sinnvoll und ohne Wohlstandsverlust zu sparen, genutzt werden kann. Das aber tun weder Deutschland noch Österreich. Das ist wichtiger als jede Preisdiskussion.

Jedoch weigern sich beide Länder, die unter ihrem Boden schlummernden großen Gasvorräte auszubeuten. Mehr oder weniger alle Parteien fürchten sich hier wie dort, dass deren Abbau durch die notwendigen (inzwischen in Wahrheit schon sehr gut entwickelten) Fracking-Technologien unpopulär werden könnte. Da lassen wir es lieber gleich und frieren lieber oder verlieren lieber Hunderttausende Arbeitsplätze.

Statt solchen Mut zu entwickeln, greift Deutschland tief in die Kassen und kauft auf den internationalen Märkten jeden nur verfügbaren Kubikmeter Gas zusammen. Die Berliner Regierung lässt sich nicht einmal dadurch beirren, dass ihre Kassen inzwischen längst leer sind und dass sie daher für ihren 200-Milliarden- "Doppelwumms" zugunsten der Energieeinkäufe massive Schulden machen muss. Sie lässt sich auch dadurch nicht beirren, dass die Wirtschaftsprognosen für Deutschland noch schlechter sind als für den Durchschnitt Europas.

Europas Grundregel funktioniert nicht mehr

Die Grundregel der europäischen Politik funktioniert nicht mehr, nach der jedes Problem mit deutschem Geld gelöst werden kann. Jetzt kümmert sich Deutschland nicht mehr um europäische Probleme, sondern nur noch darum, wie die eigenen Wähler bei Laune gehalten werden können (was freilich trotzdem nicht gelingt). Nur zu diesem Zweck wird wie verrückt und zu jedem verlangten Preis Gas eingekauft.

Das ist nicht nur finanzpolitischer Wahnsinn. Das ist auch gesamteuropäisch alles andere als solidarisch. Denn damit kaufen die Deutschen allen anderen Europäern das anderswo zum Teil dringender benötigte Gas vor der Nase weg. Aber trotz der schlechten Wirtschaftsentwicklung kann sich Deutschland vorerst noch immer eine Spur leichter refinanzieren als die anderen. Freilich wird das auch für Deutschland rapide teurer. Die Zeiten der (für Deutschland) negativen Zinssätze sind längst vorbei.

Dieser Gaseinkauf-Egoismus ist schon merkwürdig bei einem Land, das seit Jahrzehnten allen anderen EU-Mitgliedern predigt, sich solidarisch und einheitlich unter eine gemeinsame EU-Politik zu fügen. Wir sehen: Sobald es ans Eingemachte geht, ist (auch) den Deutschen das eigene Hemd viel wichtiger als der europäische Mantel. Der ist nur noch fadenscheinig, wie der in Wahrheit ergebnislos geplatzte EU-Gipfel zur Energiekrise jetzt sehr augenscheinlich gezeigt hat.

So viel zur Glaubwürdigkeit des großen Nachbarn und der Rhetorik von der europäischen Einheit.

Österreichs Abhängigkeit von Deutschland  

Die deutsche Energiepolitik geht Österreich besonders direkt an. Österreich war (leider) in vielen wirtschaftlichen Aspekten immer schon sehr von Deutschland abhängig. Österreich muss sogar trotz seines Wasserreichtums in jedem Winter etliches an Atomstrom importieren, nachdem das Land ja auf den Bau eigener Atomkraftwerke verzichtet hat. Der Importbedarf besteht immer dann,

  • wenn die eigenen Wasserkraftwerke vor der Schneeschmelze nur wenig produzieren,
  • wenn wenig Sonne auf die modischen Solarpaneele scheint,
  • wenn an vielen (etwa nebeligen) Tagen auch die Windmühlen nichts produzieren,
  • wenn gleichzeitig viel mehr Strom konsumiert wird,
    - weil es auf den Straßen früh dunkel wird,
    - weil die Menschen in ihren Häusern viel länger Beleuchtung brauchen.
    - weil sie alle möglichen anderen Geräte bedienen, die im Sommer viel weniger genutzt werden,
    - weil auch die als ökologisch vielfach vorgeschriebenen Wärmepumpen nur mit Strom funktionieren,
    - weil mehr gekocht wird,
    - und weil (leider) auch vielfach mit Strom geheizt wird,
  • und überdies brauchen die absurderweise forcierten und immer zahlreicher werdenden E-Autos das ganze Jahr über immer mehr Strom.

Gleichzeitig wird es mindestens zwei Winter benötigen, bis in Europa zumindest die wichtigsten Ersatzstrukturen für das ausbleibende russische Gas funktionieren. Bis genügend Entladestationen für Flüssiggas und Pipelines gebaut sind. Bis vielleicht auch die besseren Isolierungen von Wohnhäusern eine über die grüne Propaganda hinausgehende relevante Wirkung auf den Energieverbrauch haben. Bis in der Industrie energiesparende Investitionen greifen (oder bis genügend Industriebetriebe dorthin abgewandert sind, wo sie mit verlässlicher Energieversorgung – und überdies geringeren Steuern – rechnen können …).

Noch deutlich länger dürfte es dauern, bis man sich politisch zum Fracking oder zum Bau von weiteren Wasserkraftspeichern in den Alpen durchringt, mit denen im Winter Strom produziert werden könnte.

Will sich Deutschland dadurch lächerlich machen, dass es bis dahin alle paar Monate um die gleiche Entscheidung einer weiteren AKW-Verlängerung ringt?

Das Absurde ist, dass es in Wahrheit einzig die Grünen sind, die durch ihre Regierungsbeteiligungen in Deutschland und Österreich und mit Hilfe der vielen ihnen nahestehenden Journalisten jede vernünftige Diskussion dieser Fragen verhindern. Sie haben zwar in Deutschland derzeit rund 20 Prozent der Wähler hinter sich – doppelt so viel wie in Österreich, wo auch die Neos im gleichen Pool fischen –, aber sie haben eben die Mehrheit gegen sich. Gewiss: Was die deutschen Sozialdemokraten heute in Sachen Atomkraft eigentlich wirklich wollen, ist unklar. Das wissen sie wohl selber nicht (ganz abgesehen davon, dass die SPD bei allen Umfragen deutlich unter 20 Prozent gerutscht ist – also noch schlechter dasteht als die ebenfalls sturmgepeitschte österreichische Kanzlerpartei …).

Was aber viele Bürger in Deutschland zur Weißglut bringt: Es gibt bei allen Umfragen wie auch im gegenwärtigen Berliner Bundestag eine eindeutige und klare Mehrheit für den Weiterbetrieb aller Atomkraftwerke. Die CDU hat unter Friedrich Merz ganz klar den Anti-Atom-Kurs von Angela Merkel verlassen. Auch FDP und AfD sprechen sich angesichts der gegenwärtigen Lage eindeutig für AKW aus.

Dennoch kommt diese Mehrheit nicht zum Tragen. Aus einem einzigen Grund: CDU/CSU setzen den Kurs von Angela Merkel noch immer fort, dass die AfD unberührbar wäre, dass man mit ihr weder auf irgendeiner Regierungsebene noch bei Sachfragen kooperieren dürfe.

Die deutschen Unionsparteien verhalten sich damit ganz anders als die konservativen Parteien in Schweden, in Italien und (zumindest unter Schüssel und Kurz) in Österreich, wo man überall problemlos und erfolgreich mit sogenannten rechtspopulistischen, nationalkonservativen beziehungsweise postfaschistischen Parteien kooperiert (hat). Auch in Spanien und in anderen Ländern zeichnen sich solche Kooperationen ab, die in Osteuropa überhaupt ganz selbstverständlich sind. Im Gegensatz zur Denunziation durch die Linksparteien und die Mainstreammedien haben die meisten konservativen Parteien erkannt, dass durch Rechtspopulisten der Demokratie und dem Rechtsstaat kein Systemschaden droht.

In Deutschland wird das von der CDU hingegen aus lauter Political Correctness und Angst vor den Medien ganz anders gesehen.

CDU und die (heutige) ÖVP schaden sich damit massiv selber. Denn dadurch werden alle Wähler, deren wichtigstes (und gerade für klassisch Konservative gut verankertes) Wahlmotiv es ist, weder Rot noch Grün in der Regierung haben zu wollen, fast gezwungen, FPÖ beziehungsweise AfD zu wählen.

Auch die FDP erkennt zunehmend, wie sehr ihr das Zusammengehen mit Rot und Grün in der deutschen Ampelkoalition bei den eigenen Wählern schadet. Diese haben zwar einst das Koalieren mit der rechten SPD unter Helmut Schmidt gerade noch hingenommen. Die Grünen sind aber ein rotes Tuch für viele liberale Wähler.

Genauso groß ist der Schaden für die Konservativen auf EU-Ebene, wo sie noch immer an den Resten der Feuermauer zu den "Rechtspopulisten" festhalten. Dabei wären zumindest die angeblich postfaschistischen Fratelli der neuen italienischen Ministerpräsidentin Meloni eigentlich der ideale Partner für die konservativ-christdemokratische EVP-Fraktion. Sie sind das viel mehr als etwa der weiterhin in dieser Europäischen Volkspartei sitzende Silvio Berlusconi, der trotz des brutalen russischen Angriffskriegs seine Altmännerfreundschaft mit Wladimir Putin pflegt. Die Fratelli sind unzweideutig prowestlich und proamerikanisch. Sie sind klar positiv zur Familie und zur Kirche eingestellt. Sie sind marktwirtschaftlich und rechtsstaatlich und gegen den Schwulenkult. Mir ist also absolut rätselhaft, warum die EVP da nicht schon innig kooperiert und um Mitgliedschaft gebeten hat.

Aber solange die deutschen Konservativen und einige andere angsterfüllt die Denunziationen durch die Linken und durch den Mainstream nachplappern, werden sie um die neuen Konservativen einen Bogen machen. Dann werden sie halt immer Zweite bleiben, ob in Deutschland oder Europa. Oder gar auf den dritten Platz absinken.

Zugleich werden sich die Wähler – etwa in Deutschland, etwa in der Atomkraftfrage – immer öfter fragen, was das eigentlich für eine Demokratie ist, wenn jene Entscheidungen, die von einer eindeutigen Mehrheit der Wähler wie auch der Abgeordneten unterstützt werden, aus Dummheit oder Feigheit nicht zustandekommen, nur weil halt auch die AfD dafür ist …

PS: Köstlichkeit am Rande: Der deutsche Wirtschaftsminister Habeck regt sich neuerdings maßlos darüber auf, dass die USA durch ein massives Subventionsprogramm Unternehmen aus Europa in die USA locken.  Das einzige, was daran wundert, ist, dass sich Habeck wundert. Ist doch seine Partei jene, die die Wirtschaft mit immer neuen Steuern und Regulierungen belastet und belasten will (von den Frauenquoten bis zu den Lieferkettengesetzen). Und sie dadurch viel mehr vertreibt, als sie von den USA gelockt werden. Freilich: Dort betreibt man Fracking. Dort brauchen Unternehmen um ihre Energieversorgung keine Angst zu haben ...

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