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Thomas Schmid hat – aus unbekannten, daher dringend zu untersuchenden Gründen – den Anwalt gewechselt. Der einstige Spitzenbeamte hat prompt geglaubt, durch eine umfassende Aussage den sogenannten Kronzeugenstatus zu erlangen, und damit Straffreiheit oder Strafmilderung. Das ist eher in das Kapitel "Rührend" einzuordnen. Denn außer vagen, im Staatsanwaltschafts-Protokoll durch schlagseitiges Framing hochgezwirbelten Andeutungen hat er keine neuen Sensationen enthüllt. Schmid hat offensichtlich versucht, auf eine De-Facto-Erpressung zu reagieren, die die rote Staatsanwaltschaft seriösen Aussagen zufolge etwa schon beim Grasser-Verfahren versucht hat: "Liefern Sie uns Herrn …, dann lassen wir Sie laufen." Es ist zwar extrem zweifelhaft, ob ihm das vor einem unabhängigen Gericht helfen wird. Unabhängig davon bleibt rechtlich zumindest ein Aspekt dessen brisant, was Schmid gesagt hat. Für ihn selber brisant, für Kurz und für viele andere – darunter nicht zuletzt die Staatsanwälte selber.
Seine Aussage ist einerseits vom Versuch geprägt, seine eigene Haut doch noch durch Beschuldigung anderer zu retten, obwohl der – schon lange bekannte – Vorwurf gravierend ist, dass er Falschverbuchungen im Finanzministerium zu verantworten hat. Andererseits will Schmid eindeutig Rache an Sebastian Kurz nehmen, an den und dessen damals bevorstehende Karriere er sich einst geradezu aufdringlich herangeschmissen hat. In seiner Verzweiflung hat Schmid im Vorjahr offensichtlich geglaubt, dass Kurz es quasi als Dank schuldig sei, ihn aus seiner Lage herauszuboxen. Was freilich nicht einmal dann möglich gewesen wäre, wenn Kurz das gewollt hätte.
Was Schmid nun dem Altkanzler vorwirft, ist zum allergrößten Teil nur in den Augen einäugiger Staatsanwälte ein Delikt, in Wahrheit aber politische Praxis des Spitzenpersonals in allen Ministerien unter allen Parteien: Schmid gab zu, die Ressourcen des Finanzministeriums genutzt zu haben, "um das Fortkommen der ÖVP unter Sebastian Kurz zu unterstützen".
Nun, wenn das jetzt zum strafwürdigen Delikt geworden ist, dann müssen Hunderte schwarze, rote, blaue Spitzenfunktionäre vor Gericht. Sie alle haben ihre Tätigkeit dazu benutzt, um "das Fortkommen" (die typisch weltfremde Sprache weltfremder Juristen) der Partei ihres Ministers und – wenn deckungsgleich – auch des Regierungschefs zu unterstützen. In Wahrheit ist es sogar ihre Pflicht, den Minister zu unterstützen. Und das lässt sich nie von der Partei des Ministers trennen.
Die Frage ist nur: Wie haben sie das gemacht? Haben sie dabei Rechtswidrigkeiten begangen? Haben sie nur der Partei genutzt und dem Minister geschadet? Oder haben sie der Republik geschadet?
Diesbezüglich sind die meisten von Schmid laut Staatsanwaltschaftsprotokoll genannten Dinge aber wenig substantiell, mit denen Schmid dem "Fortkommen" von Kurz genutzt haben soll. "Konkret" wird dazu angeführt: durch Personal im Kabinett, durch "Wordings", durch Berechnungen, durch Vorbereitung für Verhandlungen einer neuen Regierung, durch Personalbesetzungen manchmal auch am Minister vorbei "für Sebastian Kurz und seine Zwecke". Nun im Gegensatz zu dieser mehr als abfälligen Protokollformulierung im hasserfüllten Stil der Staatsanwälte sollte es eigentlich sogar Pflicht eines Beamten sein, genau das zu tun, solange der zuständige Minister einverstanden ist: Schließlich war Kurz Bundeskanzler. Und ein solcher sollte eigentlich durch Berechnungen, Verhandlungsunterlagen und ähnliches von allen Ministerien zu unterstützen sein.
Es gab mit absoluter Sicherheit auch keinen anderen Bundeskanzler der Republik, der nicht konkrete Personalwünsche in Hinblick auf Beamtenbesetzungen einzelner Ressorts geäußert hätte. Schließlich ist er auch ohne "Richtlinienkompetenz" für die Performance, die Qualität und das Auftreten der ganzen Regierung verantwortlich und ist jeder Minister nur auf seinen Vorschlag hin ernannt worden.
So erinnere ich mich – als damaliger Außenpolitik-Journalist – noch sehr gut, wie Bundeskanzler Kreisky speziell in Hinblick auf das einst von ihm geleitete Außenministerium immer wieder sehr konkrete Besetzungswünsche geäußert hatte, als er lange nicht mehr Minister gewesen ist. Kein Mensch hat das damals als rechtswidrig angesehen.
Außerdem können jene Posten, die Generalsekretär Schmid am eigenen Minister vorbei besetzen konnte, nicht sehr bedeutend gewesen sein. Denn die Besetzung jeder wichtigeren Funktion geht absolut immer über den Ministerschreibtisch. Und sollte sich der nicht gekümmert haben, kann man nicht Schmid oder Kurz, falls der Wünsche geäußert haben sollte, daraus einen Vorwurf machen, sondern höchstens dem Minister. Es sei denn, Schmid habe dessen Unterschrift gefälscht oder Untergebenen gegenüber gelogen, dass der Minister etwas wolle, von dem dieser gar nichts gewusst hat.
Es kann aber auch nicht strafbar sein, wenn sich jemand anderer an Schmid gewendet und sich eine Personalmaßnahme gewünscht hat. Jeder Politiker, jeder Minister hat einen Posteinlauf voll von solchen Wünschen. Verantwortlich ist aber dennoch immer nur der Minister selber – oder die zuständigen Beamten etwa einer Personalkommission, ob sie inkorrekt entscheiden.
Wenn im Staatsanwaltschafts-Protokoll steht "für Kurz und seine Zwecke", dann darf, wie bei jedem Bundeskanzler, angenommen werden: Auch für Sebastian Kurz war sein Haupt-"Zweck", gut und erfolgreich zu regieren. Daher ist das Ganze nur dann relevant, wenn Schmid oder die Staatsanwälte Kurz nachweisen können, dass er bewusst "Zwecke" zum Schaden der Republik oder zur eigenen Bereicherung verfolgt hätte.
Ein anderer Vorwurf, den Schmid dem einst von ihm verehrten Kurz heute macht: Dieser habe vor einem Jahr von ihm verlangt, schriftlich entlastet zu werden und alle Chats an Kurz auszuhändigen. Auch daran können nur rote Staatsanwälte und Mainstreammedien etwas Verwerfliches sehen, dass ein unter schweren politischen und staatsanwaltschaftlichen Attacken stehender Politiker von einem angeblichen, sich vor der Öffentlichkeit versteckenden Kronzeugen verlangt, schriftlich entlastet zu werden. Solange dabei keine Lüge oder das absichtliche Verschweigen irgendwelcher Fakten verlangt wird, ist ein solches Verlangen das gute Recht jedes Unschuldigen oder sich unschuldig Fühlenden.
Ebenso verständlich ist das Verlangen von Kurz nach den "Chats": Ein ganzes Jahr sind Teile dieser von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten SMS- oder WhatsApp-Konversationen gezielt einschlägigen Medien zugespielt worden (samt dem berühmten Schimpfwort über Vorgänger Mitterlehner). Kurz selber hat aber nie Zugang zu den kompletten Chats erhalten. Da ist es nicht nur verständlich, sondern mehr als logisch, dass auch Kurz endlich die ganzen Chats haben will.
Düster wird diesem auch vorgeworfen, über die Inseratenaffäre "Bescheid gewusst zu haben". Dabei bleibt völlig unklar, worüber genau er Bescheid gewusst haben soll. Längst bekannt – und nicht strafbar – ist ja, dass Schmid den damaligen Außenminister Kurz regelmäßig über für Kurz günstige Umfrageergebnisse informiert hat. Aber es findet sich keinerlei Beweis, dass Kurz die Umfragen in Auftrag gegeben hätte oder dass Ergebnisse auf seinen Wunsch manipuliert worden seien oder gar, dass er davon gewusst oder dazu angestiftet hat, dass Schmid die Umfragen inkorrekt abrechnet.
Eher fraglich ist auch die Qualität eines weiteren Vorwurfs: Das ist die von Schmid berichtete Intervention von Parlamentspräsident Sobotka wegen der Steuerprüfungen beim Alois-Mock-Institut. Da Sobotka Präsident dieses Instituts ist, kann ihm ein Protest gegen die Vorgangsweise bei einer Steuerprüfung nicht vorgeworfen werden. Genausowenig ist es strafbar, dass einige von den Staatsanwälten jetzt ebenfalls ins Visier genommene Unternehmer ähnliche Proteste eingebracht haben.
Rechtlich relevant wird das erst, wenn sich die für die Steuerprüfungen Zuständigen dadurch unter Druck gesetzt gefühlt und deshalb eine inkorrekte Entscheidung gefällt haben sollten. Was relativ leicht überprüfbar ist, auch wenn klar ist, dass bei jeder Steuerprüfung ein gewisser Ermessensspielraum bleibt.
Aber wenn eine solche Intervention an sich strafbar wird, dann ist jedenfalls klar: Der ganze Strafprozess gegen Karlheinz Grasser muss nichtig sein, nachdem schon vor diesem Prozess der Ehemann der Richterin öffentlich gegen diesen gehetzt hat. Und die Staatsanwälte müssten die ersten sein, die das beantragen.
Es gibt jedoch einen Punkt, der juristisch aus der von allen Mainstreammedien gefeierten "schweren Belastung für Kurz" durch das Schmid-Protokoll übrigbleiben könnte: Das sind die Inseratenschaltungen. Dabei ist weniger der "Vorwurf" relevant, dass das Finanzministerium regelmäßig dem Bundeskanzleramt unter Sebastian Kurz einmelden musste, welche Inseratenbudgets das Finanzministerium wo platziert hat. Auch wenn das die roten Staatsanwälte nicht wissen sollten: Erstens, genau das ist sowieso regelmäßig – wenn auch mit Verzögerung – in der Medientransparenzdatenbank nachlesbar; und zweitens war das Kanzleramt für Medien zuständig.
Der zweite Teil des Vorwurfs trifft das Finanzministerium selbst: Rund um den Wahlkampf 2017 (in dem Kurz noch nicht Bundeskanzler war) seien vom Finanzministerium Inserate "in allen Medien" geschaltet worden. Ohne dass das im Protokoll so zu lesen wäre, wird damit insinuiert, dass man damit alle Medien wohlwollend für die Kurz-ÖVP einnehmen wollte.
Diese Vorgangsweise ist ungut und problematisch – aber in Wahrheit seit langem geübte und bekannte Praxis mehrerer Ministerien! Von denen war 2017 die Hälfte SPÖ-geführt. Jedenfalls ist das regelmäßige Anschwellen der aus Steuermitteln kommenden Inseratenumsätze in Wahljahren seit langem ebenfalls durch den Medientransparenzbericht gut dokumentiert.
Schmid weiter: Ein Mitarbeiter von Kurz habe ihm gesagt, dass diese Inserate "auf Kurz zu buchen" seien, also dem damaligen ÖVP-Obmann zugute kommen sollen. Plötzlich interessiert sich das Protokoll aber nur noch für die Berichterstattung in der Mediengruppe "Österreich", zu der im Protokoll von redaktioneller Gegenleistung die Rede ist.
Damit sind wir bei jenem Punkt angekommen, wo es strafrechtlich unsauber wird, unabhängig davon, dass es den Staatsanwälten schwerfallen wird, Kurz selbst eine Schuld daran zuzuschieben, was einer seiner Sprecher gesagt haben soll.
Aber die Schaltung von Inseraten aus Steuergeldern zu parteipolitischen Zwecken klingt dennoch nach Amtsmissbrauch und verdient daher intensive Beachtung. Allerdings weit über die Drehung hinaus, die die Staatsanwälte der Sache zu geben versuchen. Denn:
Der letztgenannte politische Vorwurf ist aber auch Sebastian Kurz ganz persönlich zu machen: Er hat lange mit Zorn gesehen, wie die SPÖ über Jahrzehnte – insbesondere in Wien, aber seit Werner Faymann auch auf Bundesebene – sich mediale Zustimmung um unser Steuergeld gekauft hat. Aber statt das abzudrehen, hat er versucht, dabei dann auch von schwarzer Seite mitzumachen. Auch die Blauen haben da in ihrer Regierungszeit keinerlei Druck für ein solches Gesetz gemacht, sondern sich lieber für ihre eigenen Hobbies interessiert (von Polizeipferden bis zum Rauchen im Gasthaus …).
Die Schuld dieses Versäumnisses bleibt auf den Schultern des Sebastian Kurz und von Schwarz-Blau. Das ändert aber nichts daran, dass es eine viel größere Schuld und Sauerei ist, wenn die roten Staatsanwälte das nur in eine Richtung, aber nie bei den noch viel schlimmer sündigen Sozialisten untersuchen.
Dass Staatsanwälte evidente Delikte gezielt nur in eine Richtung untersuchen, riecht meilenweit nach Amtsmissbrauch. Natürlich bei aller Unschuldsvermutung.
PS: Apropos Kurz und die Justiz: Wie brutal und einseitig die SPÖ fast alle justizähnlichen Strukturen unterwandert hat, sieht man auch am sogenannten Presserat. Dort sind alle drei "Senate" knallrot geleitet, einer davon etwa von der ehemaligen SPÖ-Justizministerin Maria Berger. Kurz hat sich in seinem vor kurzem erschienenen Buch zu Recht darüber beklagt, dass dieser Presserat unter Leitung Bergers an einer Karikatur nichts auszusetzen hatte, in der seine Partnerin als halbnackte Mutter Gottes abgebildet worden ist. Noch viel mieser war jetzt die Twitter-Erwiderung dieses von der Gewerkschaft dominierten Presserates auf das Kurz-Buch: "Es gibt einen feinen Unterschied: Frau Berger ist nicht mit einem Politiker zusammen, der einen ,Scwarz (sic) macht geil‘-Wahlkampf geführt hat. Und sie hat sich auch nicht auf Instagram mit so jemanden (sic) gezeigt." Zwar wurde dieser Tweet dann (wohl nicht nur der genossen-üblichen Rechtschreibfehler wegen) gelöscht, aber er zeigt dennoch, welche Geisteskinder dort generell amtieren (das erinnert mich mit Stolz daran, dass ich einst mit der von mir geleiteten Zeitung aus dem Presserat ausgetreten bin, als dieser die Partei des kommunistischen Milosevic-Regimes ergriffen und einen – wie inzwischen hundertfach nachgewiesen korrekten – Korrespondentenbericht über serbische Gräuel im Kosovo verurteilt hat).