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Die Verschwörungstheorien der Staatsanwälte und ein kaputter Kronzeuge

Sebastian Kurz lässt sich doch nicht so wehrlos abwatschen, wie es sich die Genossen in der Justiz vorgestellt haben. Sein Gegenangriff bringt die Strafverfolger neuerlich in Beweisnot, kaum dass sie durch die nach 15 Verhörtagen erpresste Aussage des Thomas Schmid erstmals geglaubt haben, etwas Beweisartiges in Händen zu haben. Die Verschwörungstheorien der roten Staatsanwälte, die seit zwei Jahren das Land lahmlegen, haben jedenfalls einen zunehmend heftiger gewordenen Watschentanz ausgelöst, bei dem es von beiden Seiten gar nicht mehr tanzschulmäßig zugeht. 

Nicht ganz von der feinen Art ist zweifellos, dass Kurz ein vor einem Jahr geführtes Telefonat mit Thomas Schmid offensichtlich ohne dessen Wissen mitgeschnitten hat. Kurz hat nun ein Transkript dieses Gesprächs veröffentlicht – das die während der letzten Monate in geheimen Verhören gemachten Behauptungen Schmids ziemlich klatschend widerlegt.

Die Erstellung wie auch Veröffentlichung eines solchen Transkripts ohne Wissen des Gesprächspartners ist zwar nicht fein, aber kein Delikt. Problematischer ist erst die Weitergabe des Tonband-Mitschnitts selber. Aber auch dazu gibt es bereits eine Judikatur, dass das nicht strafbar ist, wenn ein geheimer Mitschnitt die einzige Möglichkeit ist, um sich gegen falsche Anschuldigungen in einem Gerichtsverfahren zu verteidigen. Außerdem kann sich Kurz damit rechtfertigen, dass ihm ja schon seit längerem Ausschnitte aus ebenfalls vermeintlich privaten Chats vorgehalten werden.

Die Veröffentlichung ist auch dadurch eindeutig gerechtfertigt, dass am Vortag des gesamte "Geständnis"-Protokoll des Thomas Schmid bei zahllosen Medien gelandet ist. Ein Protokoll, von dem man ein paar Stunden vorher nicht einmal gewusst hat, dass es existiert ...

Bis heute weiß man im Übrigen nicht einmal, wo die 15(!) Tage dauernde geheime Schmid-Vernehmung eigentlich stattgefunden hat: War das wirklich in Österreich? Das erscheint eigentlich unwahrscheinlich, da Schmids Gesicht hierzulande allzu bekannt wäre. Haben sich Staats- und Rechtsanwälte wochenlang in die Niederlande begeben? Das würde als Geheimaktion wiederum außenpolitische Probleme aufwerfen (Am Rand führen die Vorgänge der letzten Stunden auch zu einer weiteren Randpointe: Bis vor wenigen Tagen haben sich SPÖ und Verbündete maßlos darüber erregt, dass das Innenministerium ihnen im Parlament nicht Schmid vorführt – während das Justizministerium schon lange mit ihm zusammengesessen war und das Parlament nicht informiert hat! Oder waren die Abgeordneten sehr wohl informiert und haben uns gar angelogen? Mit allem muss man ja derzeit rechnen).

Noch viel unfeiner ist jedoch das Verhalten der Gegenseite. Wenn der Rechtsanwalt Thomas Kralik die Wahrheit sagt, hat er noch im August nichts davon gewusst, dass Schmid schon seit – mindestens – April mit Hilfe eines ganz anderen Rechtsanwalts eine Kooperation mit der Staatsanwaltschaft begonnen hatte. Falls das stimmt, dann ist das Verhalten des neuen Rechtsanwaltes nach Aussage mehrerer befragter Anwälte zumindest "extrem unkollegial".

Beides wird aber total in den Schatten gestellt durch die sich nun mit aller Vehemenz auftuende Frage: Von wem ging der Anwaltswechsel eigentlich aus?

  • Von Schmid ganz aus eigenem? Dann bliebe nur die erwähnte Unkollegialität als Faktum.
  • Vom neuen Anwalt? Dann ist dessen Verhalten eindeutig disziplinär zu ahnden.
  • Von der Staatsanwaltschaft, indem sie Schmid vorgegaukelt hat, dass er durch einen Anwaltswechsel günstiger davonkäme? Dann wird das Ganze endgültig zum Skandal, der spätestens jetzt die Justizministerin zum Vorgehen gegen die WKStA zwingen müsste!

Es gab jedenfalls schon andere, ebenso bedenkliche Fälle, wo Staatsanwälte einem Beschuldigten den Wechsel der Rechtsvertretung nahegelegt haben. Es gab auch bekannte Fälle, in denen Staatsanwälte einem Beschuldigten gesagt haben: Wenn er einen bestimmten Dritten beschuldige, dann werde man ihm helfen, gut aus dem Verfahren davonzukommen.

Ein weiteres auffallendes Indiz ist die Tatsache, dass der neue Rechtsanwalt aus einer Kanzlei kommt, die als dem linken SPÖ-Flügel nahe gilt, und damit zweifellos auch der WKStA:

  • So hat sich das bekannteste Mitglied dieser Kanzlei öffentlich schon wie ein Politiker intensiv für die SPÖ-Forderung nach einem "Lieferkettengesetz" eingesetzt (das jedem Importeur die volle rechtliche Haftung für die Einhaltung aller Sozial- und Umweltstandards auch durch Sub-Sub-Sub-Sub-Lieferanten in der Dritten Welt auferlegen würde, was den gesamten Welthandel zum Kollaps bringen muss, und was Österreich beziehungsweise Europa schwerst schaden würde, wenn ein solches Lieferkettengesetz nur für hiesige Unternehmen gelten sollte).
  • So ist von dieser Kanzlei auch jener Anwalt verteidigt worden, welcher der – bisher – bekannteste Drahtzieher hinter dem Ibiza-Lauschangriff ist (Freilich sei betont, dass man einen Anwalt nie mit seinen Klienten gleichsetzen darf – auch wenn es beispielsweise kein Zufall ist, dass sich auf der anderen Seite Kurz durch den ÖVP-Kommunalpolitiker Werner Suppan anwaltlich vertreten lässt).

Wie auch immer: Die Formulierungen, die Schmid im Telefonat mit Kurz vor genau einem Jahr gemacht hat, sind jedenfalls eindeutig. Sie beweisen, dass Schmid bei den 15-tägigen Geheimvernehmungen haargenau das als "Kronzeugenaussage" gesagt hat, was die Staatsanwälte schon lange hören wollten, was sie sich in ihrer Anti-Kurz-Verschwörungstheorie schon lange zusammengereimt haben. Vor einem Jahr jedoch hat Schmid das noch zurückgewiesen und ganz anders gesehen, wie jetzt bewiesen ist.

Da hat Schmid im Telefonat mit Kurz noch wörtlich über die Staatsanwälte gesagt: "Die bauen sich ihre eigenen Geschichten zusammen". Inzwischen jedoch plappert er sie nach – der Grund dafür ist nicht schwer zu erraten.

Die wichtigsten Passagen des Telefonats wörtlich:

Kurz: "Was sie uns da strafrechtlich vorwerfen, kannst du dir das irgendwie erklären?" (und fügt hinzu, dass er wegen dieser Vorwürfe gar nicht mehr schlafen könne und an sich selbst zweifle, ob er irgendetwas vergessen habe) "Aber ich hab dir doch nie irgendwie ... wir haben doch nie einen Auftrag gegeben, oder wir haben doch nicht einmal über Inserate und sowas geredet ... oder ich habe doch nie gesagt, du sollst der Beinschab jetzt irgendwelche Aufträge geben."

Schmid: "Na, aber das is eben das Schlimme, dass man eben ... dass die ja ihre eigene Geschichte zusammenbauen, ja." Die Meinungsforscherin Beinschab habe einmal in der Woche Erhebungen gemacht, "und dann hat man halt noch 1-2 Fragen angehängt, ja", erklärt Schmid laut dem Transkript. "Dass diese deppate Kuh dann diese Rechnungen da umeinanderschickt und, aus dem die jetzt machen, das war alles ein Auftrag, das war eine ganz andere Sache." Weder er noch Johannes Frischmann (damals im Finanzministerium und später Sprecher von Kurz als Kanzler) hätten Inserate in Millionenhöhe beauftragt, sondern das seien große Kampagnen gewesen, die das Finanzministerium laufend gemacht habe.

Kurz: "Aber das heißt, du glaubst schon, dass sich das aufklären lässt, diese Dinge auch."

Schmid:  "Ja ... ich ... man muss auch alles daran setzen, dass man das aufklären kann."

Kurz: "Ich find nur so skurril, wie kann man sagen, ich hätte das beauftragt. Oder ich hätte das angestiftet. Das verstehe ich irgendwie nicht. Also ich finds einfach so eine Frechheit, dass man mir das unterstellen kann. Ich könnt jeden Tag irgendwie explodieren."

Schmid: "Jaja, und das ist das Schlimme an denen, weil die bauen sich ihre eigenen Geschichten zusammen und dann ziehen sie alle möglichen Leute hinein, ja." Wie man auf den Vorwurf der Anstiftung komme, "das kann ich dir nicht beantworten … das behaupten's dann einfach, ja."

Im späteren Staatsanwaltschaftsprotokoll klang es dann ein paar Monate später – nach einem 15-tägigen Verhör – total anders: Kurz, so Schmid laut diesem späteren Staatsanwaltschaftsprotokoll wörtlich, hätte gewusst, dass seine Mitarbeiter Umfragen, die ihm bei der Eroberung des ÖVP-Parteivorsitzes und des Kanzleramtes helfen sollten, über das Finanzministerium finanzieren würden. "Ja, das war ihm klar. Mir ist ganz wichtig zu betonen, dass ich dieses Tool nur deswegen umgesetzt habe, weil ich von Kurz den Auftrag bekommen habe. Ich habe dieses Tool für Kurz umgesetzt."

Ob die Staatsanwälte einen Richter finden, der ihnen glaubt, dass der seit langem massiv unter Druck der Justiz stehende und bei dem 15-tägigen Verhör um den Kronzeugenstatus ringende Schmid dabei eher die Wahrheit gesagt hat als in einem scheinbar privaten Telefonat vor einem Jahr, ist zweifelhaft – aber nach dem seltsamen Verlauf der Verfahren gegen die Herren Westenthaler und Grasser (in erster Instanz) nicht auszuschließen.

Dabei ist eine andere Tatsache vielleicht noch viel gewichtiger als das jetzt aufgetauchte Telefon-Protokoll: Selbst in Hunderttausenden Nachrichten des Chat-süchtigen Schmid – darunter viele mit Kurz – ist von den Staatsanwälten kein einziger Text gefunden worden, dass Kurz ihn angestiftet oder von den unsauberen Abrechnungen auch nur gewusst hätte.

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