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Der Tod einer Verschwörungstheorie in der Ostsee

Tagelang haben wir rätseln müssen, wer eigentlich was bei den geheimnisvollen Explosionen an der Gasleitung Nordstream in der Ostsee wirklich angestellt hat. Während die Klimapaniker vor allem den Austritt von Methan dramatisiert haben (der sich nun als deutlich harmloser erwiesen hat als anfangs dargestellt), hat man rechtsaußen wie linksaußen sofort gewusst: Das waren die Amerikaner. Der wohl schlagendste Beweis, was da passiert ist, ist aber jetzt ausgerechnet aus Moskau gekommen.

An sich schien ja die Logik der Verschwörungstheoretiker etwas für sich zu haben: Je weniger Gas aus Russland kommen könne, desto mehr Flüssiggas könnten die Amerikaner exportieren. Außerdem habe der amerikanische Präsident Biden schon vor etlichen Monaten wilde Drohungen gegen die neue Pipeline Nordstream 2 ausgesprochen.

Zunehmend erwiesen sich aber diese Indizien gegen die USA als dünn:

  • Denn amerikanischn Flüssiggasimporte nach Europa werden ja nicht mehr dadurch limitiert, dass Europa – oder Deutschland – lieber billiges russisches als teures amerikanisches Gas kaufen will; das heißt aber, dass es gar kein ökonomisches Interesse der USA mehr an der Zerstörung der Pipelines geben kann.
  • Denn das russische Gas ist längst nicht mehr billiger als Flüssiggas; und auch die Deutschen (und Österreicher) würden gerne und auch ganz ohne Leitungs-Lecks einem Boykott des russischen Gases zustimmen (so wie das beim Erdöl umgesetzt worden ist), gäbe es nur ausreichend Alternativen.
  • Denn der wahre Engpass für das Flüssiggas liegt ganz wo anders: Es gibt viel zu wenig Anlagen in Europa, mit denen dieses von Schiffen entladen und zu Gas rückverwandelt werden kann.
  • Denn es gibt auch keine ausreichenden Pipeline-Kapazitäten, mit denen dann das Gas von diesen Häfen weiter zu Konsumenten und Industriebetrieben transportiert werden könnte.

Deswegen versucht Deutschland ja jetzt sogar, die spanischen Entlade-Anlagen zu nutzen. Spanien ist derzeit das einzige europäische Land, das noch Kapazitäten für einen zusätzlichen Import von Flüssiggas frei hat. Blöderweise liegt aber Spanien ziemlich weit weg von Deutschland. Daher wollen Deutsche und Spanier jetzt eine Pipeline bauen – quer durch Frankreich.

Nur will das Frankreich wiederum ganz und gar nicht. Es meint: Die Deutschen sollen doch lieber bei ihrer Energieversorgung auf den französischen Atomstrom umsteigen, den Frankreich im Überfluss habe (freilich nur, wenn man die zuletzt monatelang massenhaft auftretenden Service-Probleme bei den französischen AKW ignoriert …). Frankreich wird in absehbarer Zeit sogar noch mehr Strom abzugeben haben, da die Regierung jetzt den Bau von sechs weiteren Kraftwerken beschlossen hat. Atomstrom wollen aber wiederum die Deutschen – sie erfreuen sich ja einer Regierung mit grüner Beteiligung – ganz und gar nicht haben.

Wie auch immer dieser Streit zwischen den drei involvierten großen EU-Staaten ausgeht: Man sieht daran mit erstaunlicher Deutlichkeit, wie viel die alle 14 Tage lauthals bejubelte deutsch-französische Freundschaft wirklich wert ist, wenn es einmal um wirkliche nationale Interessen oder gar um ideologische Panik-Inszenierungen geht.

Zurück zu Nordstream: Tatsache ist, dass die USA und insbesondere Polen immer wieder den Deutschen nahegelegt haben, dass Nordstream 2 trotz der Achse Putin-Schröder nicht in Betrieb geht – letztlich auch mit Erfolg. Hingegen haben sie nie irgendeine Kritik an Nordstream 1 geäußert. Diese Pipeline liefert immerhin schon elf Jahre Gas von Russland über die Ostsee nach Deutschland – zumindest bis vor kurzem auch ohne Probleme.

Überdies kann kein Zweifel bestehen: Würden seriöse Beweise auftauchen, dass die Unterwasser-Explosionen das Werk amerikanischer Taucher gewesen sind, wäre es mit der europäisch-amerikanischen, und vor allem der deutsch-amerikanischen Freundschaft schlagartig und komplett zu Ende. Es ist nicht wirklich vorstellbar, dass eine amerikanische Regierung so schwachsinnig ist, diesen noch immer wichtigen Teil ihrer Außenpolitik für einen gar nicht mehr vorhandenen Vorteil zu riskieren. Und der zaghafte Biden tut das schon gar nicht.

Sehr intressant ist hingegen die Analyse dieses unabhängigen Militärexperten, der ein starkes russisches Motiv an der Zerstörung herausarbeitet: Moskau schicke mit den Ostsee-Explosionen ein gezieltes Signal an den Westen, wie leicht dessen Infrastruktur zerstört werden kann, von der viel mehr durchs Meer läuft, als den meisten Europäern bewusst ist: Dort liegen viele Leitungen für Gas, für Öl, für Telefon, für Strom, ganz besonders auch fürs Internet. Westliche Regierungen würden dieses Signal aber aus Angst totschweigen, da sonst Panik entstehen könnte.

Trotz all dieser Indizien beharren manche: Aber die Amerikaner waren es ja doch – schon deshalb, weil für Links- wie Rechtsradikale alles Böse immer ganz automatisch nur von den Amerikanern ausgehen kann.

Jedoch: Nach dem, was jetzt der russische Energieminister Nowak überraschenderweise  gesagt hat, kann es vernünftigerweise keine Zweifel mehr geben: Es sind die Russen selber gewesen, die da am Meeresboden Sprengungen ausgelöst haben. Denn Nowak gibt zu, dass die Sabotageaktionen die Leitung Nordstream 2 verschont haben!

Die (von Deutschland bisher abgelehnte) Inbetriebnahme genau dieser Leitung ist seit langem das strategische Hauptziel der russischen Energiepolitik. Denn mit dem kapazitätsstarken Nordstream 2 könnten sie die Leitungen durch die Ukraine austrocknen lassen.

Diesem Ziel haben ja auch schon seit vielen Wochen die russischen Aktionen gedient, mit denen sie unter den unterschiedlichsten Vorwänden seit Monaten Nordstream 1, die weitgehend parallel zu Nummer 2 laufende ältere Pipeline, seit längerem lahmgelegt haben. Einmal hat Moskau das gelieferte Gas auf 20 Prozent der vereinbarten Menge reduziert. Dann wieder war eine Turbine kaputt und es wurde gar kein Gas mehr geliefert. Dann hat Russland skurrile Schwierigkeiten gemacht, die im Westen reparierte Turbine  zurückzunehmen. Dann wurde eine – zuerst befristete, zuletzt unbefristete – Service-Unterbrechung ausgerufen. Und als diese endlich zu Ende zu gehen schien, da kam es jetzt zu den geheimnisvollen Explosionen.

In Europa hat man anfangs – auf Grund russischer Informationen, da ja die Vorgänge am Meeresgrund vorerst noch kaum unabhängig untersucht werden konnten, – geglaubt, diese Explosionen hätten alle beide Nordstream-Leitungen getroffen. Eine solche Doppelexplosion wäre eigentlich nicht im Interesse Russlands gewesen und schien daher ein Indiz für die Theorie zu sein "Die Amerikaner waren’s".

Doch jetzt sagte Russlands Energieminister Nowak wörtlich Erstaunliches: "Was Nordstream2 betrifft, so ist diese Pipeline bisher nach vorläufiger Einschätzung tatsächlich in technisch geeignetem Zustand." Und er bot gleich wieder das an, was Russland seit einem Jahr erzwingen will: also durch diese Leitung Gas nach Europa zu liefern.

Durch diese Nowak-Worte haben wir zweierlei erfahren:

  • ausgerechnet das von Russland forcierte Nordstream 2 ist nicht beschädigt worden (oder höchstens symbolisch und kann leicht geflickt werden).
  • Und Russland weiß viel genauer als der Rest der Welt, was da am Meeresboden wirklich passiert ist; sonst könnte Nowak keinesfalls so genaue Aussagen machen.

Ob Europa angesichts des Gasmangels  diesen – seit langem ständig wiederholten – erpresserischen Vorschlag der Russen vielleicht doch noch akzeptiert, ist realistischer Weise als offen zu bezeichnen. Nicht mehr offen ist aber seit Nowaks Angebot die Schuldfrage, wer für die Explosionen verantwortlich ist.

Denn jetzt zeigen nicht nur die weiter oben angeführten Indizien, sondern eben auch die bei Verbrechensaufklärungen so oft entscheidende Frage "Cui bono?" eindeutig, dass da russische Saboteure am Werk gewesen sein müssen. Denn jetzt ist sonnenklar: Bomben gegen Nordstream 1, die Nordstream 2 verschonen, platziert nur einer, der Nordstream 1 schon lange sabotiert, und der stattdessen Nordstream 2 aktivieren will. Aber keinesfalls ein Land, das die Inbetriebnahme von Nordstream 2 verhindern will, aber nie Kritik an Nordstream 1 geübt hat.

Damit ist die ganze Verschwörungstheorie geplatzt. Sie reiht sich einer ganzen Reihe ähnlicher Pseudo-Erklärungen an:

  • etwa der russischen Propagandabehauptung, dass man die Ukraine angreifen habe müssen, um einem westlichen Angriff auf Russland zuvorzukommen;
  • etwa der noch immer kursierenden Story, dass die Corona-Pandemie deshalb ausgelöst worden sei, weil Bill Gates durch die Impfungen "seine" Chips in die Körper der Menschen hineinjagen will;
  • etwa den linken Verschwörungstheorien, dass die reichen Länder schuld an der Armut mancher Drittweltländer seien (obwohl es in Wahrheit ganz umgekehrt dem Süden immer nur deshalb besser geht, weil es auch dem Norden gut geht);
  • oder etwa der zweiten linken Standard-Behauptung, dass es den Menschen besser ginge, würden die Arbeitgeber nicht mehr die Arbeitnehmer "ausbeuten" können (wenn also staatliche Planwirtschaft herrscht).

Vielleicht ist auch das Folgende nur eine Verschwörungstheorie, sei in aller Deutlichkeit gesagt. Aber jedenfalls haben wir zu diesem Komplex sicher noch nicht die ganze Wahrheit erfahren: nämlich zum geheimnisvollen "Unfall" in der Raffinerie Schwechat. Durch diesen ist ausgerechnet gleichzeitig zur von Russland ausgelösten Gas-, Energie- und Invasions-Krise monatelang die österreichische Dieselproduktion unterbrochen worden. Wir würden uns jedenfalls viel besser fühlen, würde dieser "Unfall" ordentlich untersucht – nicht nur (angeblich) von der OMV, sondern auch von den Polizeikriminalisten und den österreichischen Geheimdiensten – soweit diese halt noch arbeitsfähig und von der wütenden WKStA noch nicht ganz kaputt gemacht worden sind. Jedenfalls wird sonst immer bei jedem Unfall nach einem Täter gefahndet, der da fahrlässig agiert hat, der da irgendeinen Fehler begangen hat. Zum Diesel-"Unfall" hören wir gar nichts.

Dieses Desinteresse von OMV und Justiz-Behörden (die aber gleichzeitig immer Zeit und Lust haben, jedem politisch inkorrekten Wort nachzujagen) an einer kompletten und öffentlich kommunizierten Aufklärung macht stutzig. Ebenso wie die Tatsache, dass gerade gleichzeitig mit dem russischen Gaskrieg in Frankreich so viele Atomkraftwerke gleichzeitig ausgefallen sind wie noch nie, angeblich für ganz normale Servicemaßnahmen. Ist man nur deshalb so verschwiegen, weil man keinesfalls eventuelle Nachfolgetäter auf schlechte Ideen bringen will?

Kein Zufall ist es jedenfalls, dass sich zu allem Überdruss für Europa ausgerechnet jetzt die Ölstaaten, zu denen auch ein Land namens Russland gehört, einig geworden sind, die Ölproduktion massiv einzuschränken, um die Preise weiter in die Höhe zu jagen.

Gewiss: Nicht immer, wenn es raucht, muss darunter ein Feuer brennen. Aber ein solches ist schon sehr oft die Ursache. Und hier raucht halt sehr viel. Der alte Geheimdienstler Putin steht mit dem Rücken zur Wand. Da können zweifellos ein paar gleichzeitige Aktionen seiner Exkollegen aus dem russischen Geheimdienst sehr hilfreich für ihn sein. Diese Exkollegen können nämlich durchaus mehr als nur Giftattentate gegen Putin-Kritiker ausführen …

Die nunmehr wohl mit ausreichenden Beweisen erfolgte Klärung der Explosionen bedeutet aber auch eine Riesenherausforderung: Europa muss sich intensiv auf den Schutz seiner sensiblen Infrastruktur gegen weitere Sabotageaktionen vorbereiten. Das ist eine nicht ganz neue Aufgabe, die man aber bisher nicht in den Griff bekommen hat:

  • So erinnere ich mich an ein Bundesheer-Seminar, bei dem schon vor vielen Jahren intensiv über den Schutz der Wiener Hochquellenwasserleitungen gegen Sabotage-Anschläge debattiert worden ist – damals hat man freilich "nur" an islamistische Täter gedacht.
  • Das erinnert aber auch an die 60er Jahre, als die Südtiroler "Bumser" gezielt italienische Hochspannungsmaste gesprengt haben.

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