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Ein Schweizer Rechtsexperte kam dieser Tage aus dem Erstaunen nicht heraus: "Wir leben im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz, fliegen zu fremden Planeten, schaffen in der Quantenphysik Sensationen – und dann scheitern Regierungen an einer Aufgabe, die schon im 19. Jahrhundert problemlos organisiert worden ist: an der Abhaltung ordentlicher Wahlen." Von Amerika über Österreich bis Hamburg und Berlin reichen die Beispiele, wo das nicht geschafft worden ist. Damit also auch in zwei Metropolen jenes Volkes, das einst geradezu als Erfinder von Bürokratie und Organisation gegolten hat. Am schockierendsten ist aber das rot-rot-grüne Versagen in Berlin.
Die Beispiele:
All das wird nun durch die Berliner Vorgänge vom 26. September 2021 noch weit in den Schatten gestellt. Diese werden von aller Welt mit offenem Mund beobachtet. Sie sind auch nach einem Jahr noch nicht rechtlich geklärt. Sie sind genauso schlimm für das Image Deutschlands, wie es etwa die Manipulationen bei der technischen Zulassung deutscher Autos gewesen sind. Dieser kumulierte Imageverlust wird vielfältige Folgen haben. Es lässt sich keinesfalls ganz ungeniert leben, wenn der Ruf erst einmal ganz ruiniert ist.
Eigentlich war die Aufgabe ganz einfach, wenn auch umfangreich: An jenem Tag vor einem Jahr waren in Berlin mit Erst- und Zweitstimme die neuen Bundestagsabgeordneten, sowie die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses und die Bezirksverordneten zu wählen, ferner war über die von linken Aktivisten verlangte Verstaatlichung von Wohnbauunternehmen (die allerdings höchstwahrscheinlich grundgesetzwidrig wäre) abzustimmen.
Die rot-rot-grüne Berliner Administration war jedoch von der Aufgabe total überfordert, das zu organisieren. Das führt direkt zu der bangen Frage, wie diese Stadtverwaltung denn bei komplizierteren Fragen agiert, wenn sie schon an dieser simplen Aufgabenstellung so grandios scheitert.
Wahllokale mussten damals wegen zu großen Andrangs oder fehlender Stimmzettel geschlossen werden. Anderswo wurden die falschen Wahlunterlagen ausgehändigt. In etlichen Lokalen wurde noch lange nach 18 Uhr abgestimmt, sodass die in langen Schlangen Wartenden bereits über Radio und Internet die Hochrechnung aus dem Rest Deutschlands erfahren und taktisch wählen konnten (worin penible Juristen eine klare Beeinträchtigung des Prinzips geheimer und gleicher Wahlen sehen).
Die Peinlichkeit der Vorfälle jenes Tages fasste ein Richter des deutschen Bundesverfassungsgerichts in einem empörten Satz so zusammen: Solche Vorgänge hätte man sich "in irgendeinem diktatorischen sogenannten Entwicklungsland, aber doch nicht mitten in Europa, mitten in Deutschland" vorstellen können.
Berliner können auch sonst wie Drittweltbürger vom Kollabieren der Verwaltung ihrer Stadt berichten. So dauert es dort viele Monate, bis man eine ganz normale Geburtsurkunde ausgestellt bekommt.
Zwar gibt es keinerlei Hinweise, dass damals jemand das Ergebnis manipulieren wollte. Also sind alle Vergleiche etwa mit den "Referenden" in den von Russland eroberten Gebieten der Ukraine total falsch.
Aber für die Berliner ist das Kollabieren ihrer Verwaltung dennoch blamabel. Waren doch auch die beiden Randfaktoren, die das Chaos verstärkt haben und auf die sich die Stadtverwaltung ausredet, absolut vorhersehbar gewesen: Das waren zum einen die damals geltenden Corona-Regeln; und das war zum anderen der gleichzeitig in Berlin abgehaltene Marathon, der angeblich die Boten behindert hat, welche die fehlenden Stimmzettel in die Wahllokale nachbringen sollten.
Das, was sich vor einem Jahr abgespielt hatte, war aber nur der erste Akt der Berliner Peinlichkeiten. Beim zweiten Akt darf man in diesen Tagen mit offenem Mund zuschauen: Der rot-rot-grüne Stadtsenat will ebenso wie die auf Bundesebene regierende Ampelkoalition – ganz im Gegensatz zur Empfehlung des Berliner Verfassungsgerichts – die Wahl nur in 300 der knapp 2300 Berliner Wahllokale neu durchführen lassen. Sie behaupten, dass nur dort konkrete Fehler nachgewiesen worden seien. Sie wollen auch lediglich die Zweitstimmenwahl zum Bundestag wiederholen.
Beides stinkt aber geradezu nach der nächsten Rechtswidrigkeit. Denn es gibt überhaupt keine Logik, dass die oben beschriebenen Unkorrektheiten sich nur auf die Zweitstimmen der Bundestagswahl ausgewirkt haben könnten. Natürlich sind auch die Erststimmen und die Wahlen für die Berliner Vertretungen betroffen, wenn Menschen nicht oder nicht ordentlich wählen können.
Das Ganze hat auch enorme bundespolitische Bedeutung: Denn der Linkspartei ist ja im Vorjahr überhaupt nur deshalb der Einzug in den Bundestag geglückt, weil sie in Berlin Erststimmenmandate errungen hat.
Sollte es bei dieser Entscheidung bleiben, dann muss sich Berlin, dann muss sich Deutschland heftig vor den immer als schlampig verschrienen Österreichern verstecken, die in einem ähnlichen – aber harmloseren – Fall überkorrekt reagiert haben. Denn die Verfassungsrichter in Wien haben 2016 die Wahl in ganz Österreich wiederholen lassen, obwohl nur in ein paar Dutzend Bezirken Unregelmäßigkeiten passiert sind.
Das spricht dafür, dass am Ende auch – irgendwann – die deutschen Verfassungsrichter in Karlsruhe ähnlich entscheiden dürften. Berlin, die Stadt wie die Bundesregierung, sollten daher besorgt sein, dass die Peinlichkeit nicht noch einen dritten Akt bekommt.
Dieser Text ist in ähnlicher Form in der Wochenzeitung "Epoch Times" veröffentlicht worden.