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Was da die grüne Justizministerin und eine Handvoll Richter und Staatsanwälte jetzt gefordert haben, ist der schlimmste Angriff auf die österreichische Demokratie seit den Dreißiger Jahren. Manche, die noch die Werte-Rhetorik der Linksaußenpartei im Ohr haben, werden vielleicht überrascht sein, dass da ausgerechnet die Grünen führend mitmachen. Noch mehr werden darüber schockiert sein, mit wieviel Sympathie etliche Medien den Vorstoß eines Juristenklüngels in Richtung auf einen undemokratischen Staat begleiten. Zur Ehre der österreichischen Rechtsanwaltschaft sei gesagt, dass sie auf massive Distanz zu diesen Forderungen gegangen ist. Dieser Klüngel verlangt, dass eine von jeder demokratischen Willensbildung völlig losgelöste Gruppe aus ihrer Mitte bei der Strafverfolgung exklusiv die komplette Macht bekommt. Damit wäre die Verfassung, laut der das Recht des demokratischen Rechtsstaats eigentlich vom Volk ausgehen sollte, endgültig ausgehöhlt. Denn wer die Strafverfolgung in die Hände bekommt, kann den ganzen Staat aushebeln. Dabei schreien die bisher völlig konsequenzlos gebliebenen Skandale der österreichischen Strafjustiz in den letzten Jahren und ganz besonders den letzten Tagen eigentlich genau nach dem Gegenteil: nach klaren Konsequenzen für Staatsanwälte, die zynisch auf unseren Grund- und Freiheitsrechten herumtrampeln. Und nicht nach noch mehr unkontrollierter Macht für ihre Kaste.
Die Staatsanwälte wollen sich künftig in einer Bundesstaatsanwaltschaft organisieren, die autokratisch ohne jede demokratische oder parlamentarische Kontrolle agieren kann. Sie können so de facto hemmungslos jeden Österreicher verfolgen, der ihnen politisch nicht zu Gesicht steht.
Die Realisierung dieses Wunsches wäre der endgültige Tiefpunkt jener Fehlentwicklung, die wir mit Entsetzen schon seit längerem bei der WKStA, der sogenannten Korruptionsstaatsanwaltschaft, sehen können. Diese hat Tausenden Österreichern schwer geschadet, zahlreiche berufliche und wirtschaftliche Existenzen vernichtet, ohne dass es irgendwelche Konsequenzen für sie gegeben hätte. Dabei sind weit mehr als 90 Prozent der von der WKStA verfolgten Mitbürger am Ende nie von einem Gericht rechtskräftig verurteilt worden.
Das schreit nach Konsequenzen. Diese hätte nach der jetzigen Rechtslage Parlament oder Justizministerin ergreifen können und müssen. Aber sie haben sie leider nicht ergriffen. Das haben die Staatsanwälte auch selbst sehr raffiniert zu hintertreiben verstanden: Insbesondere dadurch, dass sie gegen jeden Kritiker unter fadenscheinigster Argumentation Verfahren eingeleitet haben.
So etwa auch mit einem geradezu lächerlichen Vorwurf typischerweisegegen die ÖVP-Justizsprecherin (weil diese im Hauptberuf, den ja Abgeordnete völlig rechtskonform haben dürfen, bei einer Bank angestellt ist, was nach der paranoiden Staatsanwälte-Argumentation die Bestechung eines Abgeordneten gewesen wäre). So auch gegen den Kabinettschef eines ÖVP-Ministers. Die Staatsanwälte mussten diese Verfahren jetzt nach rund eineinhalb Jahren notgedrungen einstellen, ohne dass sie in dieser Zeit irgendeine relevante Aktion gesetzt hätten. Sie haben aber insbesondere diese Abgeordnete durch die Einleitung eines Strafverfahrens mit etlichem Erfolg lange Zeit mundtot gemacht. Das stellt im Grund auch einen schweren Bruch der in der Verfassung festgehaltenen Gewaltenteilung dar.
Besonders übel gingen die WKStA-Staatsanwälte gegen den freiheitlichen Landesrat Waldhäusl vor, weil dieser (angeblich jugendliche) Afghanen ihrer Meinung nach zu wenig komfortabel untergebracht habe. Gegen Waldhäusl haben sie nach jahrelangem Vorverfahren sogar einen Prozess gewagt. Aber auch diesen haben sie jetzt mit Bomben und Granaten verloren. Waldhäusl wurde freigesprochen.
Es klingt ganz nach Ablenkung von dieser zuletzt schon im Tagesrhythmus stattfindenden Blamagenserie, dass Grazer Staatsanwälte nun ein Strafverfahren gegen einen steirischen FPÖ-Abgeordneten wegen eines reinen Verbaldelikts eingeleitet haben. Auch in diesem Fall kann man fast jetzt schon wetten, dass er zu keiner Verurteilung führen wird.
Ähnliches haben die Politstaatsanwälte bei vielen anderen Objekten ihrer Aggression versucht. Immer wieder gelang es ihnen, diesen auch ohne Urteil schwere Schäden zuzufügen. Was durchaus oft gelungen ist. Es war nicht bei allen Opfern der Staatsanwälte der Einschüchterungserfolg so gering wie beim Tagebuch.
Längst hätte es jedenfalls Konsequenzen für die verantwortlichen (meist nicht sonderlich fachkundigen, dafür ideologisch umso stärker motivierten) Staatsanwälte geben müssen, die eine so hohe Anzahl von Strafverfahren erwiesenermaßen zu Unrecht eingeleitet haben. Sind doch die bis zu acht Jahre, die sich die Staatsanwälte Zeit lassen, für die Opfer eine absolute Katastrophe, in der sie oft Job und Familie verlieren. Und selbst bei jener kleinen Minderheit, die zu Recht verfolgt und am Schluss von einem unabhängigen Gericht auch verurteilt wird, waren Dauer und Begleiterscheinungen der Vorverfahren bei der Staatsanwaltschaft meist die schlimmere Strafe als jene, die dann das Gericht ausgesprochen hat.
Wirklich alle Opfer der Staatsanwälte, also auch die unschuldigen, haben darüber hinaus enorme finanzielle Schäden für Verteidigungs- und Sachverständigenkosten erlitten, die oft weit ins Sechsstellige hineingehen. Weder Republik noch die eigentlich schuldigen Staatsanwälte ersetzen ihnen diese Kosten.
Wir bräuchten also sogar dringend eine Strafrechtsreform mit folgenden Schwerpunkten:
Gerade in Anbetracht der globalen Vorgänge, wo sich von Russland bis Myanmar, von Iran bis Syrien die Exponenten der Strafjustiz als die schlimmsten Schergen bei der Unterdrückung der Menschenrechte betätigen, sollten alle Verteidiger des demokratischen Rechtsstaats auch hierzulande eigentlich viel sensibler werden.
Es gibt nur eine einzige theoretische Situation, wo das derzeitige Recht des Justizministers zu Weisungen an die Staatsanwälte problematisch werden könnte. Das könnte dann sein, wenn der Minister wider die Empfehlungen der Staatsanwälte die Strafverfolgung eines Menschen anordnet. So weit man weiß, ist das aber seit Jahrzehnten nicht passiert. Und jedenfalls ist es gut und richtig, dass Aufträge zur Strafverfolgung immer öffentlich gemacht werden müssen. Nach einer solchen Veröffentlichung ist klar, dass sich ein Minister dann allen öffentlichen Debatten stellen muss. Aber dennoch ist es gut, dass ein Poltiker das Recht zu solchen Weisungen hat: Denn sie könnten notwendig sein, wenn die Staatsanwälte aus Dummheit, Faulheit, Ideologie oder Korruption die Verfolgung eines gravierenden Delikts einstellen.
Auf der anderen Seite gibt es noch viel mehr eindeutige Situationen, wo aus außen-, staats- oder sicherheitspolitischen Gründen eine Verfolgung einzustellen ist. Man stelle sich etwa die Situation vor, dass wegen einer Notlandung der russische Außenminister in Österreich zwischenlanden muss. Dann wäre an sich seine strafrechtliche Verfolgung als eindeutiger Mittäter an einem Völkermord juristisch eindeutig legitim – aber es wäre überhaupt nicht im Interesse der Republik, den Mann wirklich in Österreich zu verfolgen. Das aber kann nur durch eine politisch verantwortliche Regierung geschehen.
Umso erfreulicher ist, dass sich die österreichischen Rechtsanwälte jetzt sehr kritisch gegen die Vorgänge in der Justiz wenden. Der langjährige Präsident der österreichischen Rechtsanwälte, Rupert Wolff, hat an diesem Wochenende den Rechtsstaat sogar schon "im Straucheln" gesehen. Und in Hinblick auf den verlangten Superstaatsanwalt meinte er verächtlich: "Neue Ämter mit Dienstwagen bringen den Rechtsstaat nicht weiter." Das sei eine "L'art pour l'art"-Diskussion.
Noch viel grundsätzlicher hat bei gleicher Gelegenheit der langjährige Präsident des deutschen Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, auch für Deutschland ähnliche Tendenzen zu einem "autokratischen" Staat diagnostiziert und kritisiert: "Auf die Dauer drohen die Menschen zu staatsabhängigen Untertanen zu werden." Und mit Schiller: "Die schönsten Träume von Freiheit werden im Kerker geträumt."
Die zunehmende Entwicklung zu einem Richter- und Staatsanwälte-Staat erinnert an die einstige Entwicklung des Feudalismus und der sich ebenfalls für etwas Besseres haltenden Aristokratie, die geglaubt hat, über die übrigen Menschen herrschen zu dürfen und müssen. Der Kampf gegen einen Richter- und Staatsanwälte-Staat ist daher wie jener des Jahres 1848 gegen den Absolutismus ein Kampf um unsere Grund- und Freiheitsrechte.
Wir sollten dringend den Anfängen wehren – die längst keine Anfänge mehr sind.
PS: Wenn der ehemalige Verfassungsgerichtspräsident Papier – ausgerechnet in Andau an der österreichisch-ungarischen Grenze – seiner Heimat Deutschland den Weg zur Autokratie vorwirft, ist das umso elektrisierender, als sich gerade Deutsche sonst nicht genug aufpudeln können, dass Ungarn auf diesem Weg sei.
PPS: Weil manche die Justiz als Ganzes verdammen, sei ausdrücklich angemerkt: Die Ziviljustiz funktioniert noch sehr gut.