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Diesmal haben die Russen keine naiven oder bestechlichen Exponenten mehr gefunden, die ihnen einen Persilschein ausstellen würden. Putins "Referenden" in den von russischen Truppen (noch?) gehaltenen Teilen der vier jetzt zusätzlich zur Krim beanspruchten ukrainischen Provinzen waren ein zu schlechter Witz. Selbst die vom russischen Fernsehen gezeigten Bilder beweisen, dass die Abstimmungen nicht einmal den Mindesterfordernissen einer demokratischen Willenserfassung entsprechen. Dennoch zeigen sie indirekt den einzigen Weg, auf dem der Krieg noch relativ rasch beendet werden könnte.
Von den vielen anderen in der russischen Propaganda in den letzten Monaten vorgebrachten Behauptungen ist nur eine einzige einer seriösen Befassung wert. Alles andere ist auf den ersten Blick erkennbar verlogener Schrott. Das gilt etwa für die Behauptungen:
Die Beweggründe Putins für die Attacke und die plötzliche "Volksabstimmung" waren zweifellos ganz andere:
All das ist absurd, im 21. Jahrhundert nicht akzeptabel und wäre eine globale Katastrophe, würde auch nur ein einziger dieser Ansprüche von der Welt akzeptiert.
Für eine objektive Bewertung ist einzig die Behauptung zumindest grundsätzlich zu beachten, dass die Bewohner der Krim und dieser vier Provinzen lieber zu Russland als zur Ukraine gehören wollen. Das könnte ja theoretisch stimmen.
Ob das aber auch stimmt, lässt sich nur durch ein sauberes Referendum feststellen. Ein solches hat während der letzten Tage in den russischen Teilen jener Provinzen in keiner Weise stattgefunden.
Diese Inszenierung hat speziell Österreicher mit Geschichtsbewusstsein vielmehr lebhaft an die "Volksabstimmung" des Adolf Hitler aus dem April 1938 erinnert, mit der dieser den Eindruck zu erwecken versuchte, dass die Österreicher "heim ins Reich" wollten. Trotz der noch nach 1918 von allen drei großen Lagern vertretenen Anschlusswünsche wäre 1938 höchstwahrscheinlich bei einem sauberen und freien Referendum keine Mehrheit mehr für den Anschluss herausgekommen (wie die Analysen aller Historiker ergeben). Denn der damals schon fünf Jahre im Deutschen Reich herrschende Terror hatte viele Österreicher inzwischen völlig vom Reich abgeschreckt. Hitler hat daher damals genauso wenig wie heute Putin eine demokratische Volksabstimmung riskiert.
Dennoch ist schon erstaunlich, dass Putin nicht einmal versucht hat, den Minimal-Eindruck einer solchen zu erwecken. Denn:
Aus all diesen Gründen ist es keine Sekunde wert, sich mit dem Ausgang dieser Referenden zu befassen. Sie hatten mit Demokratie absolut nichts zu tun. Dennoch sollte man sie als wertvoll ansehen. Denn damit hat Russland ja zumindest im Prinzip erstmals anerkannt, dass nicht alte Landkarten, sondern die Bürger das entscheidende Wort haben sollten.
Daran sollten die Ukraine und ihre Ratgeber anknüpfen. Sie ist zwar völkerrechtlich eindeutig im Recht. Aber die Behauptung, dass die Menschen jener Provinzen und der Ukraine unterdrückt gewesen wären und lieber zu Russland gehören wollten, ist an sich dennoch gravierend. Immerhin steht das Selbstbestimmungsrecht auch in der UN-Charta. Immerhin war auch das Recht der Kosovo-Einwohner auf Selbstbestimmung und Freiheit die Grundlage für die westliche Intervention im Kosovo-Krieg (weshalb interssanterweise Serbien jetzt die von Russland inszenierten Referenden auch sehr negativ sieht!).
Diese russische Behauptung, dass die Bewohner der vier jetzt abstimmenden Provinzen wie auch die der Krim lieber zu Russland wollen, sollte daher auf sauberem Weg überprüft werden. Das geht nur durch ein Referendum, das
Aber da wie dort hat man offenbar Angst vor einem echten Referendum.
Russland schon deshalb, weil viele jener Ukrainer, die vielleicht einst unter vergleichbaren Bedingungen in beiden Ländern für Russland gestimmt hätten, nach den letzten Jahren emotional ganz auf die Seite der Ukraine gewechselt sind. Sie haben erkannt, dass Freiheit wichtiger ist als alle angeblichen oder wirklichen Vorteile einer Zugehörigkeit zu Russland.
Aber auch der Westen hat sich nie klar für ein freies Referendum ausgesprochen: Weniger weil man dessen Ausgang fürchtet, sondern weil etliche europäische Länder die Beispielswirkung auf rebellische Minderheiten fürchten, von Spanien bis Rumänien, von Belgien bis Italien. Sie alle beharren auf dem alleinigen Vorrang von Staats- und Völkerrecht und ignorieren das kollektive Menschenrecht auf Selbstbestimmung.
Deshalb hat auch niemand einen diesbezüglichen Vorschlag gemacht, obwohl dieser derzeit die einzig mögliche, wenn auch kleine Hoffnung auf einen absehbaren Friedensschluss böte. Und obwohl nur ein echtes Referendum Russland die Chance böte, sich noch gesichts- und Putins Job wahrend aus dem Krieg befreien zu können.
Es ist vorerst unwahrscheinlich, dass Russland auf die Idee eines echten Referendums einsteigt. Dennoch sollte man Putin ein solches wenigstens anbieten. Es könnte zumindest in der Zukunft der Augenblick kommen, da er darin einen Ausweg aus seiner blutigen Sackgasse erkennt, bevor noch weitere Zehntausende oder mehr Tote auf dem Schlachtfeld liegen, bevor die Unzufriedenheit in Russland immer größer und für ihn immer bedrohlicher wird.
"Aber Putin gehört doch lebenslang in den Kerker!", werden all dem viele entgegenhalten. Ja eh. Aber wie viel Leid ist dieses edle und gerechte Prinzip wert?