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Das war noch nie da: Eine Schwesterpartei von ÖVP und CDU feiert mit ihrem konservativen Bündnis einen großen Wahlerfolg – doch die beiden Parteien reagieren mit betretenem Schweigen, statt zu gratulieren, von der deutschen Union kam sogar etliche Distanzierung. Daraus kann man nur schließen: Die beiden Parteien fühlen sich in ihrem gegenwärtigen Zustand nicht mehr als konservativ. Sie hätten lieber einen Sieg der Linksparteien gehabt. Das muss jeden Konservativen traurig stimmen. Es gibt noch viele andere Beobachtungen, Erkenntnisse und Folgerungen zu den italienischen Wahlen – positiv stimmende ebenso wie negative.
Zuerst zu CDU und ÖVP: Gewiss, die zur gemeinsamen EVO-Fraktion gehörende Partei des Silvio Berlusconi ist die schwächste im siegreichen italienischen Rechtsbündnis. Gewiss, Berlusconi hat mit seinen 86 Jahren seine beste Lebenszeit deutlich hinter sich und die rechtzeitige Übergabe an einen Nachfolger versäumt. Das sollte aber eigentlich die internationalen Verbündeten Berlusconis nicht daran hindern, einem Parteifreund öffentlich zum Wahlausgang zu gratulieren, der ihn zum Mit-Triumphator gemacht hat.
Ja, eigentlich sollten CDU und die ihr neuerdings wieder sklavisch folgende ÖVP, beziehungsweise ihre EU-Fraktion EVP, noch viel mehr tun: Eine Europäische Volkspartei, die dort steht, wo eine christdemokratisch-konservative Bewegung stehen sollte und wo die EVP einst auch gestanden ist, würde jetzt mit Büttenpapier herzliche Einladungsschreiben an die große Wahlsiegerin Giorgia Meloni schicken: Bitte, tritt bei uns bei!
Aber es geschieht nichts dergleichen. Dabei kann man sich gar nicht christlicher und konservativer positionieren als Meloni. "Ja zur natürlichen Familie. Nein zur LGBT-Lobby. Ja zu sicheren Grenzen. Nein zu Masseneinwanderungen." Was passt da ÖVP und CDU nicht? Wo sehen sie bei anderen Parteien mehr Berührungspunkte? Hat die Nehammer-ÖVP gar nichts mehr mit der Kurz-ÖVP zu tun?
Mit diesen und vielen anderen Positionierungen hat Meloni inhaltlich unzweifelhaft die Erbschaft der einst Italien über viele Jahrzehnte dominierenden Democrazia Cristiana angetreten (Diese hatte sich Ende des vorigen Jahrhunderts in einer Fülle von Korruptionsskandalen, Streitigkeiten und ideologischem Abgleiten ins linke Nirwana de facto in Luft aufgelöst. Aber das haben ihre einstigen Wähler ganz und gar nicht getan).
"Faschistisch" oder "extremistisch", wie die Linken in Politik und Medien derzeit hasserfüllt schnauben, ist Meloni hingegen in keiner Weise. Nur wer Ahnenforschung und Sippenhaftung betreibt, kann entdecken, dass unter jenen längst verstorbenen Männern etliche einstige Faschisten waren, die nach dem Krieg jene (demokratisch völlig legale) Partei gegründet haben, der dann wiederum jene Partei gefolgt ist, der nun Melonis Partei als angebliche politische Urenkelin Mussolinis gefolgt ist (obwohl es da keinerlei Rechtsnachfolge gegeben hat).
Wenn man in einer solchen entfernten Ahnenschaft wirklich einen Grund für eine Verfemung der "Fratelli d’Italia" erkennen will, dann müsste man ihn bei vielen anderen Parteien mindestens genauso erkennen:
In Wahrheit ist es aber fast Zeitverschwendung, dem Hass, der Hetze und der Geschichtsverdrehung der Linken mit sachlichen Argumenten entgegenzutreten. Sie werden weiter hetzen und hassen. Angesichts ihrer Wahlniederlagen und dem internationalen Bedeutungsverlust vieler Medien könnte man das ja eigentlich ignorieren. Jedoch: Die Linke war auf einem anderen Feld sehr erfolgreich: Sie hat in den letzten Jahren an etlichen Stellen die Justiz unterwandert.
Das ist in mehreren Ländern geglückt – Österreichs Strafjustiz ist hier ja schon mehrfach analysiert worden –, aber auch beim EU-Gerichtshof. Dieser hat sich im Grund in eine Speerspitze der antiungarischen und antipolnischen Agitation verwandelt, die mit allen untergriffigen Mitteln und der (in ihrer undefinierten Beliebigkeit immer verwendbaren) Behauptung, Demokratie und Rechtsstaat wären gefährdet, die dortigen Rechtsregierungen bekämpft.
Die Instrumentalisierung der Justiz sieht man auch in Italien: Denn gleich zwei der drei Chefs des siegreichen Dreierbündnisses werden seit Jahren mit immer neuen Attacken von Teilen der Strafjustiz ins Visier genommen. Sowohl Silvio Berlusconi als auch Matteo Salvini sind wegen zum Teil grotesker Vorwürfe zur Zielscheibe linker Hassstaatsanwälte geworden (etwa weil Salvini einst als Innenminister die illegale Migration nach Italien zu verhindern versucht hatte).
Man kann fast wetten, dass diese Staatsanwälte nun auch gegen Meloni vorgehen werden. Allerdings ist der raketenartige Aufstieg einer einstigen Kleinpartei zu rasch vor sich gegangen, sodass diese Staatsanwälte wohl noch Vorwände für eine Meloni-Jagd sammeln.
Wenn man nach dem wichtigsten Faktor für den Wahlerfolg der drei Rechtsparteien sucht, dann ist das eindeutig ihre Einigkeit. Berlusconi, Salvini und Meloni hatten lange vor der Wahl in einem Bündnis festgelegt, dass jener von ihnen, der die meisten Mandate hat, auch Regierungschef werden soll. Diese Einigkeit haben sie bis zuletzt gehalten. Differenzen in einigen Sachfragen sind zwar in den Medien hochgespielt worden, haben aber nicht die Wähler vom Rechtsblock vertrieben.
Diese Einigkeit und die damit verbundene Aufteilung der Direkt-Wahlkreise unter den drei Parteien war insbesondere angesichts des italienischen Mehrheitswahlrechts wichtig und hilfreich. Dadurch hat die Rechte die absolute Mehrheit und prozentuell deutlich mehr Mandate errungen, als ihrem 43-prozentigen Stimmanteil eigentlich entsprechen würde.
Auf der anderen Seite sind die Parteien links vom Meloni-Bündnis bis zuletzt in drei Lager voller persönlicher Animositäten zersplittert geblieben. Keiner der ehemaligen Kurzzeit-Regierungschefs wollte sich den anderen unterordnen.
Besonders interessant am Wahlergebnis ist aber zugleich die dramatische Verschiebung der Gewichte innerhalb der politischen Rechten zu Lasten der beiden einstigen Schwergewichte Berlusconi und Salvini. Die Ursachen:
Was dürfte der Wahlerfolg der italienischen Rechten aber nun konkret für die Zukunft bedeuten?
Wer Italien kennt, muss davon ausgehen, dass es vermutlich sehr bald Differenzen in der Regierung geben wird, die auch öffentlich ausgetragen werden. Das war noch bei jeder Koalition so. Allerdings scheint Meloni eine gute Ader zu haben, Konflikte beizulegen. Und auch Berlusconi hat diesbezüglich einst international Pluspunkte sammeln können. Er ist immerhin der bisher einzige Regierungschef Nachkriegsitaliens, der eine ganze Legislaturperiode unverändert durchhalten hat können.
Das vermutliche Positivste an der neuen Regierung kann man in zwei Stichworten festhalten: Migration und EU. Mit großer Sicherheit wird Italien in beiden Fragen eine signifikante Kursumkehr vornehmen.
Italien wird nicht mehr als Dauer-Landeplatz für die Schlepper-Hilfsschiffe dienen wollen. Das würde auch den Druck auf Österreich und Deutschland – ein wenig – mildern, wohin ja viele der illegalen Migranten aus Afrika weitergezogen sind. Und wo die Menge der neu ankommenden Asylwerber zuletzt Dimensionen erreicht hat wie im Katastrophenjahr 2015/16. Vor allem die letzten Monate vor der italienischen Wahl wurden von den Schleppern eindeutig noch rasch für ihre Aktionen genutzt, solange in Italien noch die Linksregierung für offene Tore sorgt.
Freilich wird ein Schließen dieser Tore nicht einfach zu realisieren sein, da ja in der EU und den beiden europäischen Gerichtshöfen eindeutig die Migrationsfreunde das Übergewicht haben. Wirklich effiziente Maßnahmen können jedoch nur in europäischer Gemeinsamkeit erreicht werden: Ob es nun um ein Zurückdrängen der Pro-Migrations-Judikatur geht oder um die Übernahme des eindrucksvollen Beispiels der Briten und der (sozialdemokratisch regierten!) Dänen, die versuchen, illegale Migranten nach Ruanda abzuschieben.
Dennoch wird das Überleben der Regierung Meloni davon abhängen, ob ihr in Sachen Migration Entscheidendes gelingt – auch wenn sie derzeit gewiss noch nicht an das Memento Mori denkt.
Meloni&Co werden aber nicht nur in Sachen Migration weitgehend von Brüssel abhängen. Das werden sie auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Sie werden so wie all ihre Vorgänger in Sachen Defizit und Verschuldung die europäischen Regeln nicht einhalten können. Und auch nicht sonderlich wollen. Ist die Rechte doch so wie die Linken mit etlichen unfinanzierbaren Versprechungen – wie etwa Steuersenkungen – in den Wahlkampf gegangen.
Daher wird es sehr spannend, ob die EU und die europäische Zentralbank auch mit einem rechtsregierten Italien so milde und hilfreich umgehen werden wie mit den bisherigen Regierungen in Rom. Davon sollte Meloni eher nicht ausgehen. Die schon begonnene Zinsanhebung durch die EZB wird für Italien sehr schmerzhaft sein. Dabei war die Nullzinspolitik im letzten Jahrzehnt eindeutig eine Hilfsaktion für Italien. Die nunmehrige Zinsanhebung sollte man freilich nicht primär als vorweggenommene Strafe für die "falsche" Entscheidung der Italiener interpretieren, sondern eher als eine Reaktion auf die explodierende Inflation und die amerikanischen Zinsanhebungen.
Dennoch wird jede weitere Zinsanhebung in Italien als Rache der EU gesehen werden. Das ist logische Folge einer wirklich extrem dummen Äußerung der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Diese hat nämlich schon vor der Wahl gesagt: "Wenn sich die Dinge (in Italien) in eine schwierige Richtung entwickeln, haben wir Instrumente wie im Fall von Polen und Ungarn."
Das hat viele Italiener erzürnt. Das ist als versuchter Eingriff in demokratische Wahlen gesehen worden. "Instrumente" klingt ganz nach "Folterinstrumente". Und der Satz kam von der Chefin einer Institution, die sich mehr, als je von den Bürgern gewollt, zu einem Superstaat entwickelt.
Zwar braucht gerade Italien das Geld dieses Superstaats. Aber diese Attitüde Brüssels wird dennoch die EU-kritischen Stimmen in Italien und ebenso die zentrifugalen Tendenzen in vielen anderen Ländern vermehren. Denn insbesondere beim Migrationsthema steht die italienische Rechtsregierung in Europa keineswegs alleine. Praktisch alle osteuropäischen Reformstaaten sind vehemente Gegner der von den europäischen Gerichtshöfen durchgesetzten offenen Türen. Ungarn und Polen sind da nur die lautstärksten. Aber auch Dänemark und (seit den jüngsten Wahlen) Schweden sind eindeutig zu den Migrationsgegnern zu zählen. Ebenso sind Griechenland und Österreich Befürworter einer viel restriktiveren Migrationspolitik.
Sollte diese Gruppe wirklich zu Geschlossenheit imstande sein, lässt sich in der EU schon arithmetisch keine qualifizierte Mehrheit gegen sie durchsetzen. Die Träume von einem neuen EU-Vertrag, der noch mehr Macht in der EU zentralisiert, können sich die Anhänger Brüssels jedenfalls für sehr lange abschminken. Auch die deutsch-französische Achse wird das berücksichtigen müssen. Auffallend ist dabei, dass Frankreich viel freundlicher auf das italienische Wahlergebnis reagiert hat als Deutschland. Das ist klare Folge der Tatsache, dass die AfD in Deutschland keine machtpolitische Herausforderung ist, die Le-Pen-Partei in Frankreich hingegen eine sehr ernstzunehmende. Da geht Präsident Macron klugerweise nicht mehr leichtfertig in einen schwierigen Kampf gegen Meloni.
Für die an der – ohnedies schon sehr ins Wanken geratene – finanziellen Stabilität des Euro interessierten Länder wie Deutschland oder Österreich wachsen jedenfalls die wirtschaftlichen Sorgen durch das Wahlergebnis. Auch wenn sie wissen, dass der bisherige Premier Draghi mehr durch seine Absichten als durch echte fundamentale Reformen für die Stabilität der Italienischen Finanzen und damit des Euro hilfreich gewesen ist. Auch wenn sie die wirkliche Wirtschaftspolitik der Meloni-Regierung noch gar nicht kennen.
Selbst für jene Österreicher, die in weniger Migration und weniger EU-Zentralismus sehr positive Entwicklungen sehen, birgt – neben der wirtschaftspolitischen Unsicherheit – das italienische Wahlergebnisse aber noch zwei weitere Probleme:
"Brüder Italiens ….
Wir sind bereit zum Tod,
Italien hat gerufen! …
Schwören wir
den Heimatboden zu befreien …
Von den Alpen bis Sizilien
überall ist Legnano ...
Der Klang jeder Kriegstrompete
ertönte zur Vesper.
Weich wie die Binsen
sind die gekauften Schwerter:
Der österreichische Adler
hat schon die Federn verloren.
Das Blut Italiens, das Blut Polens
hat er mit dem Kosaken getrunken.
Aber sein Herz hat es verbrannt."
Wohlgemerkt: Auch von all den angeblich so europäischen Linksparteien Italiens hat keine daran gedacht, den (melodisch zugegeben sehr schönen) Text zu ändern. Dieser aber ist jedenfalls als Einziges an Italien wirklich faschistisch und kriegshetzend.