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Eine Königin, ein Bundespräsident und das Vertrauen

Wer in Österreich denkt nicht an die Peinlichkeit, die hierzulande in Kürze als sogenannte Bundespräsidentenwahl über die Bühne gehen wird, wenn er vom Tod der britischen Königin erfährt? Wer kommt da nicht angesichts einer so eindrucksvollen Persönlichkeit ins Sinnen, ob nicht die Institution einer Monarchie ihre gewaltigen Vorteile hat? Elizabeth II. hat – noch viel eindrucksvoller als viele andere Monarchen – das verkörpert, was für ein seine Rolle gut erfüllendes Staatsoberhaupt wichtig ist.

Sie hat für die Bürger des Vereinigten Königreichs Identität verkörpert.  Sie hat – trotz ihrer totalen politischen Ohnmacht – in hohem Ausmaß Vertrauen ausgestrahlt. Gewiss: Dazu hat nicht nur ihre sensationelle Selbstdisziplin, sondern auch ihre lange Regierungszeit beigetragen. Man denke als Österreicher, um sich die Spannweite dieses Lebens vorzustellen, nur daran, wie sehr noch für Generationen nach seinem Tod Franz Joseph "der" Kaiser gewesen und geblieben ist, obwohl es vor ihm sehr viele und auch nach ihm noch einen anderen Kaiser gegeben hat – und doch hat Elizabeth noch zwei Jahre länger regiert und zehn Jahre länger gelebt als der vorletzte österreichische Kaiser.

In aller Welt werden jetzt die schwarzen Fahnen ausgerollt und Trauermusik eingeschaltet. Aber eigentlich sollte ihr Tod für die Briten und alle, die das Inselvolk lieben, kein Grund zu depressiver Trauer sein, sondern ein Anlass zu freudigem Dank. Da hat ein Mensch nicht nur ein gesegnetes Alter weit über alle Lebenserwartung hinaus erreicht, sondern vor allem auch seine Lebensaufgabe perfekt erfüllt.

Trauern sollte man als Europäer heute und jeden Tag viel eher um die Zehntausenden Ukrainer, darunter Hunderte Kinder, die dem brutalen Eroberungskrieg eines bösartigen Diktators zum Opfer gefallen sind. Und derer es täglich mehr werden.

Gewiss hat auch Elizabeth in ihrem Leben nicht immer perfekt agiert. So kann man angesichts ihrer eigenen Kinder zumindest vermuten, dass sie als Mutter wohl nicht unbedingt alles richtig gemacht haben dürfte. Für sie war wohl auch in der Erziehung immer Haltung, Perfektion, die Stiff upper lip wichtiger als Emotion und Zuneigung.

Aber andererseits ist diese perfekte Haltung auch notwendig gewesen, damit sich praktisch alle Briten so total mit ihr identifizieren konnten. Jene Linksgruppen, die einst die Abschaffung der Monarchie gefordert haben, sind längst verstummt, bestenfalls noch in Kuriositätensammlungen zu finden.

Dieser hohe Identifikationsgrad hängt natürlich auch damit zusammen, dass der Hofstaat ringsum ihr Privatleben meist recht gut abgeschirmt hat, dass es völlig undenkbar gewesen wäre, dass von ihr etwa peinliche Fotos mit einer Zigarette in der Hand zu sehen gewesen wären; sollte sie jemals geraucht haben. Es wäre auch mit Sicherheit nicht an die Öffentlichkeit gedrungen, wenn sie mit ihren Mitarbeitern nach einem anstrengenden Tag auch in Corona-Zeiten ein Bier – oder einen Whisky – getrunken haben sollte wie Boris Johnson.

Abschirmung, kontrollierte Inszenierung, Disziplin und Identifikation sind aber zweifellos Voraussetzungen für das hohe Ausmaß an Vertrauen, das die Queen genossen hat. Alle diese – für manche zu Unrecht negativ konnotierten – Eigenschaften sind für einen Staat wichtig, wenn er auch schwierige Zeiten überleben soll. Irgendwo wollen sich die Menschen festhalten können. Und sei es nur am Image der Perfektion.

Es ist daher alles andere als ein Zufall, dass in Österreich in Sachen Vertrauen Polizei und Bundesheer bei weitem an der Spitze liegen, hingegen die Politik weit abgeschlagen ist. Polizei und Heer sind vor allem durch Disziplin und Inszenierung gekennzeichnet, man kann sich mit ihren Aufgaben identifizieren und sie sind das einzige, worauf die Österreicher in Stunden der Not hoffen und vertrauen können.

Hingegen ist der magere – gerade zuletzt noch deutlich schlechter gewordene – Vertrauens- und Identifikationswert des Bundespräsidenten enttäuschend. Im Grund ist jeder gewählte Bundespräsident dadurch beeinträchtigt, dass er maximal sechs Jahre Zeit hat, den letzten Wahlkampf vergessen zu lassen, wo er von allen Konkurrenten und Gegnern in ein sehr schiefes Licht gerückt worden ist. Hingegen hat bei einem König in der Regel niemand Interesse, ihn in ein schlechtes Licht zu rücken. Auch nicht vor Beginn seiner Herrschaft.

Alleine dieser Aspekt ist imstande, der Institution der Monarchie deutliche Pluspunkte zu geben. Minuspunkte scheint die Institution hingegen deshalb zu verdienen, weil es viel schwieriger als bei einem Präsidenten ist, einen ungeeigneten Monarchen wegzubekommen. Dass das freilich – selbst ohne Verfassung – bisweilen doch möglich ist, hat zumindest 1848 der österreichische Hof gezeigt, als er einen überforderten Monarchen relativ elegant hinter den Kulissen zum Rücktritt und den jungen Franz Joseph auf den Thron gebracht hatte.

Apropos an der strengen Erbfolge vorbei gesteuerte Thronfolge: So manche Briten sinnen derzeit insgeheim, ob es nicht für das Land besser wäre, statt des gar nicht mehr jungen und vom Leben ziemlich durchgebeutelten Charles gleich dessen Sohn William zum Nachfolger seiner Großmutter zu machen. Das wird zwar keinesfalls passieren, aber William wäre eigentlich mit 40 im besten Alter dazu. Und er hat sich zumindest im bisherigen Leben im Gegensatz zu seinem Vater wirklich tadellos verhalten. Stänkereien seiner amerikanischen Schwägerin werden von keinem Briten ernst genommen.

William hat jedenfalls auch durch seine Mutter, die nach einem tragischen Leben tragisch verunglückte Diana, eine offensichtlich etwas liebevollere Erziehung erfahren, was ihn zu einer ausgeglichenen Persönlichkeit macht, und er hat auch die perfekte Partnerin gefunden. Damit hat er seinem Vater Zweierlei voraus. Und er ist, so wie dieser, für den Königsberuf erzogen worden.

Damit sind wir beim letzten Punkt, der für eine Monarchie spricht: Hier kommen in aller Regel Menschen zum Zug, die von Kindheit an auf den Monarchenberuf hin vorbereitet worden sind (wobei eben auch Königskinder Liebe brauchen). Diese pädagogische Perspektive von klein an ist bei Präsidenten natürlich nie der Fall gewesen. Königskinder lernen in hohem Ausmaß nicht nur alle relevanten meritorischen Inhalte, Sprachen und Regeln, sondern auch Selbstdisziplin und die Bereitschaft zur Inszenierung.

Und das sind nun einmal die Voraussetzungen für einen König, selbst wenn dieser keine echte Macht hat, selbst wenn er sich, wie in Großbritannien, sogar seine Reden vom Premierminister aufschreiben lassen muss. Aber eine funktionierende Gemeinschaft braucht neben den – zweifellos unverzichtbaren – Formalregeln eben mindestens genauso eine von allen akzeptierte Identitäts-Figur (oder zumindest -Idee), zu der alle Vertrauen haben können. Auch wenn sie eigentlich gar nichts für sie tun kann.

Jedenfalls sollte klar bleiben: Die Verkörperung dieser Rolle gelingt selten so perfekt, wie es Elizabeth in den letzten Jahrzehnten geschafft hat. Ihr ist das allerdings auch erst gelungen, nachdem sie voller Disziplin, voller Lern- und Wandlungsbereitschaft die kurzzeitige Vertrauenskrise überwunden hatte, die ihre Emotionsarmut gegenüber der verzweifelten Diana ausgelöst hat. Man kann auch emotionale Ausstrahlung trainieren.

PS: Kleine Beobachtung am Rande für alle Krampffeministen: In einer der ältesten Demokratien der Welt waren ganz eindeutig drei Frauen die weitaus wichtigsten Persönlichkeiten der Nachkriegszeit. Die eindrucksvolle Königin auf dem Thron, die so viel Herzen erwärmende Königin der Herzen Diana und Margaret Thatcher, die weitaus stärkste und prägendste Persönlichkeit der Nachkriegszeit im Amt des Regierungschefs. Alle drei haben das ganz ohne Quote geschafft. Nur durch eigene Leistung (oder Erbfolge). Das heißt freilich nicht, dass Liz Truss, die soeben als dritte Frau zur Premierministerin geworden ist – wieder durch demokratische Kür, also ganz im Gegensatz zu schwachsinnigen SPÖ-Slogans "Es muss eine Frau werden." – automatisch in die Spitzengruppe aufsteigen wird.

PPS: Kleine persönliche Anekdote am Rande: Ich bin der Königin nur einmal ganz nahe begegnet. Das war am Weg zum Männerklo beim Pferderennen in Ascot. Die Königin hatte den gleichen Weg – wenn auch zur Tür nebenan. Dort wo eben auch Monarchinnen zu Fuße hingehen. Aber selbstverständlich ließ ich ihr in Erinnerung an die Reste meiner Erziehung den Vortritt, als sich unsere Wege kreuzten. Und sie lächelte huldvoll. Wie es Königinnen eben tun ………

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