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Wir brauchen jetzt keinen Brunner, sondern einen Schäuble

Es ist nichts Neues, dass einem Staat, einer Gemeinde oder einer ihnen gehörenden Organisation das Geld ausgeht, wie eben jetzt der zu 100 Prozent der Gemeinde Wien gehörenden Wien-Energie. Noch weniger neu ist das Geschwätz am Rand einer Pleite, dass es eh nur um ein vorübergehendes Liquiditätsproblem ginge, nur um "Sicherstellungen" (als ob die nicht schlagend werden könnten!). Mehr als erstaunlich ist freilich, dass ein Teil des Rathausimperiums jetzt ausgerechnet die – sonst tagtäglich vom Rathaus verhöhnte – Bundesregierung um einen "Schutzschirm" in der gewaltigen Höhe von zehn Milliarden Euro anfleht. In der Finanzwelt sind jedenfalls längst die Abläufe etabliert, was in solchen Fällen zu geschehen hat, damit daraus nicht eine gewaltige Pleite mit bösem Dominoeffekt wird. Es ist nur die offene Frage, ob der nicht allzu erfahrene Finanzminister Magnus Brunner sie auch kennt. Jetzt ist jedenfalls die Zeit zu Konsequenz und nicht dazu, den guten Onkel für Wien zu Lasten aller Steuerzahler zu spielen. Erst wenn Brunner und der – wirtschaftlich leider ahnungslose – Bundeskanzler den Mut zu dieser Konsequenz haben, wird es auch legitim und dringend notwendig, sich mit der größten SPÖ-Blamage der letzten Jahrzehnte zu befassen. Und sich über das Platzen wirklich sämtlicher roter Luftballons zu amüsieren.

Wenn Brunner nicht weiß, was er jetzt zu tun hat, sollte er einfach beim IMF, dem Internationalen Währungsfonds, anrufen. Er könnte sich aber auch – gleich auf Alemannisch – mit dem langjährigen deutschen Minister Wolfgang Schäuble unterhalten. Nämlich darüber, was dieser getan hat, als einst Griechenland dringenden Milliardenbedarf angemeldet hatte.

Schäuble hat gegenüber Griechenland genau das getan, was der IMF schon bei Hunderten (drohenden oder wirklichen) Staatspleiten rund um den Globus getan hat. Ganz ähnlich hat aber auch die Republik Österreich selber bei den diversen (bezeichnenderweise meist ebenfalls in Politiknähe entstandenen) Bankenkrisen gehandelt: von Bawag bis Hypo-Alpe-Adria.

Alle Geld- und Garantiegeber haben dabei immer sehr konkrete und schmerzhafte Bedingungen für die Bereitstellung von großen Geldsummen gestellt. Schäuble ist wegen seiner (notwendigen) Härte zwar damals in Griechenland zum meistgehassten Mann geworden. Diese Härte (samt Abwahl einer Linksregierung) hat Griechenland aber auf einen sehr erfolgreichen Pfad der Gesundung gebracht und eine der schlimmsten Finanzkrisen der gesamten Euro-Geschichte saniert.

Auch der IMF hat durch sehr präzise Auflagen viele Bananenrepubliken auf den Weg der Vernunft und Sanierung gezwungen. Auch dort hat sich zwar jedes Mal die politische Macht mit Händen und Füßen gegen die Bedingungen des IMF gewehrt – aber diese letztlich akzeptieren müssen, weil es keine Alternative gegeben hat. Langfristig haben sich diese anfangs stets verhassten Bedingungen dann immer zum Segen für das Land ausgewirkt.

Aber was ist, wenn "Wien-Energie" IMF-artige Bedingungen ablehnt? Das wäre umso besser für die österreichischen Steuerzahler. Denn das hieße, das Unternehmen hat ja doch noch andere Geldgeber gefunden. Das könnten zum Beispiel Banken sein, die ja oft bei insolvenzgefährdeten Unternehmen einspringen. Freilich tun auch sie das nicht aus Nächstenliebe, sondern ebenfalls unter beinharten Bedingungen, zu saftigen Zinssätzen – und ganz gewiss nur bei einer Bürgschaft des Alleineigentümers. Also im konkreten Fall einer Bürgschaft der Gemeinde Wien.

Theoretisch genauso möglich wäre natürlich auch, dass die Gemeinde selbst, die Wien-Holding oder die Stadtwerke der Wien-Energie – vielleicht sogar zinsenlos – das Geld beziehungsweise die verlangten Garantien zur Verfügung stellen. Das wäre ja genau der Weg, den alljährlich viele Tausende Eigentümer ganz ohne öffentliches Aufsehen gehen, wenn ihr Unternehmen in Schwierigkeiten gerät.

Es gibt nur eine einzige Erklärung, warum nicht dieser einfachste Weg gegangen wird: Auch das Rathaus ist nicht mehr solvent genug. Deshalb haben sie jetzt versucht, dem Vorarlberger Finanzminister unaufällig in einer Sitzung auf Beamtenebene eine Milliarden-Bürgschaft unterzujubeln, um sich selbst jedes weitere Risiko zu ersparen. Darauf ist aber Magnus Brunner doch nicht hineingefallen.

Was müsste der Finanzminister jetzt tun, wenn er finanzpolitische Souveränität besitzt? Das wäre etwa folgendes umfassende Paket:

  1. Der Bund übernimmt die verlangte Milliardenhaftung – aber nur unter klaren und präzisen Bedingungen.
  2. Dazu zählt eine vorrangig haftende Bürgschaft von Land und Stadt Wien.
  3. Dazu zählt ein konkretes und verbindliches Sparprogramm für Wien-Energie sowie für Land wie Stadt Wien und alle zu 100 Prozent rathauseigenen Unternehmen.
  4. Sie alle müssten sofort alle PR- und Marketing-Verträge kündigen. Es ist ja schon immer völlig fragwürdig gewesen, wozu beispielsweise Wien-Energie überhaupt Werbung um neue Kunden betreibt. Dies ist doppelt fragwürdig in Zeiten, da jeder Kunde froh sein muss, einen Lieferanten zu haben. Der einzige erkennbare Sinn dieser Werbung besteht in parteipolitisch motivierter Subventionierung der Werbeträger auf Kosten der Strom- und Gaskunden.
  5. Insbesondere ist eine Kündigung des Vertrags der Wien-Energie als Hauptsponsor des Fußballklubs Rapid fällig. Was doppelt sinnvoll ist, da dessen Performance seit etlicher Zeit ohnedies nur negatives Marketing bringt.
  6. Zu den Bedingungen muss aber darüber hinaus – eben wie einst bei Griechenland und ständig bei den nach dem IMF-Tropf gierenden Ländern – eine komplette Durchforstung sämtlicher Ausgaben der Gemeinde Wien zählen und eine Eliminierung aller überflüssigen Budgetposten.
  7. Diese Durchforstung muss durch unabhängige internationale Wirtschaftsprüfer erfolgen, die nicht politisch erpressbar sind.
  8. Dabei sind insbesondere die Marketing-Ausgaben zu überprüfen.
  9. Es ist alles zu stoppen, was bei Budgetausgaben auf parteipolitische Intentionen hindeutet.
  10. Jedenfalls muss Wien sämtliche Inserate und Medienkooperationen zur Gänze und sofort streichen, egal ob diese vom Rathaus selbst oder einer seiner hundertprozentigen Tochter- und Enkelunternehmen bezahlt werden.
  11. Jedenfalls muss Wien auch sämtliche Subventionierungen für energievergeudende Unternehmen einstellen wie beispielsweise für die überhandnehmende Plage der E-Scooter.
  12. Darüber hinaus ist der Verkauf, also die Privatisierung aller marktfähigen Unternehmen der Gemeinde zu prüfen.
  13. Als härteste – aber durchaus übliche – Maßnahme ist aber auch an die Einsetzung eines kommissarischen Verwalters zu denken. So etwas hat es nicht nur international, sondern auch schon für etliche österreichische Gemeinden gegeben.

Wenn Brunner ein solches Schäuble-artiges Programm durchzieht, dann hat er seine Reifeprüfung als Finanzminister bestanden. Auch wenn uns alle die Milliarden-Haftung trotzdem schmerzen wird. Aber dann ist wenigstens Licht am Ende des Tunnels zu sehen.

Ein noch viel schmerzhafteres Programm steht aber der SPÖ selbst bevor. Und zwar auf allen Ebenen. Es gibt allzu viele Anlässe, die der Partei wohl noch viele Jahre Schmerzen bereiten werden:

  • Warum wird der angebliche Bedarf an einer so riesigen Summe erst schlagartig ohne jede Vorwarnung über Nacht bekanntgegeben?
  • Was soll man daraus anderes schließen, als dass aus parteipolitischer Scham ein sich aufbauender Schaden viel zu lange geheimgehalten worden ist?
  • Hat man wirklich bis zuletzt darauf gehofft, dass der Stromterminmarkt (der Preis des Stroms in der Zukunft) doch noch im letzten Moment nach unten dreht, hat man also auf ein Wunder gehofft, obwohl die Stromterminpreise immer weiter nach oben gegangen sind?
  • Kann man das anders nennen als verantwortungsloses Spekulieren?
  • Warum hat die Wien-Energie nicht direkte Abnahmeverträge mit Stromerzeugern, sondern kauft an der logischerweise immer extrem volatilen Stromterminbörse ein?
  • Geschieht dies nur, weil man so verwischen will, dass man ausländischen Atomstrom einkauft?
  • Was verstehen die Wiener Genossen unter politischer Verantwortung, wenn die Gemeinde Wien weder Bürgermeister noch einen Stadtrat ausschickt, sondern lediglich subalterne Manager, um einen zehn Milliarden schweren Offenbarungseid abzulegen?
  • Was für ein Bürgermeister ist das, der sich auch 24 Stunden nachher noch nicht zu Wort gemeldet hat?
  • Was geht in dieser Partei vor, wenn die Wien-Energie-Blase genau 24 Stunden platzt, bevor die Bundesparteichefin ihr großes Sommerinterview geben muss?
  • Wagt es einer der Genossen, künftig noch jemals von "Übergewinnen" der Energiekonzerne zu schwadronieren, wenn sie in Wahrheit selber einen der größten österreichischen Energiekonzerne in schwerste Insolvenzgefahr gebracht haben?
  • Glauben die Genossen wirklich, irgendjemand nimmt ihnen die gestotterte Ausrede als ausreichende Erklärung ab, Wien-Energie sei ja "nur Händler", nicht Stromerzeuger, als ob das nicht schon seit Jahrzehnten bekannt wäre?
  • Wissen sie nicht, dass sie damit das eigene Versagen nur noch peinlicher erscheinen lassen, nicht in ausreichender Form eben auch zum Stromerzeuger geworden zu sein?
  • Wissen sie nicht, dass sie seit Jahrzehnten genügend Kraftwerke bauen oder sich an solchen beteiligen hätten können – wie es regionale deutsche Stromversorger sogar im Ausland, nämlich (West-)Österreich getan haben?
  • Warum ist die SPÖ auch jetzt noch nicht bereit, sich für die Notwendigkeit von Atomkraftwerken oder eines weiteren Donaukraftwerks auszusprechen, die sie seit Jahrzehnten – im ideologischen Wettlauf mit den Grünen – für des Teufels erklärt (Kreisky und Sinowatz haben das noch besser gewusst)?
  • Warum bekämpft die SPÖ weiterhin den Abbau von unter österreichischem Boden zu findendem Gas?
  • Warum hat die in Wien verantwortliche SPÖ auch in den letzten Monaten nie etwas dabei gefunden, dass Wien sowohl Strom wie auch Fernwärme zum guten – eigentlich schlechten – Teil mit dem CO2 emittierenden Gas erzeugt, während sie uns die Ohren mit Klimapanik vollsummt?
  • Warum hat das Wiener Rathaus für Wien-Energie ganz bewusst und vorsätzlich eine "ausgegliederte" Konstruktionsform gewählt, die sowohl die demokratischen Kontrollrechte der Oppositionsparteien wie auch die ökonomischen Kontrollrechte der Aktionäre und der Börsenaufsicht umgeht, die es bei einer Aktiengesellschaft gibt?
  • Wie kann der als erster nach der Schockstarre zu einem Radio-Interview vorgeschickte Aufsichts(!!!)ratspräsident der Wien-Energie allen Ernstes – wenn auch in peinlichem Vorstadtsdialekt – von der österreichischen Regierung ein Aussetzen des Handels an den internationalen Strombörsen verlangen, statt sich primär für das Versagen des Unternehmens und das eigene bei seinen Aufsichtspflichten zu zerknirschen?
  • Weiß der skurrile Typ nicht,
    - dass die Republik Österreich an den internationalen Strombörsen überhaupt nichts zu bestimmen hat?
    - dass eine Strombörse ganz anders funktioniert als eine Aktienbörse?
    - dass dort ein wirkliches Aussetzen des Handelns nur dazu führen würde, dass Wien gar keinen Strom von dort bekäme?
  • Wie kann die in wirtschaftlichen Dingen genauso ahnungslose Medizinerin und (karenzierte) Beamtin Rendi-Wagner ununterbrochen einen Strom- und Gaspreisdeckel verlangen, wenn man parteiintern (hoffentlich) um die Pleitegefahr bei einem zu hundert Prozent SPÖ-kontrollierten Energieversorger gewusst hat, obwohl dieser die Preise ohnedies schon verdoppelt hat?
  • Wie rechtfertigt die SPÖ, dass sie die Umstellung des Gaskraftwerks Mellach auf Kohle im Parlament blockiert, weshalb also eine zusätzliche Stromerzeugungsmöglichkeit zumindest auf der langen Bank gelandet ist?
  • Kann man sich in der Partei noch daran erinnern, dass ausgerechnet der Wiener Finanzstadtrat Hanke, der rathausintern die Hauptverantwortung für die Wien-Energie trägt, von Bürgermeister Ludwig als Bundeskanzler-Kandidat ins Spiel gebracht worden ist?
  • Warum um Himmels willen gibt es in der ganzen SPÖ heute noch viel weniger Wirtschaftskompetenz als bei den anderen Parteien (wo sie seit einiger Zeit freilich auch nur noch mit der Lupe zu sehen ist)?

Das führt schließlich auch noch zu frustrierenden Anmerkungen in zwei andere Richtungen:

  1. Der Koalitionspartner der Roten namens Neos hat jetzt endgültig jede Berechtigung für die Behauptung verloren, dass er auch nur den Hauch einer Wirtschaftskompetenz hätte. Machen die Neos doch in geradezu peinlicher Weise den Rathausgenossen die Mauer.
  2. Und hätten wir eine "Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft", die ihrem Namen – welchem der Namensteile immer – auch nur andeutungsweise entsprechen würde, dann würde sie jetzt wirklich rotieren (statt hundert Beamte nur deswegen des kompletten Datenschutzes zu berauben, weil die Staatsanwälte der skurrilen Verschwörungstheorie anhängen, dass Sebastian Kurz wegen der Veröffentlichung einer Meinungsumfrage eines zweitrangigen Instituts Kanzler geworden ist).

PS: Apropos IMF: Gerade hat Bangladesch den IMF wegen Energiekrise und Inflation um 4,5 Milliarden Dollar gebeten. Das ist für Wiener Rathausverhältnisse zwar fast ein Bettel. Das Land hat aber dennoch schon vorweg selbst mit Sparmaßnahmen begonnen. So wird dort schon täglich der Strom abgeschaltet. So müssen Beamte jetzt auch eine Stunde früher ins Amt kommen; was klug ist, um Klimaanlagen-Strom zu sparen. Die Beamten werden aber auch gleich zwei Stunden früher nach Hause geschickt. Was man wohl auch irgendwie erstaunlich finden könnte …

PPS: Für alle jene, die noch immer nicht begriffen haben, dass Russland einen hemmungslosen Gaskrieg gegen den Rest der Welt führt, der all diese Krisen ausgelöst hat, sei an die wohl empörendste Nachricht der Woche erinnert: Russland verbrennt neuerdings täglich 4,34 Millionen Kubikmeter Gas in die Atmosphäre! Es verbrennt lieber das Gas, als es in die Leitung Nordstream 1 Richtung Europa zu füllen und dafür Geld zu kassieren. Das ist nicht nur die wahre und einzige Ursache der Energieknappheit. Das macht überdies alle hiesigen CO2-Spargesetze zu lächerlichen Faschingsscherzen, die aber dennoch von Grün und Rot (aber zum Teil auch von den anderen) wie ein heiliges Buch hochgehalten werden.

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