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Es gibt viele Gründe, sich keine Rückkehr Donald Trumps ins amerikanische Präsidentenamt zu wünschen. Zu oft hat er gelogen, zu chaotisch hat er auf Corona reagiert, zu eitel-aufgeblasen war sein physisches wie verbales Auftreten, zu unbekümmert war er schon früher als Wirtschaftsmagnat mit den Gesetzen umgegangen, zu sehr hat er das amerikanische Wahlsystem in Frage gestellt – weit über die Grenzen dessen hinaus, wo dieses wirklich zu kritisieren ist. Mindestens ebenso verlogen sind aber auch seine Kritiker auf beiden Seiten des Atlantiks – die nur noch hassen, statt objektiv zu urteilen vermögen.
Denn:
All das führt in Summe zu dem leicht schizophren klingenden, aber dennoch ehrlichen Wunsch: Dass der nächste US-Präsident ziemlich genau Trumps (oder auch Ronald Reagans für die USA und die Welt so positive) Politik wiederaufnimmt, dass er aber nicht Donald Trump heißt und nicht dessen Charakterschwächen hat.
Manches scheint jedoch darauf hinzudeuten, dass dieser Wunsch nicht in Erfüllung gehen wird: Das kann man zumindest aus Bidens Schwäche und dem Fehlen einer demokratischen Alternative zum senilen Joe Biden, sowie aus der krachenden Niederlage schließen, die Liz Cheney bei den parteiinternen Vorwahlen der Republikaner erzielt hat. War sie doch eine der wenigen republikanischen Abgeordneten, die Trump offen kritisiert haben. Das hat ihr dessen Feindschaft und vor allem die Verachtung vieler republikanischer Wähler eingebracht.
Denn bei keiner Partei lieben es die Anhänger, wenn sich Funktionäre oder Abgeordnete gegen den Chef stellen. Schließlich haben sie ja bei der Wahl vor allem für diesen gestimmt. Daher mussten und müssen die Wähler und Parteimitglieder jeden aus den eigenen Reihen, der gegen diesen Chef auftritt, als Verräter ansehen. Das tun sie dann noch viel mehr, wenn sie den Eindruck haben, dass dessen Verrat zum Sturz des Chefs beigetragen hat.
(Ein ganz ähnlicher massenpsychologischer Vorgang spielt sich übrigens derzeit bei den britischen Konservativen ab: Bei den Vorwahlen nach dem Sturz von Boris Johnson dürfte die bis heute Johnson-loyale Liz Truss überlegen über Rishi Sunak siegen. Denn dieser hatte ja durch seinen Rücktritt erst die entscheidende Lunte gegen Johnson gezündet. Menschen lieben vielleicht den Verrat, aber nie den Verräter.)
Bei den Dingen, die Trump zum Vorwurf gemacht werden, spielt vor allem der 6. Jänner 2021 eine entscheidende Rolle, als sich aus einer Rede des vor seinem Abgang stehenden Präsidenten heraus ein Massensturm seiner Anhänger auf das Kapitol entwickelt hat. Das war kein geplanter Putsch. Da gab es vor allem schwere – interessanterweise von den Demokraten völlig unter den Tisch gekehrte – Versäumnisse der Kongress-Polizei. Da gab es aber auch in keiner Sekunde den Appell Trumps "Zurück! Wir brechen nicht das Gesetz!" Das war ein schweres moralisches Versagen, wenn auch eher kein strafrechtliches. Aber vielleicht bringen die zahllosen Hearings und Verfahren dazu doch noch eine rauchende Pistole ans Tageslicht.
Wirklich erstaunlich ist aber eine verblüffende Parallele zu jenem 6. Jänner 2021 aus österreichischer Sicht: Am 4. Februar 2000 hat auf dem Wiener Ballhausplatz eine Menschenmenge die Angelobung der neuen Regierung Schüssel beim Bundespräsidenten zu verhindern versucht. Auch das war eine eindeutig verfassungswidrige Aktion. Der einzige Unterschied: Die schwarz-blaue Regierung hat nachher auf eine ähnlich großinszenierte parlamentarische und rechtliche Untersuchung der Vorgänge verzichtet, wie sie jetzt in Washington stattfindet.
Dabei gibt es unglaubliche Parallelen: So wie 2021 die US-Abgeordneten in sichere Räume im Kongress geflüchtet sind, so musste die Regierungsmannschaft Schüssels durch einen unterirdischen Gang in die Präsidentschaftskanzlei gehen, weil der Platz durch eine aufgepeitschte Menge blockiert war (und weil auf die damalige Wiener Polizei wenig Verlass war, dass sie der Regierung den Weg freimachen würde).
Es ist – leider – nie untersucht worden, wer damals die verfassungsfeindlichen Massen konkret aufgepeitscht hat. Aber es gab in jenen Stunden jedenfalls keinen einzigen Versuch von SPÖ-Seite, die Blockierer zurückzuhalten oder zu mäßigen. Statt dessen gab es auf den SPÖ-Kanälen ununterbrochen Hass-Aufrufe gegen Schüssel & Co (so wie die österreichischen Genossen dann später die antiösterreichischen Sanktionen der anderen EU-Staaten inszeniert haben).
Noch unglaublicher war das Verhalten des ORF. Dieser veranstaltete damals Live-Übertragungen vom Ballhausplatz, die den eindeutig anstifterischen Unterton hatten, dass viele anständige Menschen dazu stoßen, wenn sich das Volk gegen einen rechten Umsturz erhebt. Mir ist weder vorher noch nachher eine vom ORF mit so viel Sympathie und Direktübertragungen begleitete Demonstration in Erinnerung.
Was in Amerika in Sachen Aufarbeitung möglicherweise zu viel geschehen ist, ist in Österreich jedenfalls zu wenig geschehen.