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Tore zu für Russen – Tore offen für Syrer?

Wen wollen wir hereinlassen? Diese Frage spaltet derzeit die EU. Soll es europaweit einen Einreisestopp für russische Bürger geben, wie ihn zuletzt schon einige Anrainerstaaten Russlands eingeführt haben? Tatsache ist, dass es solche und solche Russen gibt. Bei den Syrern hingegen gibt es nur solche. Die richtige Antwort setzt freilich neben einem Konsens zwischen den durchaus unterschiedlich denkenden EU-Staaten noch etwas voraus: dass Länder wie Österreich noch Länder sind, die die eigenen Interessen an die Spitze zu stellen und diese auch gegen weltfremde oder ideologische Richter durchzusetzen wagen.

Im Falle Österreichs muss dies seit einiger Zeit bezweifelt werden. Immer öfter bestätigt sich der Eindruck, dass die gesamte Politik des Landes von weltfremden Ideologen im Verfassungsgericht und EU-Gerichtshof diktiert wird, die uns beispielsweise gerade – im totalen Widerspruch zur Naturwissenschaft – skurrile neue Geschlechter eingebrockt haben.

Was aber sind Österreichs Interessen in Sachen Immigration? Nüchtern betrachtet sind sie durchaus differenziert. Ganz gewiss sind sie nicht bei den beiden Extrempositionen zu finden, die da schlicht heißen: "Keiner soll hereindürfen!" und "Alle sollen hereindürfen!" (worauf zunehmend die Position mancher Höchstrichter hinausläuft).

Eine genaue Analyse der Interessen bedeutet konkret:

  1. Dazu gehört das angesichts der Entwicklung der letzten zehn Jahre von einem Großteil der Bürger verspürte und auch artikulierte Interesse, dass keine Parallelgesellschaften entstehen, dass diejenigen, die hereinkommen, entweder als Touristen oder Geschäftsleute nur vorübergehend da sind, oder sich möglichst rasch um Integration in Sprache und Kultur bemühen. Das tun auch viele tatsächlich – nur die Zuwanderer aus islamischen Kulturen tun es nicht. Aber auch über diese Problemmigranten hinaus funktioniert es bei jenen Migrantennationen nicht gut, wenn es bei den Zuwanderern zu einer Klumpenbildung kommt, weil zu große Massen aus der gleichen Kultur kommen. Das führt auch bei theoretisch Integrationswilligen bald zum Untertauchen in Parallelgesellschaften.
  2. Dazu gehört, zweitens, das Interesse Österreichs an qualifizierten und arbeitswilligen Menschen, die helfen, eine spätindustrielle Gesellschaft in Gang zu halten, und die es ermöglichen, den drohenden Kollaps als Folge der viel zu geringen Kinderzahl und des viel zu frühen Pensionsantrittsalters hinauszuzögern. Diesem Interesse Österreichs entsprechen fast alle Zuwanderer aus Europa, aber auch jene aus Süd-, Ost- und Südostasien (theoretisch auch die aus Nordamerika, aber die zieht es nur selten nach Österreich). Hingegen entspricht fast keiner der aus anderen Weltgegenden Gekommenen diesem Interesse – was Faktum ist, auch wenn es manchen politisch inkorrekt vorkommen mag und sie diese Tatsache daher gerne verdrängen.
  3. Dazu gehört, drittens, das legitime Interesse, dass es für die meisten Österreicher (Links- und Rechtsextremisten wie so oft ausgenommen) moralisch und emotional unerträglich ist, wenn Russen, die den Krieg Putins möglich gemacht haben, dann hierzulande bequem urlauben, während Millionen Ukrainer unter ihren Bomben und Raketen leiden.
  4. Dazu gehört, viertens, das Interesse, dass konkret und persönlich aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen echt Bedrohte weiterhin Schutz finden. Das schließt aber – so muss man angesichts der irren Entwicklung der Judikatur betonen – ausdrücklich jene nicht ein, die einfach dem Militärdienst in ihrer Heimat entgehen wollen, oder jene, denen (nach Ansicht hiesiger Richter) die Lebensumstände in ihrer Heimat im Vergleich zu Österreich nicht zuzumuten sind, etwa weil dort Arbeitslosigkeit herrscht (nach der derzeitigen VfGH-Judikatur wären Milliarden Erdbewohner für das "Asyl" in Österreich qualifiziert, was ich mich nach etlichen Jahrzehnten als außenpolitischer Journalist, der über 70 Länder beruflich bereist hat, mit Sicherheit zu sagen traue).
  5. Und, fünftens, haben wir zweifellos das Interesse, dass all diese Interessen halbwegs gerecht und keinesfalls willkürlich oder nach dem Zufallsprinzip administriert werden.

Die Oberstgerichte, die diese Aufgabe an sich gerissen hatten, haben in diesem Bereich eindeutig versagt. Aber auch auf politischer Ebene ist nirgendwo eine souveräne Analyse zu finden, die alle Aspekte zugleich beachtet. Von jenen ganz zu schweigen, die schreien: "Alle dürfen herein!", und jenen, die rufen: "Niemand darf herein!"

Die EU-weite Visa-Debatte in Hinblick auf die Russen müsste jetzt eigentlich auch Österreich zwingen, darüber ordentlich nachzudenken. Denn  jene Länder, die schon sehr leidvolle Erfahrungen mit Russland germacht haben, sagen alle kategorisch: "Keine Russen dürfen mehr herein!". Das ist moralisch und emotional angesichts des brutalen Angriffskrieges verständlich und nachzuvollziehen, und angesichts der geographisch meist exponierten Nähe dieser Länder zu Russland auch eindrucksvoll.

"Keine Visa für Russen" ist im Gegensatz zu Syrern, Afghanen & Co auch viel leichter umsetzbar, weil russische Bürger in der Regel nicht die Angewohnheit haben, ohne Erlaubnis über die grüne Grenze zu kommen. Sehr im Unterschied zu alljährlich Hunderttausenden Asiaten und Afrikanern, die vom üppigen Geldsegen der europäischen Wohlfahrtsstaaten angezogen werden, und die oft sehr genau über die absurde Judikatur der hiesigen Höchstrichter informiert sind.

Dieser Standpunkt hat angesichts des gegen wirklich alle völkerrechtlichen Vereinbarungen verstoßenden Angriffskriegs Russlands mehr Gewicht als die Sorgen einiger Luxusdestinationen (und Immobilienspekulanten) um einen leichten Geschäftsrückgang, weil die Russen ausbleiben.

Auf der anderen Seite ist aber klar: Nicht alle Russen unterstützen die Invasion. Das tun nur einerseits reiche Oligarchen, die wissen, dass sie lediglich in totaler Loyalität zu Putin ihre Geschäfte machen können. Das tut auf der anderen Seite vor allem die eher ungebildete und nur von den propagandistisch trommelnden Staatsmedien indoktrinierte Landbevölkerung (zumindest solange nicht zu oft Leichen der eigenen Söhne in die Dörfer geschickt werden).

Dazwischen aber gibt es in Russlands Städten eine breite Mittelschicht, in der keineswegs alle den Krieg unterstützen, in der viele diesen sogar ausdrücklich verurteilen.

Soll man diese Mittelschicht aussperren? Das wäre alles andere als moralisch. Das wäre eine üble Kollektivstrafe. Das wäre aber auch für uns massiv selbstbeschädigend. Denn gerade in dieser Mittelschicht gibt es im Volk der Mathematiker viele, die unserer am Nachwuchsmangel leidenden Hightech-Industrie und damit unserem Wohlstand sehr stützen würden.

Damit deckt sich ein moralisches Argument mit einem sehr egoistischen. Dieses egoistische Motiv ist auch unabhängig von der Moral valide, wie die Geschichte zeigt. So haben jahrhundertelang alle großen Einwanderungsländer in Übersee immer sehr genau geschaut, wen sie brauchen und daher hereinlassen, und wen nicht.

An diesem Prinzip ändert die Tatsache nichts, dass sich die Bedürfnisse im Laufe der Zeit gewandelt haben. So haben etwa die USA einst vor allem auf die körperliche Fitness der Einwanderer geschaut, und jahrzehntelang darauf, dass keine Chinesen oder Japaner darunter sind (damit das "Chinatown"-Klumpenrisiko nicht zu groß wird). So haben die Kanadier und viele andere Nationen vor allem jene Migranten (zum Beispiel Hongkong-Chinesen) hereingelassen, die viel Geld mitbringen und dieses im Land investieren.

Jede Nation hat also ganz selbstverständlich ihren Egoismus gelebt und ausgelebt. Und viele tun das heute noch. Nur in West- und Mitteleuropa hat sich ein kranker Masochismus durchgesetzt, in dem eine an die fast absolute Macht gekommene Richterklasse den Blick auf die nationalen Interessen geradezu zum Verbrechen gestempelt hat.

Das Ergebnis ist frustrierend. Und könnte im Falle Russlands sogar dazu führen, dass dann möglicherweise gar kein Russe mehr hereindarf, was formaljuristisch für die Regierungen viel leichter als eine Differenzierung umzusetzen ist (Wobei wir jene Fälle ausklammern, wo ein russischer Migrant so wie Millionen Afrikaner und Asiaten zu Fuß über die grüne Grenze kommt und sich vorher von irgendwem die vier Buchstaben "ASYL" auf einen Zettel schreiben hat lassen).

Die nationalen Interessen Österreichs heißen im Fall Russlands ganz eindeutig: Nein zu Immobilienkäufen oder Luxusurlauben für Putins Parteigänger, aber Ja zu allen, die aus Gegnerschaft zu ihm das Land verlassen und zu uns kommen und arbeiten wollen. Wir brauchen sie.

Es ist gewiss nicht ganz einfach, diesen Unterschied rechtlich zu operationalisieren. Niemand darf ja dabei in Gefahr durch Putins Schergen gebracht werden. Am klügsten wäre es wohl, für alle Russen prinzipiell nur Dreitages-Visa auszustellen. In dieser Zeit (plus jener Zeit, die zwischen Visa-Ausstellung und Einreise vergangen ist) müssten die Behörden imstande sein, den Fall grob zu überprüfen.

Angesichts der an allen Ecken und Enden explodierenden Arbeitskräftenot können wir es uns jedenfalls nicht leisten, dass weiterhin nur Georgien und Armenien (wohin es am leichtesten gelingt, Russland zu verlassen) von den Zehntausenden russischen Ingenieuren und IT-Spezialisten profitieren (Das sollte nicht als Bosheit gegenüber Armenien und Georgien verstanden werden: Es wird genug Russen geben, die auch bei einer Öffnung Westeuropas lieber in der dort zahlreichen Diaspora bleiben).

Aber wir können es uns ja offenbar doch leisten. Zu diesem Eindruck muss man zumindest kommen, wenn man das Verhalten der Politik analysiert. Aus irgendeiner Gelddruckerei wird das Geld schon kommen – so wie bei der "Wien-Energie", die am Rande der Insolvenz steht. Die in einer nächtlichen Notaktion den Finanzminister um große Summen anpumpt. Die aber nebenbei Geld genug hat, um Hauptsponsor eines Fußballvereins zu sein, der nicht einmal gegen das Liechtensteiner Vaduz reüssieren kann.

Wir haben ja Geld für all den Schwachsinn ...

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