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Ein Grundrechtsskandal namens orf.at

Das Elend vieler Zeitungen ist zu einem guten Teil selbstverschuldet. Sehr viele Redaktionen haben sich im linken Mainstream mitschwimmend sehr weit von den Lesern entfernt. Das ändert aber absolut nichts daran, dass die Konkurrenz durch den Internet-Auftritt des ORF, durch die sogenannte blaue Seite, eine unglaubliche Sauerei ist – gegenüber den (fast so dumpf wie der ORF links positionierten) Mainstreammedien genauso wie gegenüber jener Medien-Minderheit, die man als konservativ, wirtschaftsliberal, traditionsverbunden, volksverbunden, christlich oder echt neutral einstufen kann. Denn der Internet-Auftritt des ORF wird hauptsächlich durch die eigentlich einst nur für Radio und Fernsehen eingeführten Zwangsgebühren finanziert. Das ist massiv wettbewerbswidrig. Das ist marktverzerrend. Das würde in jeder anderen Branche längst von den Wettbewerbsbehörden unterbunden. Das ist auch eindeutig grundrechtswidrig, weil dadurch der Meinungspluralismus und damit die durch Verfassung und Menschenrechtskonvention garantierte Meinungsfreiheit eingeschränkt ist. Aber die Politik hat das Gebührenfernsehen einst sogar EU-rechtlich vor der Geltung der Grundrechte geschützt. Aus Angst vor den dortigen Monopoljournalisten.

Im Industrie- und Bankenbereich hat Österreich zum Segen für den Steuerzahler und die nationale Wirtschaftskraft mit der Verstaatlichung schon im vorigen Jahrhundert Schluss gemacht – bis auf wenige Ausnahmen. Diese sind fast zwangsläufig ständig von Affären und politischer Hektik und Hetze begleitet (beispielsweise zuletzt in Zusammenhang mit dem nach wie vor völlig ungeklärten Fall Thomas Schmid).

Die Verstaatlichung eines Teils der Medien wurde jedoch von der einstigen Reformwelle "Weniger Staat" unberührt gelassen. Dabei war schon damals im Medienbereich jede Berechtigung für die Verstaatlichung längst verloren gegangen – also dafür, dass die Gebühren für den bloßen Besitz eines Fernsehapparates (oder nach Willen der geldgierigen ORF-Menschen künftig sogar für die bloße Existenz eines Haushalts) mit staatlichen Zwangsmitteln eingetrieben werden. Diese waren bestenfalls in den Anfangsjahren von Fernsehen und Radio gerechtfertigt. So wie 1945 bis 1955 die Industrie-Verstaatlichung die damals notwendige Aufgabe hatte, wichtige Betriebe vor dem räuberischen russischen Zugriff zu bewahren, so hatte die Verstaatlichung von Rundfunk und Fernsehen anfangs ihre Begründung darin gefunden, dass nur ein verstaatlichter Betrieb (egal, ob er als Aktiengesellschaft, GmbH oder Stiftung geführt wird) imstande war, die notwendigen Sender zu bauen.

Heute hingegen blühen Voest, Banken und zahlreiche andere Unternehmen dank der Privatisierung sehr erfolgreich – obwohl sie heute ohne Privilegien auf einem ebenen Spielfeld allen Konkurrenten nur noch gleichberechtigt gegenüberstehen. Heute ist die private Konkurrenz nicht mehr dadurch benachteiligt, dass die verstaatlichten Betriebe früher regelmäßig auf das Geld des Steuerzahlers zugreifen konnten, wenn sie Kunden verloren, Mist gebaut oder sich verspekuliert haben.

Beim ORF hingegen hat die Politik diesen Privilegienabbau noch immer nicht gewagt. Und sie wird es auch nicht, solange Grün oder Rot an der Regierung beteiligt sind. Denn für diese ist die Unterstützung durch die ORF-Redaktionen ihr überhaupt effizientestes Propaganda-Instrument. Die ÖVP wiederum hat seit mehr als 50 Jahren keine Ahnung von Medienpolitik. Und die FPÖ bestenfalls eine erratische, nicht wirklich nachvollziehbare.

Was besonders empörend ist: Der ORF hat nicht nur längst überholte Privilegien für all seine Radio- und Fernseh-Produktionen aus fernen Zeiten in die Gegenwart retten können, obwohl sich die Rahmenbedingungen total geändert haben. Er hat diese Privilegien auch auf das noch wichtigere Spielfeld der medialen Zukunft übertragen können, auf das Internet. Im Internet hat es aber von Anfang an keinen Grund, keine Notwendigkeit gegeben, dafür Zwangsgebühren einzuheben. Denn für eine Internet-Seite braucht es keine dicke Anfangs-Investition zum technischen Aufbau. Denn im Internet hat es von Anfang an genug private Informationsanbieter gegeben.

Verteidiger des ORF werden einwenden, dass orf.at stolze Zugriffsziffern und Marktanteile hat (die im Gegensatz zu den schrumpfenden ORF-Zahlen bei Radio und Fernsehen stehen).

Ja, das stimmt. Aber erstens geben Marktanteile weder Grund noch Berechtigung für die staatliche Privilegierung des relativ größten Players. Sonst wären ja eben Banken und der größte Stahlproduzent Österreichs noch immer in Staatshänden. Bei der staatlichen Presseförderung werden Marktführer sogar ausdrücklich benachteiligt!

Und zweitens sind gerade diese Zugriffsziffern ja direkte Folge der ungerechtfertigten finanziellen Privilegien, also der Finanzierung durch die eigentlich für Fernsehen und Radio eingetriebenen Zwangsgebühren. Diese wirkt sich gleich auf mehreren Ebenen aus:

  1. orf.at muss sich nicht wie alle anderen Internet-Auftritte selbst finanzieren; dort kann vielmehr eine Redaktion unbehindert durch die wirtschaftlichen Notwendigkeiten, die alle anderen tragen müssen, munter vor sich hin werken.
  2. Die Internet-Auftritte aller anderen müssen sich daher durch Werbung oder Abonnements finanzieren, wobei heute primär die vom Publikum wenig geliebte Werbung relevant ist.
  3. Die anderen Internet-Auftritte müssen daher schon an oberster Stelle ihrer Startseiten Anzeigen platzieren, damit sie dafür Geld bekommen. Das macht den Überblick und das Finden der redaktionellen Inhalte zwangsläufig deutlich mühsamer.
  4. orf.at, wo man fast keine Werbung platzieren muss, ist daher weit übersichtlicher und user-freundlicher als die Tageszeitungs-Seiten – obwohl inhaltlich genau die gleichen Agentur-Informationen zu finden sind.
  5. Werbung bringt im Internet noch einen weiteren Nachteil für die jeweilige Homepage: Der technische Aufbau einer solchen Seite dauert dadurch meist deutlich länger (weil die Inhalte erst von vielen verschiedenen Servern hochgeladen werden müssen), als wenn nur redaktionelle Inhalte drauf stehen.
  6. Als Folge der dank Zwangsgebühren übermächtigen ORF-Seiten haben die Konkurrenten deutlich weniger User-Zugriffe, als sie hätten, gäbe es ein ebenes Spielfeld.
  7. Als weitere Folge bekommen sie in einer Teufelsspirale auch viel weniger Geld für die Inserate, die sie platzieren, weil diese pro User ("View" oder "Klick") bezahlt werden.
  8. Diese Situation zwingt die Zeitungen wiederum dazu, auch – höflich ausgedrückt – halbseidene Inserate auf ihre Internet-Seiten zu nehmen.
  9. Als weitere Folge können die Zeitungs-Internet-Seiten oft keinen – oder zumindest keinen substanziellen – Beitrag zur Finanzierung der Redaktionen liefern, sondern sind de facto oft Parasiten der ohnedies in Existenznöten befindlichen hauseigenen Print-Ausgaben.

Damit landen wir beim zentralen demokratiepolitischen und rechtsstaatlichen Problem: der Notwendigkeit von medialem Pluralismus. Ohne diesen kann es keine funktionierende Demokratie geben.

Diese Notwendigkeit hat in den letzten Jahren – vor allem seit ein gewisser Faymann in die Regierung gekommen ist – zur Begründung der massiven Inseraten- und "Kooperationen"-Geldflüsse an jene Zeitungen geführt, die sich den jeweiligen Politikern gegenüber willfährig zeigten. Damit hat die üble Fehlkonstruktion der Zwangsgebühren zu einer noch übleren geführt, den Bestechungsinseraten.

Statt dieser doppelten Willkür müsste die einzige gerechte Lösung in einer Abschaffung der Bestechungsinserate und der Gebührenfinanzierung zumindest für orf.at bestehen – wenn sich die Regierung schon nicht traut, die gesamte, völlig anachronistisch gewordene Zwangsgebühr für alle ORF-Produkte abzuschaffen.

  • Eine solche Lösung wäre erstens gerecht durch die Gleichbehandlung aller Medien, zumindest aller Internet-Medien.
  • Sie wäre zweitens gerecht durch die Abschaffung aller Korruptionskanäle (die ganz Österreich durchschaut, nur die WKStA tut das angeblich nicht; denn sie blickt immer nur dort hin, wo sie der ÖVP und FPÖ schaden kann – auch ohne dass es ein Delikt geben würde).
  • Sie würde drittens das Überleben des demokratiepolitisch wichtigen Medienpluralismus sichern.
  • Und sie würde viertens den in Inflationszeiten ohnedies schwer belasteten Österreichern eine Erleichterung bringen.

Müsste deswegen orf.at sterben? Nein, keineswegs. orf.at soll weiterleben. Aber eben ohne Privilegien. Es kann sich so wie alle anderen durch Inserate erhalten.

Nachdem der ORF aber auch behauptet, orf.at sei besser als alle anderen, werden sich auch sicher genug Abonnenten für ein Bezahlsystem finden. Solche Abonnements dürften aber eben nur freiwillige Abos sein. Dann würden eben all jene so wie bisher etwas zahlen, die Wert auf orf.at legen. Und alle anderen würden entlastet werden.

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