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Wo sind da die Rassisten und Sexisten?

Es ist ein absolut faszinierendes Exempel in echter Demokratie, das uns die britischen Konservativen da in diesen Tagen vorzeigen. Und es widerlegt zugleich auch alle – von der Linken und damit automatisch auch den Mainstreammedien ständig breitgetretenen – Vorurteile wider konservative Parteien, dass diese rassistisch oder sexistisch wären. Dieser Vorwurf scheint letztlich viel eher die Sozialisten zu treffen. Aber auch der Rücktritt des bisherigen Premiers Boris Johnson war in seinem Ablauf ein erstaunlicher Vorgang, der anderswo so kaum denkbar wäre.

Zuerst zu Johnsons Abgang: Er wurde nicht von politischen Gegnern, sondern trotz seiner früheren Erfolge von der eigenen Partei – genauer: von kritischen Teilen dieser Partei – gestürzt, bloß weil er wohl mehrere Male die Unwahrheit gesagt hat. Zum Vergleich: Wenn anderswo Parteiführer wegen einer Lüge von der eigenen Partei abserviert würden, würden europaweit wohl nur noch wenige Parteichefs überleben.

Bei Johnsons Abschuss dürfte eine heftige Kampagne einiger (in Großbritannien noch immer sehr wichtiger) Boulevardblätter gegen ihn der entscheidende Auslöser gewesen sein. In der Folge sind die Umfragewerte der Tories abgestürzt. Das hat wiederum Angst der konservativen Abgeordneten vor den nächsten Wahlen ausgelöst, dass Johnson nicht mehr den Erfolg bringen würde.

Andererseits ist ebenso Tatsache, dass Johnson beim Lügen über relativ marginale Dinge erwischt worden ist: nämlich über sein Wissen um schwul-sexuelle Belästigungs-Vorwürfe gegen einen hohen Parteifunktionär und über das Stattfinden unerlaubter After-Work-Partys während der Corona-Lockdowns in seinem Büro. Diese waren zwar eindeutig nach den damals in England geltenden Verordnungen verboten. Aber es gibt wohl keinen einzigen Europäer, der immer alle einschlägigen Corona-Verbote strikt eingehalten hätte. Genauso wenig wie es beispielsweise keinen Autofahrer gibt, der immer alle Verkehrsregeln beachten würde, vom Tempolimit bis zu den Parkverboten.

Man sollte sich daher eher darüber Sorgen machen, dass Johnsons Abschuss ein weiterer Schritt auf dem Weg der Verwandlung der einst freien Welt in ein Gefängnis voller penibel einzuhaltender Regeln und Verbote sein dürfte, voller Zensur-Unkultur statt Toleranz und Konzentration auf die wichtigen Dinge. Wenn die Gesellschaft nicht mehr imstande ist, lässliche Sünden als solche zu behandeln, dann führt das nicht zu einer besseren und korrekteren Welt, sondern im Eilschritt zu einer Correctness-Diktatur, in der es immer weniger Raum für Privatheit und menschliche Schwächen gibt. Und dort, wo die Welt irgendwie demokratisch zu bleiben scheint, werden sich nur noch völlig farblose Gestalten ohne jede Leadership die Klinken der Regierungstür in die Hand geben. Und damit ebenfalls die Demokratie unterminieren.

Es ist jedenfalls für ganz Europa schade um jenen britischen Premier, der zusammen mit Winston Churchill und Margaret Thatcher zu den weitaus wichtigsten Bewohnern von Downing Street während der letzten hundert Jahre gehört hat, der etwa als erster westlicher Staatsmann sofort die Bedrohung der ganzen freien Welt durch die Ukraine-Invasion begriffen hat, der den nicht nur von ihm, sondern auch von Brüssel, Berlin und Paris mitverschuldeten Brexit (so bedauerlich der an sich auch ist) wider alle düsteren Prophezeiungen passabel über die Runden gebracht hat.

Andererseits gehört Lügen über das Stattfinden eines Umtrunks zu jenen Sünden, die jeder einzelne Wähler als etwas Unkorrektes begreifen kann. Hingegen sind für die Durchschnittswähler fundamentale Fehler in den wirklich wichtigen Fragen – Wirtschaft, Außenpolitik, innere wie äußere Sicherheit, Verschuldung, Demographie, Migration, Rechtsstaat – viel schwieriger zu durchschauen. Dies auch deshalb, weil die Folgen selbst ganz großer Fehler, wie es etwa die sozialistischen Wohlfahrtsstaatsexzesse zu Lasten der nächsten Generation sind, oft erst mit großer Verspätung sichtbar werden.

Das ändert aber nichts daran, dass die Kür eines Johnson-Nachfolgers eindrucksvoll verläuft. Besonders imponiert dabei der bedächtige, schrittweise Ablauf. Während sich bei uns nach dem Rücktritt eines Chefs die Parteigranden meist binnen weniger Stunden hinter Polstertüren einen Nachfolger ausmachen, lassen sich die Briten wochenlang Zeit, um möglichst demokratisch die bestmögliche Entscheidung zu suchen. Dabei kommen sowohl die Abgeordneten wie auch die Parteimitglieder zu Wort.

Besonders interessant ist der mehrstufige Wahlvorgang unter den Abgeordneten der Partei, dem sich alle stellen, die sich berufen fühlen und die ein Mindestmaß an Unterstützung bekommen haben: Denn nach jeder Abstimmung fällt dabei nur der Letztplatzierte weg, sodass taktische Kandidaturen sinnlos sind, die anderswo den Zweck haben, die Stimmen eines anderen parteiinternen Lagers zu spalten, um so dem eigenen Kandidaten zu helfen, Nummer Eins zu werden.

Der britische Weg ist zwar mühsamer und langwieriger als jeder andere Wahlmodus, er führt aber zweifellos zu repräsentativeren Aussagen über den wahren Willen der Wählerschaft, die in diesem Fall aus den konservativen Abgeordneten besteht. Nach deren Entscheidung werden nun die beiden Bestplatzierten allen Parteimitgliedern zu einer Urabstimmung vorgelegt. Einerseits haben also die Abgeordneten als jene, die durch ihre Tätigkeit weitaus am besten jeden einzelnen Kandidaten beurteilen können, die beiden Besten ausgewählt. Die Schlussentscheidung steht aber jetzt nur der Basis zu.

Das wirklich Sensationelle und Eindrucksvollste ist jedoch, welche beiden Kandidaten da am Schluss der Basis zur Wahl stehen (und – soweit man das aus der Ferne beurteilen kann – einen guten Eindruck machen): Es ist ein Brite indischer Abstammung und eine Frau. Das ist ein krasser Gegensatz zu dem von Medien gerne verbreiteten Eindruck, dass Migranten und Frauen nur bei Linksparteien gut aufgehoben wären und dass konservative Parteien nur Ansammlungen von weißen alten Männern wären.

Beides ist grundfalsch. Auf der Linken hat es in den großen europäischen Ländern weder eine Margaret Thatcher noch eine Angela Merkel gegeben. Und in Österreich hat zwar die SPÖ jetzt eine Frau an der Spitze, die aber sofort von parteiinternen Rivalen untergriffig attackiert worden ist. Es war schon zwei Jahrzehnte früher die FPÖ, welche die erste weibliche Parteispitze hatte. Und es war vor mehr als einem halben Jahrhundert die ÖVP, die als erste eine Frau zur Ministerin gemacht hat. Die SPÖ hingegen hat im Gegensatz zu allen anderen Parteien noch kein einziges Mal eine Frau (oder eines der von ihr erfundenen diversen Wesen) als Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl aufgestellt. Dafür quält uns die SPÖ mit anderen feministischen "Erfolgen", die in Wahrheit für Frauen völlig irrelevant sind. Etwa mit dem von ihr einst durchgesetzten Krampfgendern und der Verschwendung von viel Steuergeld für "Gleichstellungsbeauftragte" und ähnlichen Unsinn.

Die Tories haben keine solche Beauftragten, sondern haben versucht, den Besten zu finden. Was bei uns der von den Linken erfundene und von anderen brav übernommene Quotenfetischismus immer öfter verhindert.

Zurück auf die Inseln: Beide nun im Finale stehenden Kandidaten sind wie Vorgänger Johnson ganz klare und bekennende Konservative. Sie gehören in keiner Weise zu den von Thatcher so verachteten parteiinternen "Waschlappen". Sie sind wirtschafts- und währungspolitisch klar positioniert, aber auch außen- und sicherheitspolitisch. Sie wollen beide auch weiterhin die Ukraine massiv unterstützen.

Der indienstämmige Finanzminister Sunak ist ebenso wie seine Rivalin Truss ein vehementer Kämpfer gegen die illegale Einwanderung. Das erinnert stark an den afrikastämmigen Migrationsminister Dänemarks, der für seine konsequente Anti-Migrationspolitik von allen Linken gehasst wird. Es sind eben oft gerade die gut integrierten Persönlichkeiten mit nicht-europäischem Hintergrund, die genau wissen, wie viele Zig-Millionen in anderen Kontinenten auf das Ticket ins europäische Wohlfahrtssystem warten, und die daher im Gegensatz zur Naivität der linken und christlichen Gutmenschen Europa besonders effizient schützen wollen.

Und – fast hätte ich diese Selbstverständlichkeit zu erwähnen vergessen – beide sind auch vehemente Befürworter des Brexit, wenn auch zum Teil erst geworden. Das mag die EU-Zentralisten und Linken enttäuschen oder empören. Diese haben ja insgeheim geglaubt, dass die Briten nach einem Abgang des bösen Johnson bald reuevoll unter das EU-Dach zurückkriechen werden. Und sie haben dabei übersehen, dass inzwischen auch die (bei Umfragen derzeit führende) Labour-Partei unter ihrem jetzigen Parteichef Starmer auf einen Pro-Brexit-Kurs eingeschwenkt ist und dass Starmer gerade dadurch Labours Wahlchancen deutlich verbessert hat.

Außenministerin Truss erinnert als Gegenkandidatin mit ihrem ganz auf Steuersenkung konzentrierten Wahlprogramm wie auch ihrem gesamten Auftreten intensiv an die Erfolgsgeschichte Margaret Thatcher. Diese ist aber auch für Sunak ein großes Vorbild. Sunak betont besonders die Bedeutung der konservativen Werte und formuliert brillante Schüsselsätze wie: "Ich glaube an harte Arbeit, Familie und Integrität." Das erinnert den Österreicher schmerzhaft daran, dass er schon lange von keinem heimischen Konservativen so schöne Sätze gehört hat, die in acht Wörtern den Konservativismus perfekt auf den Punkt zu bringen vermögen.

PS: Das Einzige, was gegen Sunak sprechen könnte, ist die Tatsache, dass er ein Schlüsselspieler bei der innerparteilichen Revolte gegen Johnson gewesen ist. Das deutet auf allzu großen Ehrgeiz hin, der nicht unbedingt sympathisch macht.

PPS: Noch eine Anmerkung zum skizzierten Wahlsystem: Das ist zwar anders als das bei britischen Parlamentswahlen geltende Mehrheitswahlrecht. Aber die Tories beweisen jetzt damit, dass sich das – fast immer – für klare Regierungsverhältnisse ohne die anderswo notwendigen Tauschgeschäfte und Basarmethoden sorgende Mehrheitswahlrecht sehr gut mit Elementen der direkten Demokratie verbinden lässt.

PPPS: Es ist immer noch verblüffend, dass einer der wichtigsten Regierungschefs Europas über eine Verletzung der Lockdown-Regeln stürzt, während in Österreich zugleich ein Bundespräsident vor der ungefährdeten Wiederwahl steht, der ganz ähnlich Lockdown-Regeln verletzt hat. Ist die totalitäre Correctness-Diktatur also am Ende nur eine politisch sehr einseitige?

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