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Wenn Wladimir Putin wirklich seine eigene Propaganda geglaubt haben sollte, dann muss er jetzt eine totale Niederlage verdauen – egal wie "erfolgreich" die russische Artillerie eine ukrainische Stadt nach der anderen kaputtschießt.
Hat doch seine Propaganda neben der Behauptung, in der Ukraine müssten die Menschen aus den Händen von Nazi-Banden befreit werden, auch ständig die alte russische Mär verbreitet, das Land würde bedrohlich eingekreist. Mit dieser paranoiden Fiktion hat Russland schon seit Jahrhunderten von Zentralasien bis Europa seine Eroberungen und seine Expansion zum flächenmäßig weitaus größten Land der Erde begründet.
In den letzten Jahrzehnten hat Moskau dieser Einkreisungsbehauptung vor allem einen Namen gegeben: den der Nato. Jetzt aber wird ausgerechnet als Folge von Putins Invasion in der Ukraine diese Nato durch den Beitritt Finnlands und Schwedens deutlich stärker denn je. Jetzt hat sie ihre direkte Grenze zu Russland vervielfacht, um nicht weniger als 1300 Kilometer verlängert. Wenn also wirklich die Nato-Angst das Angriffs-Motiv Putins gewesen sein sollte, dann hätte Putin seinem Land die größte Selbstbeschädigung seiner Geschichte zugefügt.
Tatsache ist freilich, dass die Nato mit ihrem zentralen Artikel 5 kein Angriffs- und schon gar kein Einkreisungsbündnis ist, sondern eines, in dem sich inzwischen 30 Staaten aus eindeutig freiem Willen zum gegenseitigen Beistand gegen Angriffe zusammengeschlossen haben. Und die fürchten sie vor allem aus dem bis zu den Zähnen mit Atomraketen bewaffneten Russland.
Länder, die sich mit Russland ähnlich verbündet haben, sind hingegen rar. Belarus, Kuba, Venezuela und einige der mittelasiatischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion sind das. Jedoch sind das durchwegs Diktaturen, wo nicht etwa ein Volk bei Moskau Schutz gegen Bedrohungen gesucht hätte, sondern ein Diktator Schutz gegen das eigene Volk.
Selbst der gegenwärtige Herrscher von Kasachstan, der erst vor wenigen Monaten nur mit Hilfe russischer Truppen seine Macht absichern konnte, ist in den letzten Tagen deutlich auf Distanz zu Russland gegangen. Er biedert sich Europa an und betont das Recht von Staaten auf ihre eigene Souveränität – aus gutem Grund: Sieht er doch deutliche Parallelen zwischen seinem eigenen Land, wo die russischsprechenden Einwohner mehr als ein Fünftel ausmachen, und einem anderen Nachfolgestaat der Sowjetunion, der Ukraine. Auch dort hat ein bedeutender Teil der Einwohner zumindest bis vor kurzem Russisch als erste Sprache gesprochen. Von ihnen haben freilich in den letzten Jahren viele ihre Loyalität von Moskau ab- und Kiew zugewandt. Denn sie sehen, dass Moskau wieder ganz in die Diktatur einer Mischung aus Stalin und Zar zurücksinkt, dass sich Kiew hingegen intensiv bemüht, nach dem verheerenden sowjetischen Erbe demokratisch, rechtsstaatlich und westlich zu werden.
Es scheint sicher, dass Putin bei seinen Sandkastenspielen vor der Ukraine-Invasion nicht mit diesem Schritt Schwedens und Finnlands gerechnet hatte. Dabei ist dieser ein absolut bedeutender. Er ist noch dazu in einem fast völligen inneren Konsens beider Nationen erfolgt. Mit dem Beitritt der zwei militärisch gewichtigsten Länder ist nun ganz Skandinavien Teil der Nato.
Sie waren bisher neutral. Sie hatten ihre Neutralität in Sachen Verteidigungsbereitschaft auch sehr ernst genommen – sehr zum Unterschied von den verbliebenen Neutralen Europäern, also Österreich, Irland, Malta und Zypern, die zwar alle insgeheim auf die Nato bauen, aber aus innenpolitischen Gründen nicht beitreten, dennoch wenig für die eigene Verteidigungsbereitschaft tun.
Auffallend ist dabei auch, dass Finnland mit seiner langen Landgrenze zu Russland eine ganz ähnliche Geschichte wie Polen hat, das sicher zu den konsequentesten Gegnern Russlands zählt:
Für die Neumitglieder Schweden und Finnland bedeutet der Nato-Beitritt die Verpflichtung der USA, Großbritanniens und der meisten EU-Staaten, ihnen notfalls beizustehen. Er bedeutet vor allem aber die atomare Garantie der USA für ihre Sicherheit. Wie wichtig beides ist, sehen sie am Los der alleine dastehenden Ukraine.
Sie haben auch erkannt, dass der im EU-Vertrag stehende gegenseitige Beistand aller Unionsmitglieder ziemlich wenig bedeutet. Sonst hätten sie sich ja mit der Rolle eines bloßen EU-Mitglieds begnügen können. Aber erstens sind die Nichtmitglieder USA und Großbritannien militärisch die weitaus relevantesten Akteure auf westlicher Seite. Und zweitens ist die Sicherheits-Zusammenarbeit der EU seit Jahren mehr eine planerische Überschrift als Inhalt.
Das hat man auch bei den Waffenlieferungen an die Ukraine gesehen. Dabei waren eindeutig die Briten und Amerikaner die wichtigsten und effizientesten. Auch Polen und die kleinen Balten-Staaten waren sehr hilfreich für die Ukraine, während Frankreich wie so oft mit inneren Problemen beschäftigt ist, sich militärisch einzig auf seine Atomwaffen verlässt und selbst bei seinen afrikanischen Einsätzen gegen die Islamisten wenig erfolgreich ist.
Deutschland wiederum hat sich vor allem in der Anfangsphase des Krieges ziemlich blamiert, als die Lieferung alter Stahlhelme seine erste Aktion gewesen ist. Zwar hat sich da inzwischen etliches geändert. Aber vorerst ist es doch nur ein nettes Versprechen an die Zukunft, wenn Bundeskanzler Scholz ankündigt, dass die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Armee Westeuropas werde. Zwar klingt das als Antwort auf die Invasion angekündigte deutsche Rüstungsprogramm recht eindrucksvoll. Aber solche Ankündigungen sind halt schon allzu oft bloß auf dem Papier geblieben, weil das Geld doch nicht gereicht hat, weil anderes wahlkampfwichtiger gewesen ist.
Erstaunlich ist freilich die Tatsache, dass sich zum ersten Mal in der Geschichte – bis auf Russland – ganz Europa über die Ankündigung einer deutschen Aufrüstung freut. Niemand redet von einem deutschen Imperialismus. Und Tatsache dürfte auch sein, dass die konventionelle Stärke der Armeen Moskaus früher weit überlegener gewesen sein dürfte. Seriöse Analysen waren einst zu dem Schluss gekommen, dass die Rote Armee und ihre Verbündeten binnen weniger Wochen am Rhein stehen könnten. Was in ganz Westeuropa (bis auf die Linksradikalen) großes Interesse an der amerikanische Atomgarantie zur Abschreckung eines solchen Angriffs geweckt hatte.
Inzwischen erlebt die russische Armee in der Ukraine aber konventionell, insbesondere infanteristisch einen für Moskau schockierenden, für Europa aber erfreulichen Realitätstest. Gleichzeitig kommen auf westlicher Seite in Nordeuropa zwei gut gerüstete, und so, wie die Ukraine, hochmotivierte Länder dazu. Alleine Finnland hat 900.000 im Training stehende Reservisten. Das sind weit mehr, als die russische Invasionsarmee ausmacht.
All das vermag gerade in gefährlichen Zeiten doch einige Zuversicht geben.
Ein Text mit ähnlichem Inhalt ist in der europäischen Wochenzeitung "Epoch Times" erschienen.