Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Der Schweige-Kandidat

Die Lage ist ernst und wird täglich ernster. Und deshalb herrscht auch aufgeregtes Stimmengewirr, weil sich Politiker aller Couleur mit unüberlegten Wortmeldungen als Retter von Herrn und Frau Österreicher profilieren wollen. Es wimmelt von Vorschlägen zur Milderung der Energiepreise, jeder will das Ei des Columbus gefunden haben, die Inflation abzufedern. Nur einer schweigt beharrlich: der Kandidat aus der Hofburg.

Alexander van der Bellen konnte sich gar nicht oft genug mit Ansprachen zur besten Sendezeit ins Fernsehen drängen, als es galt, Sebastian Kurz aus dem Kanzleramt zu entfernen. Man hatte das Gefühl, die beinahe täglich vorgetragenen salbungsvollen Beruhigungsworte – mit denen er freilich gezielt Öl ins Feuer goss - wären schon fixer Programm-Bestandteil des ORF. Kaum war dieses grüne Anliegen erledigt, fiel er aber wieder in den tiefen Hofburg-Schlaf, kurz unterbrochen von einem Tiktok-Auftritt, um seine Wiederkandidatur anzukündigen, und recht stillosen Photo-Terminen mit Ehefrau und gekrönten Häuptern auf Staatsbesuch oder mit den Fußballerinnen auf dem Weg nach England.

Aber wo ist der Bundespräsident jetzt, da die "Menschen, die in diesem Land leben," (wie er so gerne sagt) vollkommen verunsichert sind? Hat er ihnen gar nichts zu sagen? Und hat er, der das Gewicht seines Amtes zu allen möglichen Fragen gerne in die linke Waagschale geworfen hat, diesmal den Regierenden gar nichts zu raten?

Auch wenn ihm in seinem mit Fernwärme geheizten Büro und mit einem fürstlichen Gehalt die Probleme der Menschen fremd sein mögen, die angesichts ihrer Strom- und Gasrechnung, der Teuerungsraten bei den Lebensmitteln und einer noch schwierigeren ökonomischen Entwicklung in der nahen Zukunft dabei sind zu verzweifeln: Jetzt wäre absolut der Moment für eine Ansprache des Bundespräsidenten.

Angeblich ist der Präsident/Kandidat ja auch Wirtschaftsprofessor gewesen. Er müsste daher einiges beitragen können zu der Frage, ob es etwa wirklich der richtige Weg ist, die Milliarden mit der Gießkanne über die gesamte Bevölkerung auszuschütten, statt den untersten Einkommensbeziehern gezielt zu helfen? Noch dazu, wo das Milliarden auf Pump sind, die die zukünftigen Generationen schwer belasten? Er könnte die Folgen eines Preisdeckels oder des Gewinnabschöpfens bei Energiekonzernen genau erklären (oder sollte es zumindest können).

Als Bundespräsident müsste er darüber hinaus das große Bild im Auge haben und uns daran erinnern, dass die harten Zeiten, durch die wir – und die anderen Europäer – jetzt gehen müssen, auch der Preis für unsere Freiheit sind, die die tapferen Ukrainer mit ihrem Leben verteidigen. Und dass die Österreicher in der Vergangenheit mehrfach bewiesen haben, dass sie sich mit Einsatzbereitschaft und Anstrengung aus schwierigen Situationen herausgearbeitet haben. Ach ja, und mit Fleiß, so veraltet das Wort auch klingen mag – aber um Präsident zu werden, hat van der Bellen ja auch schon einmal das Wort "Heimat" aussprechen gelernt. In so einer Ansprache könnte er dann sagen: So sind wir!

Aber jetzt ist Herr van der Bellen eben bei vollen Bezügen Kandidat. Er tourt durch die Lande, plaudert wie der liebe Urgroßvater mit Kindern und vergnügt sich hemdsärmelig in Festzelten. Wer gewählt werden will, der will strahlen und nur ja nicht mit Stimmungs-Killern wie Inflation oder Energie-Engpässen in Verbindung gebracht werden. Die Social-Media-Kanäle des HBP – die überhaupt nicht zu dem alten Herrn passen, aber von einer vielköpfigen Schar an Hofburg-Mitarbeitern befüllt werden – spiegeln eine vollkommen abgehobene Märchenonkel-Realität, die mit dem Leben der Österreicher aber schon gar nichts zu tun hat. Er lebt in einer anderen Welt.

Und daran zeigt sich geradezu exemplarisch, wie wenig ernst sich unsere Demokratie nimmt, wenn man so in das höchste Amt im Staat schweben kann – herausgefordert nur von ein paar Zähl- und Spaßkandidaten, aber ohne einen inhaltlich gewichtigen Konkurrenten, den eine staatstragende Partei, die etwas auf sich hält, schon deshalb stellen müsste, damit die Bürger eine echte Wahl haben und nicht nur das Kreuz drüber machen dürfen. So wird die einzige Volkswahl, die wir haben, zur Farce.

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung