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Welthandel: Europas Selbstbeschädigung

Überdeutlich zeigt sich heute, wie unklug es war, dass Europa vor einigen Jahren unter Einfluss der Grünen, der Gewerkschaften und einiger rechter Gruppen auf ein neues Welthandelsabkommen verzichtet hat. Damit hat es sich selbst in vielfacher Hinsicht den Zugang zur Dritten Welt erschwert, sich einseitig von China und Russland abhängig gemacht, und gleichzeitig diesen beiden den Zugang zu Afrika & Co erleichtert.

Die damaligen Argumente lassen sich an Dummheit nicht überbieten. So wurde etwa Angst vor "Chlorhühnern" gemacht, also vor Hühnern, die mit Chlor gegen Salmonellen-Infektionen gesichert worden sind. So wurde behauptetet, solche Abkommen würden nur den Interessen der "Kapitalisten" dienen – was links und rechts ein Killerargument ist. Und so wurde besonders intensiv gegen die vorgesehenen Schiedsgerichte gehetzt.

Diese sind aber absolut unersetzlich, wenn beide Seiten dem globalen Handel vertrauen sollen. Denn weder sind indische Firmen von der Neutralität nationaler Gerichte in Europa überzeugt, noch europäische Firmen von indischen Gerichten. Deshalb werden bei internationalen Verträgen sehr oft Schiedsgerichte vereinbart, wo beide Seiten je einen Richter nominieren, die sich auf einen neutralen Dritten einigen müssen.

Hinter der Ablehnung solcher logischer Konstruktionen steht oft versteckte neokolonialistische Präpotenz, die die eigenen Gerichte als überlegen ansieht, aber auch die Angst von Grünen und Gewerkschaften vor Machtverlust: Denn dann können sie ihre Wünsche nicht mehr einseitig über die nationale Gesetzgebung vorantreiben. Denn ein solches Schiedsgericht darf nur die Rechtslage bei Vertragsabschluss berücksichtigen. Neokoloniale Bevormundungen wie etwa die modischen Rufe nach Lieferkettengesetzen wären dann nicht mehr möglich.

Diese Dummheit des Westens haben sich Russland und China zunutze gemacht. Sie konnten sich in Afrika, Asien und Lateinamerika in einem Maße festsetzen, das sonst nicht möglich gewesen wäre. So hat sich China den exklusiven Zugang zu vielen "seltenen Erden" verschafft, die für Alternativenergien immer wichtiger werden. So hat es sich große Agrarflächen gekauft.

Viel zu spät entdeckt der Westen, wie wichtig eine Diversifizierung der Handelsströme gewesen wäre, damit nicht etwa Indien jetzt demonstrativ mit Russland flirten kann, damit nicht die Abhängigkeit von Chinas Politik so groß wäre, dass allein dessen Lockdowns weltweite Beben auslösen können.

Ich schreibe in jeder Nummer von Österreichs einziger Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".

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