Es ist ein bekannter politischer Trick: Ein Teil der Grünen fordert etwas besonders Verrücktes, die ganze Nation diskutiert erregt darüber, und dann übersehen alle, dass die Grünen im Schatten dieser Ablenkungsdiskussion eine ganze Reihe anderer Verschlimmerungen und Reglementierungen durchdrücken. Diesmal ist es die von ihrer Verkehrsministerin vorgeschlagene neue Straßenverkehrsordnung, welche offensichtlich eine endgültige Fahrraddiktatur durchsetzen will. Und welche erstmals im Gegensatz zu all ihren Vorgängern die Zahl der Verkehrsunfälle nicht reduzieren, sondern erhöhen will. Dabei wäre ganz im Gegenteil insbesondere ein dramatisch besserer Schutz der Fußgänger vor den Radfahrern notwendig. Aber Fußgänger sind der Radfahrerpartei, die derzeit das Verkehrsministerium beherrscht, offensichtlich genauso zuwider, wie es ihr die Autofahrer sind.
Diese haben im Gegensatz zu den von allen Parteien im Stich gelassenen Fußgängern in ÖAMTC&Co ja wenigstens lautstarke Lobbys, die gegen etliche Vorhaben der Grünen protestieren. Diese Proteste gelten insbesondere der von der Tiroler Landesregierung (für die offenbar nur die Grünen sprechen dürfen) vorgeschlagenen drastischen Reduktion des Tempolimits auf Straßen: 30 in allen Ortschaften, 80 auf Überlandstraßen und 100 auf Autobahnen.
Zu diesem Skurril-Vorschlag aus Innsbruck, über den sich alle aufregen, hat die grüne Verkehrsministerin in Wien zwar abgewinkt – er stehe ja nicht im Regierungsprogramm. Wobei sich die Grünen aber wohl alle insgeheim über einen Zusatz zu dieser Aussage einig sind: "leider noch nicht, wird schon noch werden". Auch Ministerin Gewessler hat ja sofort hinzugefügt, dass eine Temporeduktion "immer eine gute Idee" sei.
Wenden wir uns jedoch dem zu, was sie schon jetzt vorgeschlagen hat. Und das ist fast ebenso katastrophal, auch wenn die geplante Straßenverkehrsordnung nicht das generelle Tempolimit enthält. Denn:
- Sie wird zu einer drastischen Vermehrung von Verkehrsunfällen führen;
- sie hat gänzlich auf die jetzt schon von den Radfahrern terrorisierten Fußgänger vergessen;
- sie versucht nicht einmal ansatzweise, die besonders gefährlichen Elektroroller ("E-Scooter") einzubremsen;
- sie löst satte Kosten für die Steuerzahler im dreistelligen Millionen-Ausmaß aus.
Der ganze Vorschlag geht in die völlig falsche Richtung. Und er wird der – durch ihre Corona- und Russland-Eskapaden eigentlich schwer angeschlagenen – FPÖ gewaltige Sympathie- und Wiederbelebungspunkte bringen. Zumindest dann, wenn die ÖVP auch in diesem Bereich den grünen Umtrieben kein Stoppsignal entgegenzusetzen imstande sein sollte.
- So wie in der Justiz bei den Exzessen der Staatsanwaltschaft.
- So wie bei der in Kürze kommenden (und die schon durch den Krieg explodierenden Energiepreise noch einmal in die Höhe peitschenden) CO2-Steuer.
- So wie bei der pandemisch gewordenen, für Bauern und wanderlustige Familien bedrohlichen, aber von den Grünen geliebten Landplage durch immer mehr Wölfe, Bären und Wildschweine.
- So wie beim gesetzwidrigen Kampf der gleichen Verkehrsministerin gegen den Bau der für ganz Mitteleuropa dringend notwendigen Ostumfahrung Wiens.
Einige Details zu den zuvor aufgelisteten Kritikpunkten. Es ist wohl sicher, dass folgende geplante Neuregelungen zu einer Vermehrung von Verkehrsunfällen führen werden:
- Das künftig erlaubte Nebeneinanderfahren von Radfahrern ist zwar sicher für diese netter als das Hintereinanderfahren, aber es führt zu mehr Unfallsituationen, nicht nur deshalb, weil dadurch Überholvorgänge noch gefährlicher werden. Es ist auch deshalb gefahrenerhöhend, weil dabei naturgemäß mehr geplaudert und gescherzt – aber viel weniger auf den Verkehr geachtet wird.
- Die vorgeschlagene generelle Rechtsabbiegeerlaubnis für Radfahrer auch bei Rotlicht wird vor allem viele Fußgänger zu Opfern machen, die da plötzlich aus völlig überraschender Richtung von Radfahrern angefahren werden. Dazu kommt, dass der gar nicht so geringe (meist ideologisch motivierte) Anteil der Kampfradfahrer das neue Recht extensiv nutzen und mit hoher Geschwindigkeit die Kreuzungen anfahren wird. Dieses neue Gesetz einer über psychologische Zusammenhänge ahnungslosen Ministerin relativiert aber auch generell ganz automatisch für alle das bisher absolute und sehr gut eingelernte Gebot "Bei Rot bleib stehen".
- Ebenso gefährlich ist die vorgeschlagene generelle Erlaubnis für Radfahrer, gegen alle Einbahnen zu fahren. Das führt jetzt schon in Wien, wo seit der grünen Regierungsbeteiligung das radelnde Befahren von Einbahnen gegen die Richtung in etlichen Straßen ausdrücklich freigegeben worden ist, zu vielen gefährlichen Situationen. Dabei geht es nicht nur um die erhöhte Wahrscheinlichkeit frontaler Kollisionen, insbesondere an unübersichtlichen Stellen, sondern vor allem auch um das Verhalten an Kreuzungen. Denn im Unterschied zu Autofahrern, denen in jeder Fahrschule die Vorrangregeln detailliertest eingebläut werden, sind für viele Radfahrer Nachrangschilder und Rechtsvorrang nicht einmal unverbindliche Empfehlungen. Aber auch Autofahrer sind immer wieder total überrascht, dass an einer Kreuzung, an der sie selbst eigentlich den Rechtsvorrang gegenüber der von links kommenden Einbahn haben, nun gelegentlich auch aus der anderen Richtung ein Fahrzeug kommt, mit dem sie nicht gerechnet hatten.
Diese Neuregelungen sind vor allem für die von Gewessler bedienten Radfahrer selbst gefährlich. Dies auch deshalb, weil ihnen ganz generell noch weniger als bisher bewusst gemacht wird, dass Straßenverkehr immer eine gefährliche Sache bleibt.
Diese Neuregelungen zeigen aber auch, dass für Frau Gewessler ihre Ideologie, die vermeintliche Planetenrettung und der rücksichtslose Kampf für die ebenso vermeintlichen Interessen der eigenen Zielgruppe die einzige Richtschnur sind. Während sie am wichtigsten Ziel aller bisherigen Reformen ihrer Vorgänger – nämlich an einer Reduktion der Verkehrsunfälle – völlig desinteressiert ist. Mindestens ebenso schlimm ist, dass es überhaupt keine Maßnahmen – wie Regeln oder intensiv verschärfte Kontrollen – gegen die bisherigen Missstände gibt.
Die schlimmsten davon sind allen Verkehrsteilnehmern gut bekannt, nur der Verkehsministerin nicht:
- So bleiben praktisch alle Autofahrer vor Zebrastreifen brav stehen, wenn dort Fußgänger stehen oder unterwegs sind. Sie haben aber naturgemäß Radfahrer überhaupt nicht im Blick, die plötzlich mit ganz anderer Geschwindigkeit als Fußgänger etwa von hinten kommen und in den Zebrastreifen einbiegen – auch dann, wenn die Autofahrer wieder losfahren.
- So ist zwar das nächtliche Radfahren ohne Licht seit jeher verboten, es ist auch gefährlich, aber dennoch sehr verbreitet – es kümmert jedoch offenbar weder Polizei noch Verkehrsminister.
- So verbreitet sich die Autofahrer-Unsitte immer mehr, beim Abbiegen nicht zu blinken. Das ist wohl die am häufigsten zu beobachtende Regelwidrigkeit im Verkehr.
- So ist in Städten das Radfahren auf Gehsteigen zur allgemeinen Gewohnheit vieler sich ja moralisch als Folge der grünen und medialen Propaganda als höhere Wesen fühlenden Radfahrer geworden. Das ist für jeden, der aus einem Haustor tritt, zur Gefahr geworden. Das ist es aber auch für alle, die glauben, auf dem Gehsteig ein wenig gedankenverloren oder plaudernd schlendern zu dürfen sowie für Mütter oder Väter mit Kleinkindern, für Blinde und für gehbehinderte Alte gefährlich.
- Für die letztgenannten Gruppen sind auch die auf allen Gehsteigen herumliegenden E-Scooter zum Riesenproblem geworden. Dabei wären deren letzte Benutzer ja leicht eruier- und abschreckend strafbar. Aber keine Polizei kümmert das.
- Diese elektrischen Roller sind aber auch im normalen Straßenverkehr eine große Gefahr geworden. Sie sind durchaus flott, aber viel wackliger als Radfahrer unterwegs – insbesondere, wenn sie versuchen, eine Hand vom Lenker zu nehmen oder gar, wenn sie auch noch Kopfhörer aufhaben. Sie haben auch ein ganz ungewohntes, sich vom eingelernten Verhalten der Autos, der Radfahrer, der Motorradfahrer oder Fußgänger unterscheidendes Bewegungsverhalten. Ihr Verhalten kann daher von allen anderen Verkehrsteilnehmern ganz schlecht eingeschätzt werden.
- Dasselbe gilt auch für die bisweilen auftauchenden originellen Fahrradkonstruktionen, bei denen die Fahrer weit niedriger als einen Meter liegen und daher extrem schlecht sichtbar sind.
- Spannend wäre eine Statistik, wie viele Zusammenstöße es von Fußgängern mit anderen Fußgängern, mit Rad- oder Autofahrern schon gegeben hat, weil sie fasziniert auf ihr Handy geschaut haben – sogar beim Überqueren von Straßen.
- Besonders schlimm ist, wie sehr die Radfahrpräpotenz überall für alle Fußgänger zu einem lebensgefährlichen Spießrutenlauf geworden ist, wo sich Fußwege und Radfahrstreifen kreuzen. Dort gehen viele Radfahrer davon aus, dass sie als die Stärkeren und ideologisch Überlegenen automatisch Vorrang haben und die Fußgänger gefälligst zur Seite springen sollen. Wer bezweifelt, wie häufig das vorkommt, der möge sich eine Zeitlang an den Kreuzungen der Wiener Ringstraße mit Kärntnerstraße, Schwarzenbergplatz oder Schottengasse postieren und die Angst der Fußgänger vor den Radfahrern beobachten.
- Fast noch schlimmer geht es auf krankerweise für Fußgänger wie Radfahrern gemeinsam gewidmeten Wegen zu. So gelingt es praktisch nie, die enge, aber viel benutzte Brücke von der U-Bahn-Station Spittelau über die Heiligenstädter Straße ohne Gefährdungen durch durchrasende Radfahrer zu durchqueren.
Offensichtlich gilt ja in Wien generell: Selber schuld, wer zu Fuß gehen oder mit der U-Bahn fahren will (etwa gar mit der dort verkehrenden Drittweltlinie U6) – auch wenn er sich in Bälde das Autofahren auf Grund der von den Grünen durchgesetzten CO2-Steuer endgültig nicht mehr leisten wird können.
PS: Besonders skurril ist für eine grüne Politikerin, auch wenn es theoretisch die einzige nach mehr Sicherheit klingende Maßnahme ist: Bei Kreuzungen soll künftig ein Sichtbereich von acht statt fünf Metern freigehalten werden. Das bedeutet allein in Städten die Entfernung Tausender Bäume und Sträucher. Wohl auch solcher, die gerade um viel Geld und mit viel Propagandaaufwand dort verpflanzt worden sind.
PPS: Bezeichnend für die Glaubwürdigkeit der Grünen: Die gleiche Ministerin, die jeden Energieverbrauch als Todsünde gegen das Klima bekämpft und mit diesem Ziel alle zuvor geschilderten Schikanen begründet, hat gerade 140.000 Euro für eine Klimaanlage in ihrem Amtssitz ausgegeben – besser gesagt: den Steuerzahler ausgeben lassen. Wir lernen: Sünde ist Energieverbrauch nur bei den anderen.
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